Frühlingserfolgserlebnis

Die Kaltmamsell, ein Jahr jünger als ich, sieht sich in etwas weiterem Abstand zu den Boomern. Da die Boomer etliche Jahrgänge umfassen ist es für mich naheliegend, dass unsere beiden Sichtweisen vollkommen berechtigt sind.

Sie erwähnt da außerdem Loseblattsammlungen in ihrem Text, in denen sie noch recherchiert hat. Als ich vor gefühlt hundertfünfzig Jahren Bibliothekswesen studiert habe, haben wir Studentinnen noch gedacht, dass das besinnliche Nachlegen von Neulieferungen in Loseblattsammlungen ein fester Bestandteil des künftigen Tagwerks sein würde, in dem Beruf, den ich dann nie ausgeübt habe.

Im Laufe der Semester kam dann aber schon eine vage Ahnung auf, dass es in der näheren Zukunft vielleicht etwas anders werden könnte und ich erinnere mich noch, wie spektakulär uns in einem Seminar zu den „Neuen Medien“ die erste selbst ausgeführte Online-Datenbankrecherche vorkam.

Sachen irgendwo auf der Welt nachsehen, ohne dafür in eine Bibliothek zu gehen, wie abgefahren war das denn.

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Ich höre weiterhin jeden Morgen die Presseschau aus deutschen Zeitungen und ich weiß, ich schrieb es schon einmal ähnlich – aber es sind doch irritierend viele Passagen in den Kommentaren zur Politik dabei, die ich, wäre ich Lehrer für Deutsch, Geschichte, Philosophie oder Gesellschaftskunde, rot anstreichen würde, und zwar zugegebenermaßen nicht ohne eine gewisse Aggression und mit der Randbemerkung: Zu kurz gedacht! Oder auch: Leiten Sie logisch ab! Nicht selten auch: Fakten! Fakten Fakten!

Und das sage ich nicht, weil ich mich für so intelligent halte, das tue ich bekanntlich nicht einmal ansatzweise. Aber ich meine schon manchmal zu erkennen, wenn andere noch wesentlich schlichter und überhasteter denken als ich, und ich finde es dann nicht immer statthaft.

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Ansonsten einen Bürotag gehabt, mit belebender Evakuierungsübung bei angenehmem Wetter, da geht man doch gerne zum Sammelpunkt draußen. Nachmittags dann der erste Mittagsschlaf bei geöffneter Balkontür. Dafür war es noch gar nicht warm genug, aber ich wollte unbedingt ein Frühlingserfolgserlebnis haben.

Und was war das dann schön. Ich habe bekanntlich eine schlimme Aversion gegen alles unter dem Sammelbegriff Wellness, aber Mittagsschlaf kommt dem vermutlich am nächsten für mich. Ein sehr konservatives Stück Wellness.

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Sinnloser Schwung

In den Kommentaren wurde von Elke neulich eine Radiosendung über Menschen in meinem Alter empfohlen. Diese habe ich jetzt gehört, sie enthält den schönen Satz: „Ich muss mich nicht neu erfinden, mich gibt es ja schon.

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Es ist ansonsten weiterhin zu kalt. Unten auf den Straßen sehe ich deutlich frierende Menschen und die ganze Stadt murrt und knurrt, man möchte das nun so nicht mehr, dieses einstellige Temperaturelend. Sogar die Vögel singen beleidigt wieder etwas weniger und die Blüten der Zierkirsche wirken etwas blasser, verfroren. In den Timelines und Blogs aus südlicheren Landesteilen werden dagegen blühende Magnolien erwähnt und auch abgebildet, da fühle ich mich wieder wie ein Zuschauer aus arktischen Regionen. Wenn ich mir die Knospen an der Magnolie in unserem Garten ansehe – bei der Blüte sind wir hier noch lange nicht.

