Das Missverständnis mit den Malbüchern für Erwachsene

Nach der Blogfamilia war ich plötzlich im Besitz eines Malbuches für Erwachsene, Berlinreisen sind eben immer sehr bereichernd. Und nachdem dieses Erwachsenenmalbuch nun von mehreren Personen in dieser Familie getestet worden ist, habe ich die starke Vermutung, dass viele Menschen, besonders Eltern, sie vollkommen falsch anwenden. Und da kläre ich natürlich gerne auf, edel und hilfreich wie ich routinemäßig bin.

Es ist sehr zu empfehlen, Malbücher für Erwachsene Kindern zu geben, am besten noch mit einigen stark motivierenden Sätzen dabei, wie etwa: “Das kannst du noch nicht” oder “Das ist wirklich nur für Erwachsene” oder “Das dürfen Kinder eigentlich nicht” oder “Das ist aber meins, kapiert?” Das gesund empfindende Kind wird sich umgehend über die diffizil gestalteten Bilder hermachen, und weil es so eine feine Arbeit ja mutmaßlich noch gar nicht leisten kann, wird es sich große, wirklich sehr große Mühe geben, die winzigkleinen Felder leuchtend bunt und ästhetisch koloriert auszumalen. Durchdachte Farbgebung, saubere Arbeit. Und es wird ein besinnlicher Friede in der Wohnung sein, wie man ihn seit Wochen nicht erlebt hat. Wenn man ganz flach atmet, hört man nur gerade eben das leise Wischen des Stiftes auf dem Papier – sonst nichts. Je nach charakterlicher Ausführung des Kindes kann das verblüffend lange so gehen.

Kinder gucken nach ein paar Minuten auf ihre bereits ausgemalten zwei Quadratzentimeter und denken: “Stark, so viel habe ich schon geschafft. Und toll, noch so viel übrig!”

Es ist dagegen nicht zu empfehlen, Malbücher für Erwachsene Erwachsenen zu geben, denn sie fluchen bereits nach wenigen Minuten über schwachsinnige Motive, Stifte mit der falschen Strichstärke, die blöde Papierstruktur, eine ungesunde Sitzhaltung und die vollkommen unzumutbare Vorstellung, das ganze Ding Seite für Seite akribisch auszumalen. Sie überschlagen im Kopf die Gesamtausmalzeit, sie erfinden wildeste Ausreden, wenn sie irgendwo hektikgetrieben übermalen und sie blättern alle paar Minuten seufzend und kopfschüttelnd durch die vielen Seiten voller extrem kleinteiliger Motive, die noch vor ihnen liegen. Nach zwei farbigen Feldern erwägen sie bereits eine monochrome Ausführung, denn Vereinfachung ist bei jeglicher Arbeit immer anzustreben. Und hätte die Herzdame noch ein wenig länger irgendein byzantinisch verschwurbeltes Mandala ausgemalt, sie hätte mich womöglich zwischendurch mit Stiften beworfen, denn irgendwo muss die Aggression ja hin.

Erwachsene sehen nach ein paar Minuten auf ihre bereits ausgemalten zwei Quadratzentimeter und denken: “Was ein Wahnsinn, das wird ja nie fertig, warum tue ich mir das an? Wer soll das schaffen? Wer hat so viel Zeit? Bin ich irre?”

Wenn man diese beiden Verhaltensweisen bedenkt, kann man Malbücher wirklich sinnvoll in der Familie einsetzen. Für Euch getestet.

