Slieken im Snee

Ein Sohn war im Ohnsorg-Theater und hat dort fast alles verstanden, auch Vokabeln, die er bisher gar nicht kannte. Etwa Slieken für Schleichen, solche Begriffe. Wieso versteht er das so spontan? Alle Kinder kamen da wohl nicht mit bei dem Stück. Das hat ihn überrascht und er erklärt sich das jetzt so, dass er Plattdeutsch eben von Natur aus verstehen kann, weil so viele seiner Vorfahren Norddeutsche waren.

Jo, so is dat wohl.

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Ich habe wieder um einen Gastbeitrag im Blog der GLS Bank gebeten, diesmal hat Alu von Große Köpfe über Arbeit geschrieben, bitte hier entlang.

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Schnee am Montagmorgen, viel Schnee sogar. Jetzt ist Dienstag, der Schnee ist immer noch da. Das ist auch alles durchaus von einer gewissen Hübschigkeit da draußen, zugegeben, aber ich sehe mir das dennoch lieber durchs Fenster an. Oder auch gar nicht. Und Sohn II fragte mit skeptischem Blick und einem vorsichtigen Finger im Schnee: “Das war früher also öfter so? Wirklich?”

Denn das kann er sich einfach nicht vorstellen. Seine Jahreszeiten sind nicht meine Jahreszeiten, das ist auch einmal festzustellen, dazwischen liegen mittlerweile erhebliche Differenzen, wir assoziieren ganz verschiedene Naturerlebnisse damit. Er kennt ja nicht einmal diese endlosen Rodelnachmittage, an denen wir damals, längst durchgefroren wie die Eiszapfen, immer noch nicht reingehen wollten, obwohl es schon desaströs dunkel wurde, aber wir mussten doch unbedingt noch einmal und dann auch noch einmal den Hügel runter, auf dem Rücken, auf dem Bauch, im Sitzen vorwärts und rückwärts und hockend ging auch irgendwie und kniend! Und stehend! Nein, das ging nicht. Aber probiert haben wir es mit großer Selbstverständlichkeit. Oft. Und auf dem viel zu späten Heimweg haben wir dann bitterlich geheult, weil die kalten Füße so verdammt wehtaten und die Handschuhe längst nass waren und auch sonst überhaupt nichts mehr wärmte und auch weil der Weg für heutige Verhältnisse sportlich weit war, da wurde ja noch nicht hinterhergehelikoptert, von niemandem. Nein, diesen Spezialspaß aus dem letzten Jahrhundert kann er sich noch nicht einmal ansatzweise vorstellen, der Sohn. Egal, Opa erzählt vom Winter, und da bin ich noch gar nicht bei 78/79 angekommen, das kann hier eh keiner mehr hören.

Sohn I hat sich dagegen heute immerhin seine ganz eigene Rodelerinnerung gebastelt und ist mit dem Schlitten gegen einen Metallzaun gefahren, wonach wir den Rest des Nachmittages beim Zahnarzt verbringen durften, da er mit den Frontzähnen gebremst hat. Man macht was mit.

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Apropos Opa erzählt von früher, in der Gegenwart haben sie auch nicht mehr alle Latten am Zaun: “Gut jeder dritte Social-Media-Nutzer in Deutschland kann sich das Leben ohne soziale Netzwerke nicht mehr vorstellen.”

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Die letzte Sonntagskolumne aus der Reihe “Der moderne Mann” für die Lübecker Nachrichten abgeschickt, nach immerhin 189 Folgen wird die Folge dort beendet. Das ist einerseits etwas traurig, andererseits aber vielleicht auch ganz gut so. Denn kein Format ist für die Ewigkeit und Wechsel kann wohltuend sein. Und natürlich hat man so Platz für Neues. Also sowohl die Zeitung als auch ich.

Die Kolumne bestand immer aus 1.750 Zeichen und ich hatte einen gewissen Ehrgeiz, sie stets mit genau 1.750 Zeichen abzugeben, keines mehr, keines weniger. Das hat mir immer Spaß gemacht, am Text so lange herumzuschrauben, bis alles auf das Zeichen genau gepasst hat, das wird mir doch ein wenig fehlen. Man lernt etwas über das Texten, wenn man auf diese Art schraubt, was man im Blog oder generell online nicht lernen kann. Allerdings fand das die Familie auch oft lästig, wenn ich am Sonntag stundenlang verbissen Zeichen geschubst habe. Irgendwas ist immer.

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Zwischendurch schnell in die Bücherei gerannt und den nächsten Band von Kempowskis Echolot geholt, das liest sich nämlich überraschend schnell. Nach den Grauen von Leningrad jetzt also direkt zu Stalingrad, man träumt nicht unbedingt gut nach diesen Büchern. Schon gar nicht, wenn man einen Sinn für die Gegenwartsbezüge hat, die schier zahllos sind.

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Ich stecke musikalisch übrigens immer noch in den Achtzigern fest und gucken Sie mal, damals hatte man noch Zeit für lange Intros. Auch schön! Wobei die Stücke von der Dame sowieso vergleichsweise würdevoll gealtert sind, die muss man nicht verstecken.

 

17 Kommentare

  1. Wie immer alles gerne gelesen, nur heute besonders von dir neugierig gemacht zum Stichwort *Gegenwartsbezüge* – magst du dazu noch zwei, drei Sätze schreiben?

  2. Vorab: Gute Besserung dem verletzten Sohn.

    Das Verstehen von Plattdeutsch erkläre ich mir mit „intuitivem Sprachverständnis“, zudem wird im Ohnsorg-Theater ein sehr sauberes Platt gesprochen, das gut verständlich ist.

    Der Winter 1978/79 hat m. E. einen eigenen Beitrag verdient – wann sonst kann man Eulen durch Hamburg fliegen sehen?

  3. Meine Winter- und Rodelerinnerungen sind den Ihren sehr ähnlich, wenn auch in den fünfziger, sechziger Jahren. Damals noch mit ungefütterten Lederschuhen, die nicht wirklich warm hielten. Wenn wir dann heulend heimkamen, schickte mein Vater uns als Mutprobe nochmal barfuß durch den Schnee zum Nachbarhaus und zurück. Danach waren die Füße heiß 🙂

  4. Kann man meinen Kommentar nicht lesen, weil ich nen Beitrag zum Winter 78/79 verlinkt hab, oder ist das das „kümmere mich im Januar“ Thema? Oder gar die Netiquette? Schreck!

  5. Ach ja, der Winter 78/79. Im Radio hieß es manchmal, es sei den Eltern freigestellt, ihre Kinder zur Schule zu schicken oder nicht. Meine Mutter schickte mich immer hin! Und ich mußte laufen!

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