Die Herzdame war im Garten und brachte von dort eine erste Tulpe mit, klein und noch geschlossen, aber immerhin.

Am Nachmittag steht ein junger Mann, ein Vater vermutlich, auf dem Spielplatz, er gibt einer Schaukel Schwung. Es ist ein etwas seltsames Bild, denn auf der Schaukel sitzt kein Kind. Er macht das aber ernsthaft und auch länger, nicht nur zwei, dreimal, sondern ganz so, wie man es eben macht, wenn ein Kind auf der Schaukel sitzt. Nur ist da eben keines.

Ein paar Meter weiter steht eine Frau, vielleicht ihm zugehörig, neben ihr ein krabbelndes Kleinkind im kalten Sand, vielleicht ihr gemeinsamer Nachwuchs. Die drei reden nicht miteinander, die sind da nur.

In einer ausgedachten Geschichte würde man sicher zu einer Erklärung für dieses Leerschaukeln kommen, und die Erklärung wäre vielleicht lustig, vielleicht aber auch nicht. In einem Film wäre es, das kann ich mir gut vorstellen, sogar eine wichtige Einstellung, die irgendetwas verdeutlicht, er vor der unbesetzten Schaukel, immer wieder Schwung gebend, vollkommen sinnlosen Schwung. Eine Schlüsselschwungszene.

Sein ernster Blick, seine Ausdauer. Ich weiß nicht, was ich da sehe, aber es ist das Bild zum Dienstag.

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Es gibt außerdem eine neue Monatsnotiz von Nicola.

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Die eine windstille Stunde

Robin Detje schreibt: „Für mein Gefühl ist alles gesagt, seit vielen Sonntagen. Es ist alles durchanalysiert. Ich kann nicht erkennen, dass die Gefahrenanalysen irgendeine Wirkung hätten. Der Typus des alten Sacks, der aus Trotz extra lange duscht, wenn das Wasser knapp wird, hat sich politisch auf ganzer Linie durchgesetzt. Kubicki, Merz, Trump, wo ist der Unterschied?“

Man möchte dem gerne etwas entgegensetzen, muss aber zugeben, dass es nicht einfach ist, nicht wahr. Es ist mehr der Liebe zu Geschichten als der Wirklichkeit geschuldet, dass die Guten am Ende immer gewinnen müssen.

Andererseits versteht sich allerdings auch, dass der Mensch aus Geschichten Wirklichkeit macht.

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Frau Novemberregen über Vornamen und Herkunft. Eine Sache, die ich auch erst lernen musste, dass sich die Frage nach der Herkunft für die Großstadtkinder im Alter meiner Söhne gar nicht stellt. Also nicht einmal ansatzweise. Das ist etwas, worüber sie nicht nachdenken, das ist für sie kein vordringlicher Aspekt der Persönlichkeiten, das ist kein Umstand, der bei Bekanntschaften zu klären ist oder der ihnen etwas Wesentliches an den Freunden erklärt. Andere Aspekte sind wichtiger und spannender.

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Am Sonntag habe ich noch die eine windstille Stunde mit Sonnenschein genutzt und bin schnell in den Garten gefahren, ich habe dort eben drei Reihen Radieschen gesät. Ab und zu entwickele ich also doch noch etwas Ehrgeiz, guck an. Das erste Mal in diesem Jahr die Finger in schwarzer Erde gehabt, die erste volle Gießkanne durch den Garten getragen. Das erste Mal im Saatgut herumgewühlt und einen Moment in der schon sonnenwarmen Laube gesessen, die allerdings noch nicht saisonbereit eingerichtet ist.

Ein paar Minuten auch der Heckenbraunelle zugehört, die nach einem ganzen Jahr Pause auf einmal wieder auf ihrem Posten in der kleinen Weide sitzt und meine Arbeit zuverlässig mit Gesang begleitet. Als sei sie nie fort gewesen, als habe sie kein Sabbatical gemacht.

