Kerbelrüben und Helden

Am frühen Morgen Gemüsekunde studiert, während die Familie noch schlief. Dabei überraschte mich die Existenz von Zuckerwurzeln und Kerbelrüben. Die klingen irgendwie ausgedacht, nicht wahr? Die gibt es aber wirklich. Nie gehört! Das bringt mich in Versuchung, willkürlich immer weiter Pflanzennamenbestandteile zu kombinieren und den Freundeskreis Garten mit den Ergebnissen zu irritieren, Kohlbeeren, Stecklauch, Wintertomaten, Sauerrauke, Eiskümmel und Ampfermöhre, so in der Art.

Bei den Beschreibungen der geeigneten Standorte für verschiedene Gemüsesorten fällt mir in den Büchern außerdem immer wieder der Begriff “selbstunverträglich” auf, mit dem ausgedrückt wird, dass man das betroffene Gemüse lieber nicht dort anbauen sollte, wo man es schon im letzten Jahr gepflanzt hat. Es ist also nicht gerne da, wo es schon war, das unstete Kraut, es wandert lieber weiter. Und selbstunverträglich zu sein, wer kennt das nicht?

Wobei das Gemüse da immer noch pflegeleichter als wir Menschen ist, denn wenn wir selbstunverträglich sind, bezieht sich das meistens auf die Gegenwart, nicht auf das Vorjahr, das wäre ja einfach. Wir wollen bei Selbstunverträglichkeit aber nicht auf dem Sofa sein, auf dem wir gerade sind. Und eine Standortänderung hilft da nicht, das ist alles eher kompliziert. Gemüse ist vermutlich auch sonst viel entspannter als wir, ich werde das im Sommer genauer beobachten.

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Eine weiterführende Schule besichtigt, und die wird es dann wohl auch. Da gab es Vorführungen in der Aula, Schülerbands und Tanzgruppen und dergleichen und meine Güte, kann so etwas gut sein! Man hat direkt gesehen, dass Lernen Spaß machen kann. Das hatte eindeutig Format und wenn so etwas bei dem Unterricht da rauskommt, dann habe ich gar keine weiteren Fragen mehr. Im Treppenhaus eine Ausstellung mit Bildern zu den persönlichen Helden der Schülerinnen, je ein Bild mit Beschreibung und kurzer Begründung. Da hingen u.a. Che Guevara, Michael Jackson, Anne Frank, Barack Obama, Nelson Mandela, mir unbekannte Kinderfernsehmoderatoren und Waris Dirie, ich hätte mich da festlesen können.

Wen hätte ich da im Gymnasialalter hingehängt? Ich kann mich gar nicht erinnern, wer mir damals helden- oder vorbildhaft vorkam. Vielleicht jemand wie er hier, der passt auch ausgezeichnet zum dunkelgrauen Wetter heute. Ich komme ja noch aus der Liedermacherzeit, und damals war das für uns kein Gesinnungskitsch, damals war das ganz groß. Jahrelang rauf- und runtergehört das Zeug, auf aus der Bücherei entliehenen Musikkassetten, die wir aus der Erwachsenenabteilung holten, in der wir sonst gar nichts verloren hatten.

Auch schon verblichen, der Ludwig. Aber er hat sich nicht umsonst echauffiert, finde ich.

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Jetzt Mathe mit dem Blinddarmkind machen. “Stelle die gerundeten Einwohnerzahlen der Millionenstädte in einem Diagramm dar.” Ohne Excel! Die haben es auch nicht immer leicht, die Schulkinder.  

18 Kommentare

  1. Ach, der Ludwig Hirsch… So ganz unvorbereitet wurde mir doch tatsächlich etwas wehmütig um’s Herz. Wie manchmal, wenn ich etwas höre, das mich daran erinnert, wie jung ich damals noch war. Aber immerhin sind fast alle Wünsche von damals wahr geworden. Bis auf die Sache mit dem Weltfrieden. Aber das ist halt auch ein zu weites Feld.

  2. so, da hat er tatsächlich bayerische Liedermacher gehört, ganz oben in Deutschland. Vielleicht ist es gut, dass du deine Helden nie in der Flur des Katharineums hängen musstest …

  3. Kurbelrüben gibts bei uns auf dem Markt und sind meine Winterlieblinge. Sehr feines eher unbekanntes Wurzelgemüse… Hätte ich einen Gemüsegarten würde ich sie anbauen.

  4. Gemüsetechnisch bin ich gar nicht fit und würde Dir daher die Wintertomaten durchaus abnehmen! Bei den Stauden wäre ich wohl eher skeptisch…. obwohl ich immer wieder auch mir völlig unbekannte entdecke!
    Tag der offenen Tür in einer Schule ist immer toll. Anders sieht es dann oft im Alltag aus. Naja, dieses Jahr können wir wirklich mehr als zufrieden sein. Da gab es schon andere Zeiten…
    Viele Grüße von
    Margit

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