Prost

Ich nehme mit Freude zur Kenntnis, dass immer mehr kleine Brauereien entstehen und es eine ganz neue Bierszene gibt. Das ist wunderbar, dass man das Brauen nicht mehr nur den Konzernen überlässt, deren Produkte oft ganz okay sind, aber längst nicht so gut, wie ein Bier sein kann. Ich trinke gerne Bier, ich mag es, wenn es da Vielfalt gibt. Andererseits nehme ich mit Sorge zur Kenntnis, dass in Getränkekarten bei Bierspezialitäten immer öfter verdächtige Vokabeln auftauchen. Da liest man von Karamellaromen, von fruchtigen Noten und Obstsorten. „Anklänge von grünem Apfel“, ja nee, ist klar. Was machen denn diese Begriffe bitte beim Bier? Das ist doch, als ginge man auf ein Rockkonzert und der Sänger würde vor Beginn ans Mikro treten, die Arme heben und ganz ernst erklären, dass der erste Song noch piano sei, der zweite eher capriccioso und dann ginge es aber so richtig furioso weiter. Statt es einfach krachen zu lassen.

Wenn man diese Entwicklung weiterdenkt, muss man bald seitenlang Bierbeschreibungen lesen und mit fachkundigen Obern Diskussionen über Hopfenanbaugebiete führen, bevor man in der Kneipe endlich etwas ins Glas bekommt. Und womöglich muss man dabei so kultiviert gucken, wie es die Weintrinker immer schon tun. Nichts gegen Weintrinker, versteht sich, ich mag ihre stets bemühte Grundhaltung. Aber möchte man sich denn bemühen, wenn man Durst hat? Möchte man nicht einfach nur ein Bier? Ein sehr, sehr gutes Bier meinetwegen.

Nein, ich will mein Bier nicht erklärt bekommen. Ich will nichts von tannenzapfig im Abgang oder über Anklänge von Brombeer und Moos lesen. Ein so beschriebenes Bier kann man doch nicht mehr auf ex trinken, ohne dabei ein schlechtes Gewissen zu haben. Und dann denkt man wehmütig zurück an damals, als Bier noch gegen Durst half.

Was war das schön.

(Dieser Text erschien als Kolumne in den Lübecker Nachrichten und in der Ostsee-Zeitung)

8 Kommentare

  1. In Frankreich, nicht unbedingt das erste Land, das man mit Bierkonsum assoziiert, lief mir Ähnliches das erste Mal über den Weg: Ein Papiertischdeckchen in einer Brasserie, in der eine Biermarke ihre verschiedenen Sorten vorstellte – jeweils mit recht präzisen Vorschlägen dazu, zu welcher Speise welches Bier passen könnte. Ähnlich findet man es ja auf den Etiketten vieler Weine: Passt gut zu Wild oder Käse, oder so. Für eine Nation von Weintrinker_innen erschien mir das eine eigentlich nicht ganz blöde Marketingstrategie.

  2. Mit den seltsamen Aromen stimme ich dir zu. Und dass es zum Glück mehr Biere und Brauereien gibt, auch. Aber es gibt (nicht nur, aber vor allem) aus Franken und Bayern bereits hervorragende Biere, die nicht Pils und nicht Weizen sind. Das Problem ist, sie hier im Norden zu bekommen. Doch es gibt einen Großhändler aus dem südlichen Bremen, der in seinen Getränkemärkten bis nach Hamburg viele süddeutsche Biere anbietet und dafür meine Hauptquelle geworden ist.

  3. Das Wort kam ja schon auf: Hipster.

    Es gibt ein einfaches Mittel dagegen, man meidet die Brut und ihre bevorzugten Produkte. Der gemeine Hipster will beschissen werden und das gelingt diversen Industrien recht gut. Hält man sich von Hipster-Produkten fern, wird man im Leben etwas weniger beschissen.

  4. der weinsnobismus, wie er hier auch in deutschland inzwischen seit jahren als distinktionsmerkmal in gebrauch ist, hat aber nun nichts mit hipstern zu tun. und wenn die vorliebe der hipster für kleinauflagen zur folge hat, dass die großbrauereikonzerne/aldiweine/großröstereien von 90% auf 80% marktanteil sinken, kann ich das nur begrüßen.

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