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Late Boomer

Auch mal sehen, was die Korrespondentinnen machen – aber auf dem Land z.B. ist wieder einmal überhaupt nichts los, man kennt das. Nichts als Gegend.

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Einen Vortrag von Heinz Bude bei Deutschlandfunk Nova gehört: „So ticken die Babyboomer“, in dem gleich zu Anfang ein Umstand genannt wird, der mir nicht bewusst war, der aber hier im Blog gleichwohl schon implizit vorkam, weil er kaum zu übersehen ist: Im Jahr 2024 gibt es in Deutschland mehr sechzigste Geburtstage als jemals zuvor, und vermutlich auch mehr als jemals wieder. 46 Minuten, die sich lohnen. Die Reihe Hörsaal ist überhaupt oft interessant und empfehlenswert.

Ich gehöre je nach Definition und Jahrgangsbetrachtung mal zu diesen besprochenen Boomern und mal knapp nicht mehr, ich bin sozusagen in Analogie zu den Late Bloomers ein Late Boomer, was schön dazu passt, dass ich generell ein Spätzünder bin, um leicht entwicklungsverzögert besonders nett zu umschreiben. Selbst wenn es richtig sein sollte, dass ich kein Boomer bin, waren sie doch immer meine Bezugsgruppe, immer die ein wenig Älteren, die mir vorausgegangen sind, die mir alles vorgemacht, vorgesagt und auch eingerichtet haben. Ich bin ihnen also geistig verpflichtet und verbunden, das in jedem Fall.

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Ich habe vielleicht wieder etwas verpasst – bei diesem Vorschlag von Frau Stark-Watzinger, an den Schulen Zivilschutz zu üben, stand da irgendwo, was man sich darunter vorzustellen hat? Was soll da gemacht und trainiert werden? Ich habe viele Kommentare dazu gesehen, meist ablehnende, aber so gut wie keine erklärenden Inhalte. Standen die irgendwo, abgesehen von dem Aspekt mit den netten Offizieren von der Bundeswehr, die ihren Beruf in den Schulen freundlich und werbend erklären sollen?

Home-Office für Pandemiefälle z.B. haben meine Söhne schon reichlich eingeübt in den letzten Jahren, da sehe ich gerade keinen Bedarf mehr. Aber was weiß ich schon, vielleicht sollen sie ja übungshalber Sandsäcke befüllen, schanzen oder so etwas.

Wenn es allerdings um die Frage gehen sollte, wie man sich in Zeiten der Polykrise noch halbwegs zuverlässig informieren kann – ich wäre sofort dafür, bitte umgehend überall und gleich als Pflichtfach einführen.

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Schon hat man Ansprüche

Auf dem Weg zum samstäglichen Einkauf sehe ich zwei plötzlich ergrünte Bäume. Es muss in wenigen Stunden passiert sein, Blattaustrieb in der immer wieder beeindruckenden Expressversion, der Frühling als stürmischer Dringling.

Im Discounter aber steht direkt vor der Kasse nach wie vor eine angebrochene Palette mit billigem Glühwein. Der Absatz ist mittlerweile bestenfalls mäßig, wenn ich das richtig beobachte, aber wenn sie nur lange genug dort steht, noch ein paar Monate, wird er auch wieder zunehmen. So vieles ist nur eine Frage der Geduld.

Unten auf dem Spielplatz streut die Zierkirsche großzügig tausend rosafarbene Blütenblätter. Der eiskalt auffrischende Wind nimmt sie und legt Muster in den am Morgen noch regennassen Sand um die Schaukeln herum. Einen großen Halbkreis legt er, unregelmäßige Tupfen dazu, zwei, drei Wirbel auch, ein Künstler mit lässiger Hand.

