Kürzlich erzählte mir eine meiner geschätzten Leserinnen per Mail, daß sie zur Richterin berufen worden ist. Das ist natürlich ein überaus respektabler Beruf, der mit einem gewissen Ansehen verbunden ist. Fatalerweise hat diese Leserin mit mir gemeinsam die Schule besucht, was zwei Folgegedanken nahelegt. Zum einen weiß sie Dinge über mich, besonders frühere Frisuren und modischen Vorlieben betreffend, die sie hier hoffentlich nie in den Kommentaren anmerken wird, zum anderen könnte ich in Versuchung kommen, meine berufliche Lage mit der ihren zu vergleichen. Auf den ersten Blick könnte dieser Vergleich sehr schlecht ausgehen, denn ich arbeite als mittlere Zahlenschubse in den Wirren eines Konzerns und habe keinen wohlklingenden und prestigeträchtigen Titel, wie etwa „Richter“. Fast könnte ich daher ein wenig neidisch auf erfolgreiche ehemalige Mitschüler werden, wenn ich länger darüber nachdenke und mir das von den Jahren flachgehämmerte Zwischenergebnis meiner Karriere besehe.
Aber wirklich nur fast. Denn auch ich bin gerade zum Richter berufen worden! Nicht etwa im schnöden, eher freudlosen juristischen Bereich, nein, im schöneren, bunten, schillernden Bereich der Poesie. Ich habe die Ehre beim Bistro Poetry Contest gemeinsam mit Sascha Lobo in der Jury zu sitzen und die eingesandten Gedichte zu bewerten. Diese Berufung an das lyrische Gericht läuft, wenn ich an die Schulfreundin und Richterin denke, selbstverständlich unter dem Begriff „ausgleichende Gerechtigkeit“ – und dem zwanzigjährigen Abitursjubiläum im nächsten Jahr sehe ich jetzt doch wieder recht gelassen entgegen.
Vielleicht finden sich ja auch im Publikum der Herzdamengeschichten begabte Helden des Reimes? Nur zu, es wird noch um Einsendungen bis zum 19. November gebeten – und ich möchte bei dem Bistro Poetry Special Award 2.0 (für erotische Gedichte, in denen drei Lebensmittel vorkommen), insbesondere meine Leserinnen und Leser aus Österreich bitten, aus ihrem reichhaltigen, wunderschönen und von mir sehr geschätzten Speisevokabular zu schöpfen, es wird sich schon irgendein Schweinkram finden, der sich auf Ribiseln oder Karfiol reimt. Mutig voran!
Und noch ein Hinweis für Dichter mit ernsthaften Gewinnabsichten bei diesem schönen Wettstreit: Ich bin, wie alle gebürtigen Hanseaten, selbstverständlich bestechlich. Wir nennen es Handel.
Mir stellt sich gleich die Frage: sind Sie bestechlich? Mögen Sie alpenländisches Essen?
PFUI!
@Isabo: Aber, aber, man wird ja noch scherzen dürfen.
@Mek: Das ist eine gute Schinken- und Wurstgegend, oder? Interessanter Ansatz.
Ich könnte jetzt nochmal die Stachelbeer-Muffins ins Spiel – allerdings müsste ich dann ja auch dichten und im Moment fühle ich mich so unpoetisch.
Da ziehe ich mich doch lieber in die Zuschauerrolle zurück, esse die Muffins selber und rege eine öffentliche Leseung der Werke an.
Na denn, Ihr wahnsinnigen Richter…
soweit Ihr unbestechlich und in lyrik sangesfähig seid, dann könnt Ihr es ja mal mit “Hauthunger ” probieren. Es kommen keine Lebensmittel drin vor, aber es war mal erotisch gemeint 😉
Glück auf, den schweren Herausforderungen, die Ihr Euch da aufgebürdet habt. LG Andrea
Hauthunger
Immer dann, wenn der Alltag grau ist,
die Nacht dunkelblau und lau ist,
wenn ich atme und spüre,
daß ich mich verliere,
dann ist es soweit, – dann ist „Hauthunger-Zeit“.
Hauthunger ist, das was passiert
wenn man alleine, so unglaublich friert,
Hauthunger ist, der einzige Weg,
den man gehen muß, – damit er vergeht…
Wenn der Hauthunger kommt,
dann suche ich diesen besonderen Blick
von dem einen, den ich liebe, denn er macht mich verrückt,
dann lecke ich Salz von seinen Lenden,
werde Wachs in seinen Händen,
dann brauche ich seine Kraft,
die mich stark , – und wehrlos macht !
