Onesie-Warnung

Beetlebum hat hier einen Beitrag über Onesies, dazu möchte ich gerne etwas ergänzen, bzw. bestätigen. Falls jemand fragend auf das Wort sieht, hier die Wikipedia mit Erläuterungen: Onesie. Irritierenderweise steht da “for adults”, was wieder beweist, dass die Wikipedia ein Abgrund an Desinformation ist. Schlimm! Denn Onesies sind nicht, ich wiederhole: nicht! für Erwachsene. Also zumindest nicht für mich, und ich nehme stark an, auch nicht für Sie oder irgendwen, der älter als, na, etwa zehn Jahre ist. Ich erkläre mal, warum das so ist. Man muss es aus Elternsicht angehen.

Denn als Elternteil weiß man mittlerweile sicherlich: Onesies, gerade die in der ausdrücklichen Schlafanzugversion, sind an Kindern total niedlich. Oberniedlich, quietschniedlich, man möchte Kinder, die Onesies tragen, dauernd und dringend herzen und bekuscheln, man möchte sie permanent an sich drücken, und wenn man ehrlich mit sich ist, was man als aufrechter Blogger selbstverständlich immer sein sollte, kann man dabei tief in sich ein wenig Neid spüren. Neid auf diese unerreichbare Hyperkuscheligkeit, Neid auf diese sensationelle Gemütlichkeit, die man dem Kind und seinem Dress auf zehn Meter Entfernung ansieht. Neid auf diese flauschige Geborgenheit, aus der man als Erwachsener irgendwann so gründlich und unumkehrbar gefallen ist. Ein Kind im Onesie sieht nach glücklicher Kindheit und Geborgenheit und hyggeliger Sorglosigkeit aus, mehr Accessoires oder Deko braucht es gar nicht. Und weil Onesies so wahnsinnig gemütlich sind, tragen Kinder sie natürlich gerne ganztägig und überhaupt immer, am besten wochenlang. Warum soll man etwas ausziehen, was sich ideal anfühlt? Das Kind kann mit dem Onesie ins Bett gehen und braucht nicht einmal eine Decke, es hat an sich und in seinem Kleidungsstück Wärme genug, es braucht eigentlich nicht einmal ein Bett, es rollt sich einfach nur etwas ein, wo immer es gerade liegt, wie ein Tier im Wald, im Einklang mit sich und seiner Umgebung. Ein Onesie ist kein Fell, aber es ist schon ein verdammt guter Ersatz.

So verhält es sich also mit den Onesies für Kinder. Es gibt nun den einen oder anderen Erwachsenen, den das Betrachten des Nachwuchses in diesen Dingern in die Versuchung bringt, sich selbst auch so etwas zuzulegen. Da kann man ja mal drüber nachdenken, denn die Vorstellung, dass eine ganze Familie in so etwas einen ganzen Sonntag lang auf dem Sofa herumliegt – in der Kinderstube eines Maulwurfs kann es doch kaum puscheliger und samtiger zugehen. Die Herzdame hat also Onesies für uns bestellt und zum folgenden Absatz werden Menschen wieder etwas wie “Pics or it didn’t happen” kommentieren, aber nein, oh nein, es gibt keine Pics. Aus sehr, sehr guten Gründen. And it did happen anyway.

Wir haben die Onesies also anprobiert und uns vor den Spiegel gestellt, es war ein erstaunliches Erlebnis. Ich würde mich grundsätzlich ohnehin nicht für eine Schönheit halten, aber so schlecht habe ich vermutlich noch nie ausgesehen. Ein Onesie an einem Erwachsenen ist eine textile Abwertung, es ist die Auslöschung allen Stils, aller Grazie, aller Würde, aller Form. Ja, auch und gerade aller Form, denn die Dinger sitzen grotesk unförmig, es fällt einem an Kindern nur nicht so auf. Sie hängen, weil sie ja locker sitzen sollen, schlapp an einem herunter, es ist ein wenig so, als werfe man plötzlich ganzkörperig Riesenfalten. Man sieht auch nicht etwa wie ein Astronaut, ein Rennfahrer oder ein Monteur aus, man sieht, da gibt es überhaupt nichts zu diskutieren, gleich auf den ersten Blick einfach nur wie ein Depp aus. Und zwar in der Ausführung des Volldepps.  Nach dem ersten Blick in den Spiegel verschärft sich der Eindruck beim zweiten Blick noch, denn man bekommt einen Schreck ob seiner völlig unerwarteten Volldeppenhaftigkeit. Und weil der Mensch nun einmal nicht intelligent guckt, wenn er sich erschrickt, sieht man gleich noch dümmer aus, man erreicht ganz unerwartete Dimensionen des depperten Aussehens, und man muss hier auch unbedingt noch eine optische Täuschung erwähnen, die in diesem Zusammenhang wichtig ist. Es findet im Spiegel nämlich auch eine Verzwergung des Ichs statt, weil man in einem Onesie irgendwie nach einer Figur aus Kinderwelten aussieht, nicht mehr wie ein Mensch in den besten Jahren. Man schrumpft vor sich selbst zusammen. Wenn man sich dann ruckartig aufrichtet und den Rücken gerade macht, eine naheliegende und reflexhafte Reaktion, um zu retten, was zu retten ist, sieht man aus wie der siebte Zwerg in Disneys Schneewittchen, der höchst drollig einen Soldaten parodiert. Man kann vor dem Spiegel machen, was immer man will, eine Rettung gibt es nicht.

