Inbox zero, Blogversion

Ein weiterer Vorteil dieser täglichen Schreiberei zeigt sich gerade, ich habe nämlich gestern alle Notizen für mögliche Einträge verbraucht. Das ist das Blog-Pendant zu inbox zero beim Mailverkehr, davon träumen doch immer alle. Ich habe also keine unverbrauchten Ideen mehr im Blognotizdokument, es gibt da auch keine unerwähnten Bücher oder Filme mehr, keine halbangefangenen Pointen, keinen Vielleicht-Termin, kein Man-könnte-mal und auch kein Man-müsste-mal, keine kryptischen Stichwörter, deren Bedeutung ich mir selbst längst nicht mehr erklären kann, da ist nichts, da ist alles blanko, es fühlt sich an wie schuldenfrei.

Und wenn mir jetzt nie wieder etwas einfällt, dann habe ich auch gleich einen wichtigen Nachteil dieser Methode entdeckt. Toll!

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Andererseits braucht man gar keine Ideen, man muss ja nur irgendwo hingucken. Auf einem U-Bahnsteig am Hauptbahnhof sehe ich eine Mutter mit Kinderwagen, das Kind darin schläft selig schnullernd. Sie schiebt den Wagen auf und ab, sie geht einem Mann hinterher und fährt ihm in die Hacken. Entschuldigt sich bei ihm mit einem etwas karikaturhaft überzogenen XXL-Lächeln, als wäre im Grunde der Mann das Problem, was lungert der da auch im Weg herum, also wirklich. So eine Art der Entschuldigung ist das. Sie dreht um und geht in die andere Richtung, jetzt einer Frau hinterher. Fährt ihr nicht gerade langsam in die Hacken, entschuldigt sich, es sieht ähnlich aus wie beim ersten Fall. Und das wiederholt sich dann noch mehrmals, so dass ich mir bald sicher bin, hier liegt ein Fall von Absicht vor. Die fährt da mit Vorsatz Menschen an und entschuldigt sich dann süßlich überzogen, wer weiß, wie lange sie das schon macht oder wie oft. Ist das nun dringend notwendiger Aggressionsabbau oder hat sie einfach nicht alle Latten am Zaun? Vielleicht hat sie den schlechtesten Tag des Jahrzehnts erwischt, vielleicht hat sie auch seit sieben Tagen nicht geschlafen, kann ja sein, das bekommt dem Menschen nämlich nicht, da wird man seltsam, ich erinnere mich dunkel, ich hatte auch einmal Kleinkinder. Ich steige in meine U-Bahn, die Frau mit dem Kinderwagen steigt aber noch nicht ein. Vermutlich will sie auch gar nicht U-Bahn fahren, zumindest nicht so bald, sie hat da noch zu tun. Sie beachtet die Bahn also überhaupt nicht und bleibt auf dem Bahnsteig, sie schiebt den Kinderwagen gerade einer Gruppe Jugendlicher hinterher. Während sie aus meinem Blickfeld verschwindet, holt sie auf und ist schon ziemlich nahe hinter ihnen, nur ein paar Zentimeter noch bis zu ihren Fersen. Und den Rest der Geschichte wird man niemals herausfinden, damit muss man dann natürlich auch klarkommen, wenn man gerade keine Ideen mehr übrig hat und einfach nur irgendwo hinguckt. Irgendwas ist immer.

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Neues Hörbuch angefangen: John Galsworthys Forsyte-Saga, gelesen von Thomas Dehler, übersetzt von Luise Wolf (für die ich hier einen Stolperstein einfügen kann) und Leon Schalit. Thomas Dehler liest wunderbar und trifft genau den Tonfall, den ich vor einigen Jahren beim Lesen des Buches im Kopf hatte. Perfekt.

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10 Kommentare

  1. Also bei aller Liebe, aber haben die von Kampnagel dieses Werbebanner nicht als sauberes PNG? Dieses komplett kaputtkomprimierte JPG ist kaum noch lesbar. Das genügt nicht den Standard dieses Premiumblogs!

  2. Mir scheint dieses repetitive Anrempeln links, Anrempeln rechts so ne Art „Tinder mit Kind(er/n)“ zu sein. Vielleicht ist ja irgendwann jemand darunter, der/die ihr gefällt – und umgekehrt.

  3. In meiner Inbox befinden sich aktuell 14.856 ungelesene Nachrichten und bei meinen Blog-Notizen sieht es leider auch ähnlich aus. Aber ich schreibe ja meist nur immer neue Ideen auf und nicht so viele weg. Wie sehr mich der enorme Output beeindruckt (qualitativ und quantitativ), schrieb ich ja neulich schon mal…
    Die Forsythe-Saga habe ich vor ein paar Jahren, als es noch DVDs gab, als Mini-Serie gesehen. Das war auch ganz empfehlenswert.
    Viele Grüße,
    Caro

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