Hauthunger ist,
wenn Phantasie aufbegehrt,
Gut und Böse miteinander verkehrt,
Hauthunger ist, wenn man am Morgen noch spürt
nachts haben sich Körper und Seele berührt…
Wenn der Hauthunger kommt,
dann ist es Zeit für geile Spiele,
und die spielen sich leicht, denn wir kennen ja so viele,
dann tanzen tausend Zungen,
hemmungslos und ungezwungen
dann ist alles erlaubt,
was den Verstand – und die Einsamkeit – raubt…
Immer dann, wenn der Alltag grau ist,
die Nacht dunkelblau und lau ist,
wenn ich atme und spüre,
daß ich mich verliere,
dann ist es soweit, – dann ist „Hauthunger – Zeit“.
Hauthunger ist,
wenn die Welt stehen bleibt,
Körper an Körper, sich ordentlich reibt,
Hauthunger ist erlebte Magie,
wen sie verzaubert, … – der vergißt sie nie.
Wenn der Hauthunger kommt,
dann brauche ich deinen Arm,
der mich fliegen läßt, sicher und warm,
küsst du zärtlich meinen Nacken,
darfst du alles mit mir machen,
ich verpfände dir mein Leben,
habe es dir schon – längst gegeben.
Hauthunger ist,
wenn sich Stimmen verbinden
die zu anderer Zeit, ihre Worte nicht finden,
Hauthunger ist, ein Feuer das entsteht,
das so lange lodert, – bis es vergeht …
Wenn der Hauthunger kommt,
dann laß dich sanft verführen,
auf dem Weg zum Himmel, die Hölle berühren,
dann spreitze meine Beine,
ich liebe dich doch , wie sonst keine,
wenn ich flehe, in meiner Not,
dann schenke mir – BITTE – den kleinen Tod.
(Kurzes Intermezzo)
Hauthunger ist,
dieses besondere Begehren,
gegen das können sich nur wenige wehren,
Hauthunger ist
wohl immer prekär,
doch Hauthunger ist niemals – niemals – ordinär !
Aber selbstverständlich sind da drei Lebensmittel drin, das ist natürlich gültig. Großartig, vielen, vielen Dank! Immer wieder schön, sich auf Menschen, bzw. Drachen verlassen zu können 🙂
Aber selbstverständlich sind da drei Lebensmittel drin, keine Frage!
1.Salz
2. Lende
3. Zunge und notfalls noch
4. Nacken(steak)
Und ich glaube, ich kenne diesen Hunger auch in gesungener Form, muss mal nach der CD wühlen.
Ist jedenfalls großartig!
Twelve points for Hauthunger!!
Liebe Grüße!
Oh, in dem Fall werd ich mich vielleicht doch noch zur Teilnahme durchringen. 😉
@Etosha: Ich bitte sehr darum – nur zu!
Also hier einmal mein Beitrag, aber offensichtlich soll der ja beim Bistro Context eingereicht werden.
kleiner Bestechungsversuch: der Richter darf zuerst lesen…
http://steppenhund.twoday.net/stories/2915318
muss ich das jetzt unmittelbar auch noch einreichen?
Ich leite es gerne weiter, vielen Dank! Faszinierendes Werk, ich habe ja geahnt, daß die österreichische Küche sich ganz ungewöhnlich gut dafür eignet.
Ich glaub’ ich mach’ auch mit.
Fein – und dann noch, wie ich sehe, mit fettgedruckten Lebensmitteln im Gedicht! Sehr entgegenkommend, vielen Dank! Kann ich das Werk als eingereicht betrachten?
ok – überredet!
http://eugenefaust.twoday.net/stories/2917975/
Immer gern dabei, hier eins für Liebhaber österreichischer Mehlspeisen.
Ich habe das Folgende schon auf der oben angegebenen Website hinterlassen, was aber vielleicht nicht als Einreichung akzeptiert werden könnte. Die 3 Lebensmittel – meine Grundnahrungsmittel – kommen allerdings erst im Teil 3 vor. Natürlich ginge es auch ohne – was meinen Sie?
NICHT MILCH, NICHT HONIG – SCHOKOLADE!
