Gelesen, vorgelesen, gesehen, gehört im August

Gelesen

Wolfgang Büscher:  Deutschland, eine Reise. Auf dem Handy gelesen, kein Foto. Der Autor ist einmal um Deutschland herumgegangen, auf den Grenzen mäandernd, eine teils etwas surreal anmutende Reise durch all diese Zwischenregionen. Lohnt sich schon wegen der wunderbaren und längeren Lästerei über das Volk in den Cafés in Timmendorf, wenn ich das als ehemaliger Travemünder einmal kenntnisreich anmerken darf.

Theodor Storm: Novellen. Auch als E-Book, auuch kein Foto. Auf Eiderstedt gelesen, das passt natürlich ganz ungemein. Da waren sogar einige dabei, die ich gar nicht kannte, wie isses nun bloß möglich. Aufgefallen ist mir beim Lesen, was bei Literatur aus dem neunzehnten Jahrhundert oft auffällt – wie selbstverständlich Pflanzen eine Rolle in den Geschichten spielen. Die Buche im Hof, der Buchsbaum im Garten und auch immer wieder Blumensorten, deren Namen ich nicht einmal kenne. Das sind Gewächse, die etwas aussagen, die Geschichten ein Stück weit tragen, es sind Pflanzen, zu denen die Menschen einen geradezu intimen Bezug hatten. Nach dieser Lektüre ist es dann doch wieder irritierend, wenn ich hier aus dem Fenster und auf den Spielplatz sehe, auf dem Bäume und Büsche stehen, die ich einfach nur als beliebiges Grün sehe. Keine Ahnung, was da steht, nichts davon hat einen Bezug zu mir. Gut ist das vermutlich nicht, richtig ist es auch nicht.

Uwe Bahn und Gerhard Waldherr (Hrsg.): Inselstolz. Zwischen Strandkorb und Sturmflut – 25 Leben in der Nordsee.

Inselstolz

Die Texte sind so verfasst, wie Isa und ich auch die “Was machen die da”-Interviews schreiben, das sind überarbeitete Monologe von Menschen, die auf den Inseln leben und von ihrem Leben erzählen. Wie sie da gelandet oder aufgewachsen sind, warum sie dort bleiben. Leider eher spärlich bebildert, das ist etwas schade, aber sonst für den Nordsee-Urlaub eine sehr gute Wahl.

Elisabeth Tova Bailey: Das Geräusch einer Schnecke beim Essen. Deutsch von Kathrin Razum

Die Autorin ist schwer krank und muss monatelang im Bett liegen, jemand schenkt ihr einen Blumentopf, in dem eine Schnecke wohnt. Sie hört abends die Schnecke essen und wird dadurch zur intensiven Schneckenbeobachterin und -kennerin. Gute Idee, das mit den Schnecken ist auch tatsächlich interessant, leider ist das Ganze aber auf Kalenderspruchniveau weisheitstriefend.

Robert Seethaler: Jetzt wird’s ernst

Das habe ich abgebrochen, das war mir zu überzeichnet. Als hätte man die Farbsättigung zu hoch gedreht, und zwar viel zu hoch.

Alexander Capus: Himmelsstürmer

Himmelsstürmer

Da geht es um Lebensläufe von Schweizern, die in anderen Ländern erstaunliche Karrieren und Lebensläufe absolviert haben. Madame Tussaud, Marat usw. Könnte man auf den ersten Blick wegen der Beschränkung auf Schweizer uninteressant finden, dann verpasst man aber ein fein erzähltes Buch über unglaubliche Schicksale. Gerne gelesen. Gilt weiterhin: Mehr von Capus lesen.

Franz Hohler: Die Rückeroberung – Erzählungen

Franz Hohler

Noch ein Schweizer. Ein schmaler Band mit Erzählungen, das ist an einem Nachmittag im Strandkorb erledigt. Ich mag ja diese Schweizer Eigenart, in einem höchst bürgerlichen Tonfall in die Anarchie abzudriften. Auch sehr gerne gelesen.

Ralf Rothmann: Hitze

Hitze

Schon vom Titel her die beste Buchwahl in den heißen Wochen des Sommers. Ich bin nicht weit gekommen, da kam dann das Thema Flüchtlinge dazwischen und ich habe nur noch Nachrichten gelesen. Was ich aber schon im Buch gelesen habe, fand ich sehr ansprechend. Detailreich erzählt, und das kann man, wenn ich es richtig sehe, bei deutschen Autoren im Moment gar nicht so oft behaupten. Also detailreich und interessant in Kombination, versteht sich, die Mode geht eher dahin, ziemlich schnell zu erzählen, geht sie nicht? Das hier liest sich teilweise so detailreich wie im guten alten Realismus, und warum auch nicht. Taucht ein neuer Raum auf, braucht es erst einmal drei, vier Seiten, bis er vor einem steht, dann steht er aber auch gestochen scharf da. Sind Nebenfiguren anwesend, werden auch die mit feinen Strichen gezeichnet, ganz langsam, ganz gründlich. Das Berlin, um das es hier geht, sieht man sehr deutlich.

Alle anderen lesen natürlich gerade “Im Frühling sterben”, das möchte ich nicht. Thematisch unerträglich.

