Es ist kompliziert

Zum Beispiel das mit dem Essen. Da ich für den Wirtschaftsteil dauernd Meldungen zu Ernährung und Lebensmittelwirtschaft lese, beschäftige ich mich natürlich auch in meiner privaten Küche eher mehr als weniger mit dem Thema. Also mit der Frage, was da richtig ist, was gesund, was regional, was bio und was davon notwendig und was zweckmäßig und was schon radikal. Mir ist der Aufwand für die vegane Ernährung nennenswert zu hoch, ich finde vegetarisch verblüffend leicht, ziehe allerdings auch das nicht ganz durch. Aber immerhin. Herr Buddenbohm war in der Küche stets bemüht.

Ich lese wieder mehr Foodblogs, ich lauere auf Ideen, ich kann einiges von dem, was ich normalerweise so gekocht habe, plötzlich nicht mehr sehen. Ich lese dauernd Rezepte und warte auf die Erleuchtung. Ich habe doch wieder die Gemüsekiste bestellt, ich habe in diesem Jahr auch als Autor noch ein paar Dates mit dem Thema Food. Ich finde das Thema interessant, wenn auch nicht so interessant wie es die Foodblogger finden, die damit natürlich jeden Tag verbringen. Mir ist alles Extreme fremd, ich möchte mich keiner Bewegung anschließen, ich möchte kein Hundertprozentiger sein, kein Missionar und kein Agitator, ich finde alles schlimm, was humorlos betrieben wird. Und doch! Und doch steht man dann man Herd, hat in der Woche zwanzig Meldungen zu gesunder Ernährung und ökologischer Landwirtschaft und so weiter gelesen, rührt im Topf und fragt sich, ob das nun richtig ist, was da schmort.

Ich komme dabei immer wieder an zwei Begrenzungen. Zum einen bin ich in den Siebzigern groß geworden, das heißt mein Geschmack ist geprägt von Speck und Zucker und Geschmacksverstärkern. Und das klingt nur so wie ein Witz, das ist tatsächlich so und das ist tief in mir verankert. Und nicht ganz so einfach zu überwinden. Zum anderen kostet die Beschäftigung mit dem täglichen Essen, wenn man anfängt, darüber intensiv nachzudenken, mehr Zeit, als ich dafür habe. Ich möchte fast sagen: etwa dreimal so viel. Wenn es denn reicht.

Das ist natürlich ein Aspekt, an dem man weitergrübeln kann, an der persönlichen Zeitplanung. Man muss das Essen wohl von der Notwendigkeit weg denken, hin zur Freizeitbeschäftigung, hin zur erfüllten Zeit, zur Familienzeit, zu was weiß ich, zu mehr Spaß und Sinn. Daran scheitere ich gerade grandios. Das ist diese Reaktanz, ich bekomme schon bei der nur gedachten Aufforderung ”Geh doch mal in die Küche und entspann dich beim Gemüseschnippeln” unbändige Lust auf Tiefkühlpizza. Schlimm. Gleicher Effekt übrigens bei mir im Bioladen, wenn ich diese völlig verstrahlten, heiligmäßigen Typen sehe, die hinterm Tresen bei jedem Brötchen alle Zutatenkörnchen aufzählen, als hätten sie sie bei Vollmond selbst geschrotet, kriege ich nur Lust auf Drogen und Rockmusik. Das möchte man doch nicht.

Na, mal sehen. Weiter nachdenken, weiter probekochen. Irgendwie auch ganz spannend. Die arabische Gemüsepfanne mit Minztraubenjoghurt gestern zum Beispiel – sehr geiles Essen. Rezept reiche ich demnächst nach.

 

19 Kommentare

  1. „diese völlig verstrahlten, heiligmäßigen Typen […], die hinterm Tresen bei jedem Brötchen alle Zutatenkörnchen aufzählen“
    Was genau ist davon jetzt aus der elendigen Klischeekiste gefischt, und was nur ein Ausdruck der Projektion deines schlechten Gewissens?

  2. Auch wenn ich schon deutlich härtere Fälle gesehen habe, unser Bioladen bedient jedes Klischee. Nicht zu vergessen: der omnipräsent-latente Tierhandlungsgeruch.

  3. Es gab und gibt sie ja wirklich (ein Klischee wächst ja nicht aus dem luftleeren Raum…), die Heiligmäßigen. Ich hab sehr gelacht… inzwischen ist aber längst nicht mehr jeder Bioladen mit ihnen angefüllt. Muss sich da in St. Georg um ein Bio-Top handeln.