Eine erotische Phantasie mit einigen Binnen-Reimen
Teil 1 (Der Zungenküsserfall)
Ran an mich trittst du, knöpfst meine Hose auf, ziehst
den Reissverschluss runter. An der Hose ziehst du nicht:
es ist eine meiner hautengen Jeans. Nichts hab ich an
unter dem schwarzen tief ausgeschnittenen Pullover, nichts
ausser dem formenden BH. Die Haut würd ein Unterhemd
reizen. Da nehm ich doch lieber wechselkalte Glieder
in Kauf. Du gehst mit der Kamera in die Knie, siehst,
wie sich der orangefarbene Suchstrahl genau zwischen
meine Beine richtet, du blitzt mich mehrmals an.
Das Ergebnis? Gleich auf dem Monitor: mein Unterleib.
mein Damm, überbelichtet; in der Mitte meine rosenrote
Scham. Du sagst: Das war ja nur ein Versuch. Es ist
dein Geruch, der mich lockt und ködert. Und jetzt
bei Licht. Du kniest dich hin, richtest das Objektiv
in Richtung Hügel und drückst ab. Alles akzeptabel,
der Hügel schief, doch eine beherrschende Erscheinung, viel
höher als in Wirklichkeit. Kein flacher, kleiner, kein
niedriger Hügel, sanft geschwungen. Collina, collinoso.
Monticule, montículo. Buchenhügel, Eichenhügel,
Fichtenhügel, Palmenhügel usw. Hügelkuppe, Hügelgrab.
Als du vom Klo zurückkehrst, bin ich schon unter
der Decke, auf der Insel der Apfelbäume, so völlig nackt!
An dich gekuschelt streichle ich deinen Rücken, zerr
an deinem Unterhemd, Herr der Verweigerung und auch
schönster Begeisterung. Du beginnst, mich zu küssen,
von oben her, wirst den Mund öffnen müssen, wartest zu,
stösst schliesslich mit schwellender Heftigkeit da rein,
willst meine Zunge breitdrücken und mich so fixieren.
Ich halt dagegen muss ventilieren, du hebst den Schopf.
Weisst du überhaupt, was ein Kuss alles raubt? Nicht nur
den Kopf, die Besinnung – die Kraft der Entscheidung!
Die Talkmasterin in einer Talkshow will genau wissen,
ob die Frau den Mund geöffnet hat und ob die Zunge
im Spiel war. Damit nicht genug: ob denn der Mann
mit seiner Zunge eingedrungen ist, und – wenn ja –
wie weit: nur einen Zentimeter, zwei, drei oder ganz
nach hinten. Oder ob gleich gebissen wurde, von ihm,
in ihre Spitze. Und dann die Reaktion der Frau mit
ihrer Zunge. Ob es also zu einem Mit- oder Zusammen-
spiel gekommen ist und – wenn ja -: wieviel Sekunden
oder gar Minuten; oder ob sie, kaum dass sie die Zunge
des Mannes zwischen ihren zusammengepressten Lippen
gespürt hat, unumwunden zu mehr verführt ist oder
zurückweichend zurückgewiesen hat, das glückliche Stück,
das eingedrungen ist. Im betreffenden Fall war die Frage,
ob ein Ehebruch schon damit beginnt, dass die Frau
in dieser Lage – auch wenn sie sonst passiv bleibt –
die Lippen öffnet, also dem Mann, so sie das kann,
Zungenaktivitäten in ihrem Mundraum verbietet. Nicht
einmal ein Zentimeter ist erlaubt, so die Meinung
der Mehrheit, sagst du. Dabei geht es nicht darum,
ob der Zungenküsser – der beste Freund des Klägers –
die treibende Kraft war, voller Saft oder nicht.
Entscheidend ist nur, dass die Frau nicht über die Schnur
haut, also vielleicht in einem Reflex des Erschreckens
den Mund ein klein wenig öffnet und so dem Mann
die Gelegenheit bietet, ein- und damit auch noch weiter
vorzuchecken. Ist das nicht genug Animation? Geht es da
nicht um Koordination von Wünschen, Bewegungen,
gemeinsamen Überlegungen? Über dem Leintuch
sorgfältig ein zusammengeknüllt auf der Kommode
gelegenes grösseres Handtuch quer im Bett ausgebreitet –
ist das nicht schon genug Angebot? Bist du bereit und
weit? Wozu bist du bereit? Bin ich bereit, doch angefüllt,
innen ganz schmerzlich, verstopft, für einen Witz,
eine kosmetische Behandlung, einen Fussmassagenblitz?