Vorbereitungen

Sohn I hatte Besuch, Jungen im gleichen Alter. Vier Fünfjährige, die sich ins Kinderzimmer zurückzogen, die Tür hinter sich zuzogen und Musik anmachten. Ich ging an den Schreibtisch. Der Rest der Familie war nicht da, solange die Jungs sich nicht in die Haare kriegen, kann ich ja in Ruhe arbeiten, dachte ich. Ich schrieb ein wenig und lauschte ab und zu in Richtung Kinderzimmer. Nichts. Gar nichts. Kein Geräusch außer der Musik, spanische Partykracher. Kein Reden, kein Lärmen, kein Spielen, kein Toben. Nichts flog an die Wand, nichts stürzte um, nichts klirrte. So etwas macht mich nervös, ich kann nicht arbeiten, wenn Kinder sich dermaßen verdächtig benehmen.

Ich ging ins Kinderzimmer und sah mir die Lage an. Im Raum war es dunkel, es gab nur schwaches Licht aus den Fenstern des Hauses auf der anderen Straßenseite und etwas wolkengedimmtes Mondlicht. Die Kinder standen im Dämmerlicht an die Wand gelehnt, die Arme vor der Brust verschränkt. Die Musik lief laut, sie nickten im Takt dezent mit den Köpfen. Ernste Gesichter, unbewegliche Körper.

Ich: „Was genau macht ihr da eigentlich?“
Sohn I: „Papa, geh raus, wir spielen Disco.“
Ich: „Disco!?“
Sohn I: „Ja. Macht Spaß.“

Womit er mich wieder zur Tür schob. Denn das nächste Lied fing an und er musste weiter mit den anderen ernst gucken, herumstehen und ab und zu ein wenig nicken, wenn die Musik besonders schwungvolle Stellen erreichte. Was man eben so macht, als Junge in der Disco, wenn man kein Mädchen dabei hat, sondern nur Kumpels. Wer würde das nicht kennen.

Es heißt immer, Mädchen seien den Jungen voraus. Stets einen Entwicklungsschritt weiter, meist klüger, jedenfalls reifer. Aber ob die fünfjährigen Mädchen wissen, wie lange die Jungs ihrer Altersgruppe ganz ernsthaft auf das erste Ausgehen in etwa neun Jahren trainieren?

Dieser Text erschien als Kolumne in den Lübecker Nachrichten und der Ostsee-Zeitung.


9 Kommentare

  1. hahaha. Das kenn ich aus Disco-Zeiten auch noch – und dann immer schön locker am Getränk festhalten… Man könnte ja angesprochen werden.

  2. Kinder sind immer und immer wieder so so so großartig – und ihre zwei scheinbar sowieso!
    Herrlich, ich hab laut gequietscht vor Lachen – Männer! 😉

  3. Auch hier interessiert mich der Entwicklungsstand von Sohn I.
    Haben die frühzeitigen Vorbereitungen zum Gelingen der pubertären Abendgestaltung beigetragen?
    Fragen Sie doch mal!
    Und vielleicht kriegt man die anderen drei für eine nettes Diskoabend-Revival zusammen.

  4. Pardon, aber ich habe, ohne es näher erklären zu wollen, gerade nicht die Neigung, in alte Texte kommentierend einzusteigen. Eher die Neigung, sie zu löschen. Man hat so seine Launen.

  5. Na gut. Ich schmolle nur kurz.
    Verständlich isses ja auch.
    Aber bitte nicht alles löschen. Ich mag es, die Weiterentwicklung Ihres Stils zu beobachten.
    Von weiteren Nachfragen sehe ich ab. Räuberinnenehrenwort!

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