Noch einmal zu Filterblasen

In meiner Filterblase wird ein Artikel über Filterblasen wieder und wieder ventiliert, der Filterblasen als überschätzt darstellt. Auch nicht unkomisch. Aber der Blasentext erinnert mich daran, dass ich mit den Blasenspiegelungen der letzten vier Wochen noch gar nicht fertig war, da muss ich noch etwas anlegen. Vorweg ein kurzer Hinweis auf einen Umstand, den viele Menschen offensichtlich gerade vergessen oder verdrängt haben. Als ich in der Oberstufe war, galt das Lesen von Zeitungen und Zeitschriften als erwünscht, schick und gebildet und bürgerlich engagiert, wir haben das also alle gemacht. Die meisten lasen – wie auch ich – den Spiegel und die Zeit und gelegentlich die SZ, eine Regionalzeitung gab es zuhause damals sowieso. Einige seltsame Vögel, deren Eltern in der falschen Partei oder in seltsamen Berufen waren, lasen auch die FAZ oder gar die Welt. Da guckten wir dann auch gelegentlich rein, das war der berühmte Blick über den Tellerrand und im Feuilleton war das manchmal sogar interessant, ansonsten aber eher verstörend. Das waren also etwa sechs Medien, dazu kamen die abendliche Tagesschau und noch ein paar andere Sendungen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens wie Monitor etc. Aus heutiger Sicht war das alles recht eng, wir fühlten uns damit natürlich total weltläufig und bestens informiert, Topchecker durch und durch. Wie man in der Oberstufe eben so ist, ganz egal in welchem Jahrzehnt.

Durch die sozialen Medien habe ich allein im letzten Monat mit mindestens 400 Seiten Kontakt gehabt, es ist ganz interessant, wenn man das einmal ein paar Wochen zählt, was man da eigentlich konsumiert. Mal habe ich dort nur ein paar Zeilen quergelesen, mal habe ich mich sofort festgelesen. Einiges habe ich daraufhin abonniert, einiges auch irritiert gleich wieder geschlossen. Manches war mir zu rechts, manches zu links, manches zu langweilig, zu moralisch, zu kapitalistisch, zu revolutionär, zu ignorant, zu arrogant, zu doof und immer soweiter. Einige Artikel fand ich so gut, die habe ich dann hier im Beifang oder im Wirtschaftsteil gezeigt. Aber einige davon habe ich dort eingebaut – und dann doch wieder herausgenommen, weil ich noch vor der Veröffentlichung im Blog einen anderen Text gefunden habe, der besser war, der dem ersten widersprochen hat, der ihn sogar komplett widerlegt hat, der mich irritiert hat. Und das ist doch ziemlich gut so, wenn ich das mit meinem Medienkonsum von etwa 1985 vergleiche. Es ist heute ganz eindeutig reicher, bunter, vielfältiger, es ist in alle Richtungen offener. Blase hin oder her. Und es werden mir auch dauernd Texte auf den Bildschirm geweht, die meiner politischen Meinung sehr klar widersprechen, schon weil zwanzig Leute auf Twitter oder sonstwo aufgeregt schreiben: “Guck mal, guck mal, wie doohoof!” Und dann gucke ich vielleicht sogar.

Anmerken wollte ich zu meiner Blasenspiegelung auch noch, dass von meiner Twitter-Liste “Irgendwasmitmedien”, auf der jetzt über 1.000 Journalisten aus mir genehmen Medien sind (also nicht von der Bild z.B.), tatsächlich die New York Times die am häufigsten genannte Quelle im November war. Deutlich vor SPON, das ist ziemlich krass und ich nehme an, es wird sich nicht wiederholen. Ich werde aber auch nicht mehr zählen, das dauert alles zu lange.

Auf Platz drei, das war noch ein Hammer, ist schon Übermedien, die ich daher für in der Zielgruppe spektakulär erfolgreich halte. Dann die SZ, die Washington Post, die Zeit, die FAZ, der Falter aus Österreich, der NDR, The New Yorker, die Welt, der Tagesspiegel, die Tagesschau. Man merkt vielleicht: Leute, die bei Medien arbeiten, verlinken auch gerne klassische Medien. Buzzfeed, Niemanlab, Turi2, Correctiv, The Atlantic, Horizont und t3n. Alles in allem recht klassisch orientiert, kaum Blogs in der ganzen Liste, was bei der großen Anzahl von Medienblogs in Deutschland doch etwas erstaunlich ist. Es kommen schon Blogs vor, aber sie sind vergleichsweise weit unten im Ranking.

Das von diesen JournalistInnen im November am meisten verlinkte Blog ist übrigens kein Medienblog, es ist das von Journelle, was ein wirklich wunderbares Beispiel dafür ist, dass man auch als Bloggerin mit einem knackigen Text zu aktuellen Problemen in der deutschen Presselandschaft ziemlich umfangreich wahrgenommen wird. Das wird meiner Meinung nach manchmal unterschätzt.

Nachtrag: Siehe zum Thema Filterblasen auch Felix Schwenzel.

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