Sonntagsspaziergang

Binnenalster

Was man gar nicht so gut erkennen kann: In Hamburg ist gerade das Alstervergnügen, eine überaus seltsame und unbegreifliche Veranstaltung. Worin dabei das Vergnügen bestehen soll, es kann vermutlich keiner recht erklären. Die Veranstaltung geht so: Rund um die Binnenalster werden sehr viele Wurstbuden aufgebaut, immer noch mehr und noch mehr. Die schier endlose Reihe wird ab und zu heiter durchbrochen von Fischbrötchenständen, Bierbuden und Zuckerwatteverkäufern. Das übliche Aufgebot jedes Kleinstadtjahrmarkts, nur etwa mal hundert genommen, grob geschätzt, wir sind ja eine Metropole hier. Dazu noch ein paar Bühnen, auf denen, wie das bei diesen Bühnen eben immer so ist, den Großteil des Tages über gerade umgebaut wird. Also immer dann, wenn man vorbeigeht zum Beispiel. Für Kinder gibt es etwa zwei Fahrgeschäfte, optimistisch geschätzt, es geht hier tatsächlich ausschließlich nur um Wurst und Bier, es ist fürchterlich.

Da also landete ich heute eher zufällig, die Schuld ist selbstverständlich beim Nachwuchs zu suchen. Und ich trottete mit den Kindern in der Hand eine Alsterseite ab, in Schneckengeschwindigkeit, wie es eben so geht, wenn man mit hunderttausend anderen Menschen gemeinsam eine Straße entlanggeht.

Aber das Highlight der Veranstaltung haben wir dann doch gesehen, oder zumindest die Person, die wir gemeinsam dafür halten. Das war eine durchgeschwitzte Joggerin, die in der Menge feststeckte wie alle, eingekeilt durch die schunkelwilligen, durstigen und hungrigen Massen aus Pinneberg, aus Buchholz in der Nordheide, aus Kaltenkichen und Schwarzenbek. Die Joggerin hüpfte vor uns auf und ab, wie es Jogger an Ampeln häufig tun, sie hüpte immer wieder auf und ab und rief tatsächlich unentwegt und ziemlich wütend, man möge ihr doch endlich Platz machen, sie könne so nicht laufen.

Es ist immer schön, solche Menschen zu treffen. Man weiß dann, man ist geistig vergleichsweise noch halbwegs beisammen. Oder zumindestens kann man es noch eine Weile glauben. Und das ist wirklich sehr tröstlich.

4 Kommentare

  1. Mein Liebster kann gerade nicht ganz verstehen was Du gegen Bier und Bratwurst ein zu wenden hast… Noch Wasser (und Fische) dabei und er ist im 7ten Himmel 🙂
    Vllt geb´ich ihm nächste mal einfach die Kinder mit 😀
    Liebe Grüße
    Jenny

  2. Anderer Ort, gleicher Mensch(enschlag):
    Als Startläufer der 5×5 km Staffel durch den Berliner Tiergarten kam mir einst eine einsame Radlerin entgegen. Aufgebracht rief sie: „Ihr seid hier nicht alleine.“ Nur um weiter auf mich und die anderen 1599 Läufer zuzuhalten (okay, vielleicht kamen auch nur noch 600 Läufer hinter mir 😉
    Die Begegnung ist bis heute mein Maßstab geblieben. Wenn jemand sagt, dass man das hätte merken müssen, dann schütlle ich nur leise weinend den Kopf und denke mir meinen Teil.

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