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Auf dem Hotel gegenüber weht wieder eine Flagge, die ich nicht kenne, es ist ein Staatsbesuch aus … ich muss erst einmal nachsehen. Malaysia, so sieht das aus. Durch die Flagge der USA wurde sie inspiriert, was es alles gibt. Am Abend sehe ich viel Polizei vor dem Hotel, Kolonnenfahrzeuge und Geleitschutz, es wird recht hoher Besuch sein.

Ich denke bei Malaysia allerdings vor allem an Sandokan, denn ich bin alt genug für so etwas. 1979 lief das im Fernsehen.

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Bei Anke eine interessante Newsletter-Empfehlung im Blog.

Bei einem anderen Newsletter (vielen Dank für die Tipps gestern!) lande ich beim Abo auf einer Roboter-Prüfseite, sie wird automatisch übersetzt und fordert mich sprachlich etwas unglücklich auf: „Bestätige die Menschheit!“

Ich zögere lange.

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Kurz im Garten gewesen, 20 Kilo Dünger dorthin geschleift. Ohne Auto, damit es auch sicher als Sport gilt. Es blüht eine ganze Armee blauer Hyazinthen unter dem Weißdornbaum, der noch vor sich hinträumt. Ich wollte die ersten Radieschen säen, habe es dann aber gelassen, es war mir bei einstelligen Temperaturen zu kalt dafür und der Wind trieb mich wieder nach Hause.

Unter 12 Grad spiele ich nicht mehr gerne mit, wie immer im März. Kaum war es einmal warm, schon hat man Ansprüche.

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Gerne gelesen: Dieses Interview mit Nick Cave in der SZ.

Und bei Frau Novemberregen ein Satz, den ich sicher bei Gelegenheit und in geeigneter Umgebung zitieren werde: „Es ist ja ein Arbeitsplatz, keine Tagespflege.

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Im Bild eine Weide am gegenüberliegenden Ufer der Billerhuder Insel, sie kommt hier im Laufe der Jahreszeiten öfter vor.

Eine frisch ergrünte Weide am Ufer der Bille vor strahlend blauem Himmel

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Ferienbeginn

In Hamburg beginnen die bescheuerten Märzferien, was mich wie immer eher nervt, denn verreisen wollen wir in dieser unzuverlässigen Jahreszeit nicht, die Herzdame und ich haben eh keinen Urlaub. Und in der Wohnung werden durch schlafende oder, schlimmer noch, herumlungernde Jugendliche wieder alle Zimmer und Schreibtische und auch das Bad zu allen möglichen Tageszeiten zwei Wochen lang durchgehend besetzt sein. Problem.

Falls Sie noch nicht jahrelang hier lesen, der Ausdruck „Herumlungernde Jugendliche“ war in der Zeit, in der ich Berufsanfänger in der Sozialforschung war, eine feste Größe in der Viktimisierungsforschung. Wir haben damals (1987) regelmäßig im Auftrag von Universitäten gefragt, wer u.a. Angst vor „herumlungernden Jugendlichen“ hatte. Es hat sich mir förmlich eingebrannt, so oft habe ich das in den ersten Jahren im Büro getippt oder in turmhohen Stapeln von Fragebögen ausgezählt. Angst vor ihnen habe ich dennoch nicht.

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Die Kaltmamsell las Wolf Haas.

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Im Economist sehe ich, dass Deutschland immerhin auf Platz 7 von 194 Ländern ist, was den Lebensstandard angeht. Vor uns liegen noch die Staaten in Skandinavien, Hongkong und auf dem ersten Platz die Schweiz, am unteren Ende der Skala liegt Somalia. Und wir hatten die Diskussion schon vor Jahren in mehreren Blogs, einige werden sich vielleicht daran erinnern, aber es ist doch immer wieder bemerkenswert, wie wenig zuverlässig dieser offensichtlich krasse und eigentlich unfassbare Vorteil, den wir bei den allgemeinen Lebensbedingungen Tag für Tag haben, bei uns Glück auslöst. Wie ich damals schloss: Nach der Befriedigung der Grundbedürfnisse kommt nicht das Glück, sondern der Psychiater.