  4. Musste sehr schmunzeln! Aber wenn man in einer der großen Läden einkauft fällt das missionarische meist weg- es sei denn man fragt nach.
    Ich bin eine Lustesserin (sieht man leider auch 😉 ) deswegen versuche ich immer einen Mittelweg zu gehen, der sich allerdings dank der Lebensmittelskandale und Gentech-Bewegung immer mehr zu nur Bio verlagert! Aber immer ganz entspannt.
    Einen schönen Sonntag
    Angelika

  5. @M. Buddenbohm: Klar gibt es Leute, die dem genannten Klischee entsprechen. Ob man, auch im Versuch lustig zu sein, derart (ab)wertend sein sollte, scheint mir eine davon unabhängige Frage zu sein.

  6. Dass die Familie aus dem Haus ist, womöglich mehrtägig, erkennt die Kassiererin im Supermarkt immer an den 5-Minuten-Terrinen, die ich dann aufs Band staple. Obwohl nicht nur der Inhalt zweifelhaft, sondern auch der Preis haarsträubend ist, das muss eine ganz frühe Programmierung sein.
    Den Fertigessenreflex kenne ich also nur zu gut – es sind allerdings zumeist die Fertigessen-Preise, die mich fertigmachen, und ich stehe immer öfter fassungslos im Laden und sehe zu, wie Familien ganze Monatsgehälter in Zeugs investieren, das sie für ein Drittel des Preises im selben Zeitraum selber machen könnten, hätten sie nur das pure Grundwissen dazu. Nicht Hohe Küche, kein Firlefanz, das immense Zeit braucht.
    Nur Grundwissen. Hefeteig. Panieren. Suppe. Gemüse braten statt kochen. Salatsoße. Sowas.

  7. Nichts spaltet die Leser so wie das Thema Ernährung, wie man auf diversen Food-Blogs ja schon lesen konnte. Ich fühlte mich durch den Artikel durchaus angesprochen, ernähre mich zwar fast vollständig vegan und vermisse auch kein Fleisch, aber manchmal überkommt es mich und ich kaufe mir eine Fertigpizza – so what. Ich bin deshalb kein schlechterer Mensch, sondern frei nach Martin Luther: hier stehe ich, ich kann nicht anders. Und wer behauptet, eine Sache durchzuziehen zu können ohne Ausnahmen ist eine Spaßbremse.

  8. Hier noch das Rezept für Grüne Soße:

    Arbeitszeit: ca. 15 Min. / Schwierigkeitsgrad: normal / Kalorien p. P.: keine Angabe
    Die möglichst frische Kräutermischung „Frankfurter Grüne Soße“ wird verlesen, gewaschen, die groben Stiele entfernt. Mit dem Sauerrahm, Salz (vorzugsweise Meersalz), Senf, Zucker in einen Küchenmixer mit Hackmesser geben und fein mixen.

    In eine Schüssel umfüllen, den Joghurt zufügen. Gut umrühren, die Eier halbieren und zur Grünen Soße geben.

    Die Mengenangaben sind ungefähre Werte. Es kann auch etwas Zitronensaft zugefügt werden oder Essig. Die Kräutermischung besteht oft aus 25 g Schnittlauch, 25 g Petersilie, 25 g Kerbel, 25 g Kresse, 25 g Sauerampfer, 25 g Borretsch, 10 g Estragon, 10 g Dill, 10 g Bohnenkraut. Manchmal auch Zitronenmelisse.

    Im Original besteht die Fankforder Grie Soß aus Borretsch, Kerbel, Kresse, Petersilie, Pimpinelle, Sauerampfer und Schnittlauch.
    http://www.chefkoch.de/rezepte/1021661207383908/Frankfurter-Gruene-Sosse.html

  9. Jaaaa! Zu allem eigentlich. Auch zu dem Rockmusik und Drogenreflex 😉
    Aber was ich noch sagen wollte: ich habe die Rezepte hier in letzter Zeit schmerzlich vermisst und neue herbeigesehnt. Nicht weil sie meinen Speiseplan bereichern (sorry, unsere Geschmäcker sind da zu unterschiedlich), sondern weil die Schreibweise jedes Mal toll ist. Muss ja auch mal gesagt werden. Ich freu mich auf mehr davon!

  10. Oh bitte nicht die Grüne Soße im Mixer häckseln. Das schmeckt dann wie Rasenschnitt. Bitte nur mit dem Messer hacken. Die Soße ist dann nicht ganz so grün – aber geniessbar.

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