14 Kommentare

  1. Haha wie cool geschrieben 😀 Ich habe tatsächlich auch ein Malbuch für Erwachsene. In stundenlanger „Arbeit“ mühsam im Buchhandel aus einem riesigen Sortiment ausgewählt, war ich total happy, weil die Bilder schön, kleinteilig und das ganze noch preisgünstig war.
    Ich komme damit nach Hause und mein 6jähriger so: „Ohhhh Mama, darf ich das auch haben? Da sind sooooo tolle Sachen drin und so klein! Ich will das auch!!!“

    Tatsächlich habe ich ihm jetzt mein Erwachsenen-Mandala-Buch abgetreten, das ich eher für fortgeschrittene Kinder nehmen würde. Seine Kindermalbücher interessieren ihn dabei nicht die Bohne, mit denen malt jetzt der 4jährige Bruder. Meins dagegen malt er nahezu perfekt aus und gibt sich erstaunlicherweise auch viel mehr Mühe als bei den großteiligen Sachen. Und das, obwohl ich ihm nix von wegen „das schaffst du nie“ gesagt hab 😉

  2. Sehr Lustig geschrieben. Und für Kinder ab einem gewissen Alter bestimmt zutreffend.. bei mir klappt das leider noch nicht. Der kleine ist 4. War am Anfang mal begeistert. Ich habe Bilder ausgedruckt und die Mission war wir malen das zusammen für Papa.. fazit nach 5 Min war die Luft raus. Ich besitze inzwischen 20 Malbücher für Erwachsene. Er freut sich über die Ergebnisse. Das Angebot ihm auch ein Motiv davon zu geben mag er jedoch nicht. Er motzt nur das er nur 3 Malbücher hat und auch mehr möchte. Die Motivation ich male in meinem du in deinem klappt jedoch Wunderbar.

  3. Das klingt nach einem kurzen, potenziell ruhigen Moment für mich – also, der erste Teil des Texts – und wird morgen gleich mal ausprobiert. Isja Muttertag in Österreich. Bisher habe ich das eine Ausmalbuch, das ich vor der Blogfamilia bereits hatte, vor der Kleinen versteckt. So gut, dass ich selbst noch keinen Strich getätigt habe. Wird sich nun aber ändern! Danke für die Idee und nochmals danke für deinen inspirierenden Vortrag auf der Konferenz! Alles Liebe aus Wien

  4. Ich war als Kind eine leidenschaftliche Ausmalerin und wäre hochgradig beglückt über dieses Kleinteilige gewesen. Insofern: jedes Wort wahr und danke fürs Grinsen!

  5. Um welches Malbuch handelt es sich bzw. wo bekomme ich das her? Frage für eine Freundin.

  6. Eine Empfehlung von mir: Kinder sollten, wie von dir beschrieben, die Malbücher für Erwachsene bekommen. Erwachsene hingegen erhalten im Gegenzug die Grundschulhausaufgaben, die es auszumalen gilt. Meine Mutter macht nichts lieber – aber die Erwachsenenbücher sind ihr zu blöd. Verkehrte Welt, diese! Viel Spaß euren Jungs beim Anmalen, Laura

  7. Bei uns lief es haargenauso – herzlich gelacht! und nein, ich habe gar nicht erst versucht, mitzumalen und ja stimmt, liebe Laura! Ich male auch total gerne die Bildchen bei den Hausaufgaben meines Erstklässlers aus – ob ich das bei 3 Grundschülern nächstes Jahr immer noch so mag? LG Verena

  8. Ich stelle mir gerade vor, man würde das mit Mathematik machen. Das Fach, das von Eltern und Gesellschaft verteufelt wird. Was nicht ohne Einfluss auf die Motivation der Kinder bleibt.

    Was also würde passieren, wenn man Kindern mal richtig anständige Mathe-Aufgaben für Erwachsene geben würde, statt den, ehm, Kinderkram? Ich kann es mit vorstellen. Irgendwas zwischen Jugendamt einschalten und mit der Mistgabel aus der Stadt treiben. Dazu die ein oder andere Talkshow im TV, mit einer Parade aus Erziehungs-Experten und kichernden Mathe-Versager-Show-Sternchen, die das Vorgehen verdammt wird.

    Vielleicht ist schon dieses Gedankenexperiment illegal.

Schreib einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Time limit exceeded. Please complete the captcha once again.