Heute würde ich aus guten Gründen die weibliche Form für die Fachkraft wählen, ansonsten stimmt der Satz nach wie vor, denke ich.

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Draußen auf der Nordsee, eine überaus traurige Meldung für den Freundeskreis Küste und Insel, sterben währenddessen die Trottellummen.

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Und eine kleine Bitte. Falls Sie sich auch über Newsletter informieren – ich wäre noch oder schon wieder an weiteren Tipps interessiert, gerade an solchen, die etwas abseits liegen, also nicht eben die Newsletter der überregionalen Zeitungen oder der Krautreporter, von Correctiv etc. – die habe ich alle schon, ebenso die von weithin bekannten Einzelautorinnen, also etwa von Nils Minkmar, Meike Stoverock etc.

Lesen Sie noch andere Newsletter? Vielleicht zu Spezialthemen oder von Spezialexpertinnen? Den Rezeptnewsletter einer lettischen Zeitung, die analysierende Wochenpost einer Politologin aus Brüssel, monatliche Berichte von KI-Forscherinnen, irgendwas?

Gerne kommentieren, ich bin ausgesprochen neugierig und lese gerne test. Und ich bin nie sicher, ob ich nicht vielleicht irgendetwas Großartiges übersehe.

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Tick Tack

Automatisch im Browser übersetzte Seiten werden immer besser, man kann die deutschen Texte mittlerweile über weite Strecken fast schmerzfrei lesen, zumindest die aus dem Englischen übersetzten. Bei anderen Sprachen sieht es noch schlechter aus, zumindest für mein Sprachempfinden. Ich müsste englische Texte nicht zwingend übersetzen lassen, aber ich mache es oft, denn ich finde diese Möglichkeit zu und zu faszinierend, diese globale, leicht zugängliche Lesemöglichkeit, diesen kleinen Zauber im Alltag.

Manche Fehler bleiben dabei zuverlässig erhalten, so wird etwa TikTok immer wieder zu Tick Tack übersetzt, und das ist eine der Fehlleistungen, die ich sogar mag. „In den USA soll Tick Tack verboten werden“, das könnte ohne Kontext auch eine Anspielung auf Sex sein, oder auf eine neue Droge. „Hey, willst du Tick Tack?“ Nachts am Bahnhof leise im Vorbeigehen gefragt.

Und die Aufforderung im englischen Guardian, der Zeitung bitte etwas Geld zu geben, sie wird durch die Übersetzung zu einer archaisch klingenden Mahnung: „Bezahl den Wächter!“ Ein Satz aus vergangenen Zeiten, aus einer griechischen Tragödie vielleicht, produziert von modernster Technik.

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Noch einmal im Büro gewesen. In dem Haus in Hammerbrook sind mehrere Firmen, unten beim Eingang gibt es etliche Briefkästen. Eine der Firmen ist gerade wieder ausgezogen, es ist in den letzten Jahren ohnehin viel Bewegung in den kleineren Büros. Dauernd werden Möbel geliefert oder abgeholt. Auf den Briefkasten der ausgezogenen Firma hat jemand einen handgeschriebenen Zettel mit „Bitte keine Post einwerfen!“ geklebt.

Diesen Zettel hat jemand mit Edding scherzhaft etwas nachbearbeitet, dort steht jetzt „Bitte keine Pest einwerfen.“ Eine Pandemiereminiszenz am Rande, wieder schön passend im März, man kann das so stehenlassen.

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Nachmittags lange draußen gewesen und durch die Stadt gegangen. Es war mir zum ersten Mal zu warm. Ein T-Shirt hätte mir gereicht und es liefen auch tatsächlich Menschen so herum, manche noch mit Jacken und Pullovern über dem Arm. That escalated quickly.