Vorgelesen

Sebastian Lybeck: Latte Igel und der Wasserstein. Mit Bildern von Daniel Napp

Das hat die Herzdame den Söhnen auf Eiderstedt vorgelesen, das fanden sie beide sehr gut und sehr, sehr spannend. Davon gibt es noch mehr Bände, die sind dann wohl bald fällig.

Ich habe mit den Söhnen etwas mehr Zeit mit Apps verbracht. Sie hatten beide zum Ferienende nach Lern-Apps gefragt, die kleinen Streber. Nein, das sind sie in Wahrheit tatsächlich nicht, sie hatten nur die Hoffnung, das iPad öfter zu bekommen, wenn sie das Spielen pädagogisch wertvoll verbrämen. Da haben sie gut aufgepasst, immerhin. Ich habe mir ein paar Apps für die Schule angesehen, gut gefallen hat mir bisher nur die Variante “Lernerfolg Grundschule” von Tivola. Darin gibt es Lernspiele Deutsch/Mathe/Englisch für jede Klasse in der Grundschule, die Stufen und Fächer kann man einzeln kaufen, oder auch alle im Paket. Sohn I findet es gut und die Inhalte passen wohl tatsächlich perfekt zum Lehrplan, zumindest zu seinem. Überraschende Erkenntnis nebenbei, man kriegt ja dank Ganztagsschule längst nicht alles mit: das Kind kann schon wesentlich mehr Englisch, als ich gedacht habe. Und auch mehr, als er weiß, er denkt nämlich, er kann gar nichts. Das läuft da also ganz nebenbei, und nebenbei kann man eine Menge lernen, wie es aussieht. Faszinierend.

Und Sohn II, ab nächste Woche Vorschüler, wollte dann natürlich auch so etwas. Und das gibt es auch, „Lernerfolg Vorschule“ mit Capt’n
Sharky. Auch das kam sehr gut an.

Gesehen

Motivationsfilmchen für das Longboardfahren, eh klar.

Carving the Mountains from Juan Rayos on Vimeo.

Ich bin mittlerweile mit dem Longboard auch schon zur Arbeit gefahren, das macht allerdings nicht so viel Spaß, die Wege sind hier im kleinen Bahnhofsviertel und auch im benachbarten Hammerbrook einfach zu voll. Auf dem Rückweg habe ich mich, das gehört dann auch so, natürlich prächtig hingelegt, an einer Stelle, wo gar nichts war, einfach so. Und während ich noch japsend auf dem Rücken lag, kam ein freundlicher Jugendlicher über die Straße, beugte sich zu mir runter und sagte: “Ey! Mussu auch steuern, das Teil!” Das ist schön, wenn junge Menschen so Anteil nehmen.

Gehört

Der Ohrwurm des Monats passt zu meinem demnächst startenden Lindy-Hop-Kurs: My baby can dance. Immer mutig voran.

Und wenn ich mich musikalisch und tänzerisch rückwärts orientiere, dann läuft hier irgendwann unweigerlich Dean Martin, der in der All-Time-Playlist meines Lebens vermutlich einen der ersten drei Plätze belegt, mit dem bin ich schon großgeworden. Eine der ersten Stimmen, an die ich mich erinnern kann, neben Frank Sinatra. Als ich geboren wurde, war Strangers in the night auf Platz 1 in den Charts, das konnte man mal irgendwo nachschlagen. Wer auch immer in dieser Play-List meines Lebens mittlerweile auf Platz 1 sein mag. Element of Crime? Die dürften in den letzten Jahren jedenfalls mächtig aufgeholt haben.

Über den Promillewert bei diesem Auftritt von Dino hier mag man gar nicht nachdenken, aber selbstverständlich ist er dennoch gelungen, wie fast immer bei ihm.

In Heavy Rotation läuft nach wie vor aber auch Eels:

Und ein Ohrwurm, denn man zunächst durchaus ganz nett finden kann, der nach dem zehnten Hören aber befremdlich lästig wird: Model von Balanescu Quartet.

4 Kommentare

  1. Fallen? Sowieso immer nach vorn, auf die Schutzausrüstung; minimum Handgelenkschoner und Handschuhe …
    Vom selben Longboard-Team gibt es noch mehr Filme. Alle toll. Toller Kameramann halt.

    Und überhaupt: was ein dicker Blog-Eintrag. Das verteilen andere auf ein halbes Jahr oder mehr 😉

  2. Theodor Storms Novellen waren immer meine Lieblingsbücher in den Sommerferien bei meiner Oma, Pole Poppenspäler am allerliebsten. Und Kurt Tucholsky stand auch gleich daneben, ach und den Wundertäter von Erwin Strittmatter habe ich mangels Kinderbüchern ( zu Hause hatte ich natürlich welche) auch schon mit 10 das erste Mal gelesen. Ach da kommen so viele schöne Erinnerungen an die Kindheit wieder.

  3. Lieber Herr Buddenbohm,
    vielen herzlichen Dank für den „My baby can dance“ Ohrwurm – sensationell gute Musik und ich würde leidenschaftlich gern so gut tanzen können wie die Herrschaften im Video! Vielen Dank für die Empfehlung und die Tanzwut 🙂

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