Da so ein locker sitzendes Onesie ausgerechnet an den Hüften die größten Falten wirft, wirkt es außerdem ein wenig so, als hätte einen jemand von oben in diesen Anzug gedrückt und man wäre früher einmal wesentlich größer gewesen. Man sieht nicht nur aus wie ein Depp, sondern auch noch wie ein zusammengestauchter Depp. Ein zusammengestauchter Volldepp also, wobei die Stauchung, das Spiegelbild ist da recht eindeutig, vermutlich durch kräftige Schläge auf den Kopf erfolgte, was der ohnehin schwachen Restintelligenz des Onesie-Trägers natürlich auch nicht gerade zuträglich gewesen ist, zumindest weiß man nicht, wie man diesen Gesichtsdruck da im Spiegel sonst plausibel erklären könnte. Man wendet sich irgendwann mit Grauen und zieht sich wieder um.

Die Herzdame hat ihren Onesie auch anprobiert, die Folgen waren ähnlich. Sie war, da sie deutlich jünger ist als ich, beim Vergleich ihrer Spiegelung allerdings eher bei den Teletubbies, die habe ich natürlich nie gesehen, das ist die Gnade der frühen Geburt. Wir danken jedenfalls unserem gesunden Menschenverstand, der uns beiden eingab, uns nicht länger als für den Bruchteil einer Sekunde gegenseitig zu betrachten, es ist kaum auszudenken, was dieses Bild, hätte es sich im Kopf festgesetzt, für fatale Folgen für die Beziehung gehabt hätte. Niemand ist gerne mit einem gestauchten Volldeppen verheiratet, der an den Hüften riesige Falten wirft und ob seines irren Blickes und seiner plüschigen Kleidung aussieht wie ein Stofftier auf Drogen. Nein, wir haben sie wirklich nicht lange angehabt. Wir haben sie sehr schnell wieder eingepackt und weggeschickt. Die Söhne, die diese Szene vor dem Spiegel beobachtet haben, werden irgendwann darüber wegkommen und nicht mehr hysterisch lachen, wenn sie daran zurückdenken. Das hoffen wir jedenfalls, im Moment ist das noch nicht abzusehen. Alle paar Stunden hören wir lautes Gewieher aus dem Kinderzimmer und wissen,  es ist ihnen doch wieder eingefallen.

Was ich aber eigentlich nur eben sagen wollte: Kaufen Sie das lieber nicht.

 

23 Kommentare

  1. Ich finde Onesie insofern total unpraktisch, weil man sich dann aufm Klo zu 3/4 entkleiden muss. Und das will man nicht, wenn es so kalt ist, dass man einen Onesie trägt. Jungs mögen es da ausstattungsbedingt einfacher haben, aber für Mädels ist das sehr sehr sehr unpraktisch.

  2. Großartiger Text! Ich habe Euch gesehen vor dem Spiegel, und mich kaputt gelacht. Der Morgenkaffee kommt mir durch die Nase wieder heraus…

  3. Den ersten Kommentar beim Beetlebum fand ich herrlich: „Das sind kein Overalls, das sind Strampler.“ Deutlicher muss man nicht mehr werden.

  4. Ich find die toll. Damit kann man ganz spontan zum Straßenarneval (also, sofern man etwas Rheinland in der Nähe hat, in HH ist das vermutlich so eine Sache). Fix über die normalen Klamotten gezogen, den Haarreifen mit den Fellohren auf den Kopf, einen rosa Klecks auf die Nase und schon ist man ein spekatuläres? niedliches? Wasauchimmer hauptsache warm angezogen.

  5. Gott Sei Dank! Es gibt noch Erwachsene die nicht dem Onesiewahnsinn verfallen sind. Was an diesen „Kleidungsstücken“, die man auch noch für jeden Klobesuch mehr oder weniger komplett entfernen muss, bequem sein soll, erschließt sich mir nicht.

  6. Ich stand mal neben einem… Herren im Onesie beim Bäcker an, schon bevor ich überhaupt von diesem Kleidungsstück hörte. Ich war sehr, sehr durcheinander.

  7. Wenn es stimmt, dass lachen gesund ist, dann bin ich jetzt, nach der Lektüre dieses „Erfahrungsberichts“, für den Rest meines Lebens kerngesund, danke sehr!

  8. Verstörendes Erlebnis auf einer Dänemarkfähre, als das Restaurant von einer zu einem Drittel in Onesies gewandeten skandinavischen Meute geentert wurde. Aber selbst im heimischen Bereich, in dem Schlumpfhosen an der Tagesordnung sind, wären die Biester aus den bereits erwähnten Toilettengangunannehmlichkeiten tabu.

  9. Bwahahaha 😉 Ein Foto war entbehrlich, das wurde ja so schön beschrieben … großartig. Toller Text! Die Onesies gingen bislang an mir vorbei, aber ich glaube, das ist auch in Zukunft eher nix für mich. Es lebe die Schlabberhose.

  10. Ja die Business-Uniform-Mausgrau-Schlipsgesellschaft lässt grüßen. Wie sagte mal jemand – warum sehen Männer angeblich immer so attraktiv aus, wenn ihnen die Sauerstoffzufuhr zum Gehirn mit einer Krawatte gedrosselt ist. Man kann sich gut vorstellen, wo da die wirklichen Deppen sitzen – arrogant und von sich eingenommen.

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