(Auch das eben nachgelesen, der virale Erfolg des Satzes „That escalated quickly“ begann 2012. Die Memes und die Kinder, sie werden so schnell groß.)

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Meldung aus dem Widerstand

Gewissermaßen als Nachtrag zum Text von gestern: Ich habe uns neue Tulpen für den Wohnzimmertisch besorgt, weil die traurig wirkende Halbmastsituation der weißen Blüten doch eher unansehnlich war. Die neuen Blumen, orangefarbene Tulpen, haben dann gar nicht erst ein, zwei Tage gewartet, bis sie ihre Köpfchen hängenließen, sie haben das vielmehr sofort gemacht, unverzüglich, direkt nach dem Auspacken, Anschneiden und der ersten Berührung mit dem Vasenrand, ganz so, als hätten sie eine Sollknickstelle im Stängel. Vielleicht werden die Tulpen bereits passend zur gesellschaftlichen Stimmung gezüchtet, es passt schon. Trauertulpen für triste Konsumenten.

Ansonsten ein eher belangloser Tag. Es war nicht warm genug, um wirklich schön zu sein, es war nichts interessant genug, um wirklich unterhaltsam zu sein. Fast hätte ich zum Tag „Überrasch mich!“ gesagt, aber ich bin ja nicht irre. Zumal gestern der 13., März war, der uns alle, Sie erinnern sich vielleicht noch, vor ein paar Jahren schon einmal recht gründlich überrascht hat, mit Auswirkungen bis heute.

Aber gut, das gilt vielleicht nur aus norddeutscher Perspektive, anderswo begannen Schul- und Büroschließungen etc. zu anderen Zeitpunkten, wenn ich mich recht erinnere. Anderswo denkt man an andere Jahrestage.

Immerhin aber habe ich dann im Büro noch ein Kompliment für gewisse Kenntnisse bekommen, das ist nicht nichts. Ich bin übrigens auch selbst deutlich öfter als früher nett zu anderen, lobend, rühmend oder ermunternd, wo es nur geht. Denn man muss, so denke ich, in einer immer härter werdenden und deutlich nach rechts rückenden Gesellschaft, in der Aggressionen und Hass unübersehbar zunehmen, in der unser Umgangston immer schärfer wird, die Umgangsformen immer kantiger, und in der die allgemeine Polarisierung weiter voranschreitet, alle acts of kindness als Handlungen des Widerstands betrachten.

Und Widerstand, da stehen wir doch drauf.

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Bestenfalls Skepsis

„Die Inflation entspannt sich weiter“, lese ich am Morgen in den Schlagzeilen und finde das erfreulich, dass es sich wenigstens die Inflation gut gehen lässt und sie also schön gechillte Tage bei uns verlebt, wenn schon sonst niemand im Umfeld.

Den entspannt gibt sich weiterhin eher niemand, ist eher niemand. Nicht in den sozialen Medien, nicht im Offlineumfeld. Die schlechte Laune hält sich, die verstetigte Anspannung und das Stressgefühl, ein depressives Element auch, eine Art Verbitterung, Zynismus, Pessimismus, Varianten der Resignation. Bestenfalls Skepsis. Ich stelle nur fest, ich werfe nicht vor. Ich kann das alles verstehen und ich kann auch leicht nachvollziehen, warum wir in der Gesamtheit aus der Schleife nicht mehr herauskommen, die Nachrichtenlage gibt es schon her, unser gemeinsames Älterwerden selbstverständlich auch. Man wird den Wirren der Welt nicht zugeneigter mit den Jahren.

Ich bin bemerkenswert schlecht darin, mich in vergangenen Jahren zu orientieren, aber eine Phase, in der eine neutrale oder sogar zwischendurch positive Stimmung gesellschaftlich überwog – sie wird mittlerweile länger als sieben Jahre her sein. 2014 vielleicht? Also zehn Jahre schon? Aber wie gesagt, ich bin nicht gut darin. Irgendwann jedenfalls waren wir mal etwas besser drauf. Damals.

