Wenn das Kind krank ist und Betreuung braucht, geht ein Elternteil mit ihm zum Kinderarzt. Dort kriegt man, wenn man wegen des Kindes zu Hause bleiben muß, einen Zettel ausgedruckt, den man an die Krankenkasse schicken soll. Und eine Kopie an den Arbeitgeber. Zwei Briefe. Die Krankenkasse schreibt dann einen Brief, zum Beispiel an mich, in dem steht, daß sie einen Brief geschrieben hat. Nämlich an den Arbeitgeber. Vier Briefe. Der Arbeitgeber erhält den Brief von der Krankenkasse und füllt einen beiliegenden Fragebogen aus. Schickt den Brief zurück. Die Krankenkasse schreibt dann wieder einen Brief an mich, daß sie einen Brief vom Arbeitgeber bekommen hat. Dann, Wochen später, überweist sie mir das Geld für die Tage, an denen ich gefehlt habe. Danach schreibt sie mir einen Brief, daß sie mir Geld überwiesen hat. Und dem Arbeitgeber schreibt sie das natürlich auch. Acht Briefe.
Das Kind kann übrigens nach der Genesung nicht einfach wieder in die Kindertagesstätte gehen. Man muß erst noch einmal mit dem Kind zum Arzt, weil es eine Gesundschreibung braucht. Also geht man als gesunder Mensch zur besten Arbeitszeit mit dem mopsfidelen Nachwuchs in die Praxis und läßt sich, man kann es raten, einen Zettel ausdrucken. Und wenn das Kind zur Genesung einen Tag länger braucht als gedacht, braucht man noch einen Zettel, den man dann an die Krankenkasse schickt, die einen Brief schreibt….
Das nächste Schreiben an die Krankenkasse beginne ich am besten mit „Lieber Brieffreund“.
Reizend.
Komm aber nie, nie, nie auf die Idee, z.B. der Krankenkasse eine Email zu schicken. Die antworten dann nämlich per Brief, worüber ich mich schon seit gefühlte Jahrzehnten amüsiere. Man munkelt, sie müssten die Email dort sogar zuerst ausdrucken, bevor sie sie brieflich beantworten dürfen. Unfassbar.
Noch nicht gemerkt? Wir leben in Deutschland!
Liebe Grüße
Sabine
das ist wirklich unglaublich und lustig. noch um einiges schräger als hier in österreich.
bekommt man in deutschland bei jedem krankenstand und pflegeurlaub das entgelt von der krankenkasse? muss das nicht der dienstgeber bezahlen? (das interessiert mich wirklich, ich bin lohnverrechnerin..)
@Isabel: meines Wissens nach ist das inzwischen so, dass die Krankenkassen bei Krankheit, Pflege und so weiter das Entgelt bezahlen.
Jedenfalls hatte sich ein befreundeter Anwalt dahingehend geäußert, dass er diese Änderung sehr begrüßt.
Ich rege mich ja auch regelmäßig über den Bürokratiewahnsinn bei staatlichen, halbstaatlichen und ex-staatlichen (z.B. DHL) Stellen auf. Wenn aber mal versucht, bestimmte Dinge in einigen afrikanischen Länder zu regeln, dann entfaltet die Bürokratie hierzulande aber durchaus einen gewissen Charme…
Das mit dem Gesundschreiben verfolge ich bei @rbw auch mit – da können wir ja froh sein, dass das bei uns im Kinderladen deutlich unbürokratischer läuft.
Das mit den Briefen klingt putzig, ist aber noch relativ rationell organisiert, umgerechnet auf die Anzahl der Beteiligten:
1. Arbeitnehmer mit Kind
2. Arzt
3. Krankenkasse
4. Arbeitgeber
Ich hadere noch, ob die vom Arzt fabrizierten „Zettel“ dazugezählt werden sollen, und komme daher auf 2 bis 2,5 Dokumente pro „Partei“ – das halte ich für vertretbar bei Schriftverkehr, der sich auch mit finanziellen Fragen befasst.
Das Schimpfen auf „deutsche Bürokratie“ mag ich höchst selten teilen – hierzulande ist das Allermeiste lebensnäher und schneller geregelt, als man gemeinhin vermutet. Der Blick über den Teller- oder Alpenrand mag da helfen – man lausche zum Beispiel nur mal Geschichten aus der „ach so“ (Vorsicht, Ironie!) legeren und Stiefelrepublik, da wünscht sich mancher Auswanderer schnell wieder sein altes Ortsamt zurück.
Pro Elternteil/Kind <12 Jahre gibt es max. 10 Tage Freistellung pro Jahr, die je nach Dienstvertrag entweder der AG wie Krankenzeit des AN vergütet oder (das gängige Prozedere) die Lohnersatzleistung „Kinderkrankentagegeld“ wird von der Krankenkasse übernommen (Zeitraum erscheint im Rentenverlauf / Sozialversicherung). Ziemliches Papiergedöns, auch in der Personalstelle.
„Fortgeschrittene“ Eltern melden sich daher einfach selbst krank und ich als Personaler habe bestimmt nichts dagegen.
Bist Du sicher, daß Du Dich da nicht verzählt hast, wirklich nur acht???