Und es ist nur ein vages Gefühl, keine exakte Ableitung, aber ich nehme an, dass die jungen Menschen, die jetzt in das Erwachsensein starten, mehrheitlich nicht mehr mit dem Gedanken „Mal sehen, was wir alles erreichen können“ loslegen, sondern eher mit dem Gedanken „Mal sehen, wie wir da gut durchkommen.“ Das ist keine zwingend fatale Haltung, aber es ist doch eine fundamental andere, als sie vorhergehende Generationen hatten.

Na, egal. Auch mal zwischendurch etwas Schönes zur Kenntnis nehmen, etwas Nettes, Erbauliches! Irgendetwas, was nehme ich denn da, vielleicht einfach die weißen Tulpen auf dem Wohnzimmertisch neben mir.

Allerdings lassen die auch ihre Köpfe deutlich hängen. Irgendwas ist immer.

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Dreifaches Gelb

Weil sich alles in allem spiegelt und das Private nun einmal politisch ist: Die Brotschneidemaschine beim Bäcker ist erneut kaputt, nachdem sie das bereits monatelang war und nie jemand verfügbar war, der sie reparieren konnte – der Personalmangel. Jetzt hat sie nach kurzer und finaler Betriebsphase endgültig den Geist aufgegeben. Es wird also ein neues Gerät geben müssen und auf meine Frage, wie lange das mit Bestellung und Lieferung denn dauern könne, gab es resigniertes Achselzucken und die vage Auskunft: „Sehr, sehr lange.“ Es klang wie sieben Jahre oder dergleichen, jedenfalls aber nach vatikanischen Zeitmaßstäben.

Ceterum censeo: Wir lösen keine Probleme mehr, wir sind wirklich recht weit heruntergekommen, was Prozesse, Lösungen und schon gar die Effizienz angeht. Ob nun bei der Digitalisierung, bei Fregatten oder bei Brotschneidemaschinen, einfach bei allem. Kommste heut nicht, kommste morgen. (Diese Wendung schnell einmal nachgelesen, manche führen sie auf einen Satz aus Köln zurück: „Küss de hück nicht, küss de morje.“ Das ist doch wenigstens nett.)

In diesem Zusammenhang ist auch interessant, wie lange mittlerweile Postsendungen aus UK zu uns brauchen. Wir waren vermutlich im 19. Jahrhundert schon einmal nennenswert weiter dabei und ja, es nervt alles und ebenfalls ja, es sind privilegierte Probleme, ich weiß.

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Andrea Diener über Straßenfotografie, gefunden via Kaltmamsell. Fotos mit einer Kamera könnte man auch mal wieder machen, fällt mir dabei ein. Ich neige dazu, so etwas jahrelang zu vergessen.

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Frau Fragmente wird 20, wie ist das nun wieder möglich. Glückwunsch jedenfalls!

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Kurz im Garten gewesen. Drei Stationen sind das nur mit der U-Bahn. Dort ausgestiegen und überrascht gemerkt, dass es da, wo es etwas mehr Park und Hecken gibt, ein paar mehr Rasenflächen auch und mehr Bäume, tatsächlich nach März und Frühjahr riecht, nach Erde, nach Grün und überhaupt deutlich nach Natur, ganz auffällig riecht es dort so. Bei uns im kleinen Bahnhofsviertel ist das nicht so, diesen Effekt schafft der kleine Spielplatz vor der Haustür nicht.

Im Garten blühen die Osterglocken, die Forsythien und die Kornelkirsche, dreifaches Gelb. Und der Rhabarber treibt frisch aus, eine rote Note von unten. Man muss aber noch genau hinsehen, sonst geht man ohne Notiz daran vorbei.

Na, es wird. Das meinen auch die dicken Knospen an Birne, Apfel und Kirsche.

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