Es ist kompliziert, wie man auf Facebook sagen würde. Ich habe in dem Text “Wohnen in bester Lage” vor einiger Zeit schon einmal unsere etwas spezielle Wohnlage beschrieben. Das ist gar nicht lange her, aber die Entwicklung beschleunigt sich eher noch. Unsere Wohnung liegt zwar perfekt, wirklich perfekt, ist auf Dauer aber leider zu klein, wir brauchen dringend ein Zimmer mehr. Und siehe da, Überraschung, im Nachbarblock wird gerade eine Wohnung mit dem entscheidenden Zimmer mehr frei, alles super, alles passend, könnten wir sogar kriegen, die Wohnung da, ist es denn zu fassen! Sie kostet allerdings stolze achthundert Euro mehr als unsere, für eine Handvoll Quadratmeter mehr. Das andere Haus ist neuer als unseres, der Mieteinstiegspreis war daher entsprechend höher. Achthundert Euro mehr sind zu viel, das erreicht dann einen Mietpreis, den man selbst dann nicht zahlen möchte, wenn man es zahlen könnte. Weil es einfach irre ist, so viel Miete zu zahlen. Fast zweitausend Euro. Im gerade ganz neugebauten Nebenhaus auf der anderen Seite unserer Wohnung gibt es Wohnungen, für die Menschen sogar bis zu dreitausend Euro warm zahlen. Im Monat, nicht im Quartal. Dafür haben sie, wenn sie sich auf dem Balkon weit genug vorbeugen, etwas Alsterblick. Über eine vierspurige Straße hinweg, aber egal. Alster ist Alster. Na fein.
Auf dem freien Wohnungsmarkt muss man hier gar nicht suchen, weil es ihn einfach nicht mehr gibt. Anzeigen mit freien Wohnungen erscheinen nicht, es sei denn, es geht um den Verkauf von luxussanierten Objekten oder um die Vermietung von Penthousewohnungen in vollkommen absurder Preislage. Der Stadtteil ist klein, der Stadtteil ist sogar sehr klein, da entsteht natürlich nicht allzu viel neuer Wohnraum pro Jahr. In den wenigen neuen Häusern zahlen Menschen daher tatsächlich mittlerweile Millionenwerte für Eigentumswohnungen, für ganz normale Wohnungen. Nicht für riesige Zimmerfluchten mit Hubschrauberlandeplatz und Bootsanleger, nein, für vier Zimmer mit Balkon direkt neben dem zentralen Grillplatz im einzigen Park des Stadtteils. Auf die Klagen kann man jetzt schon wetten, es hat fast einen gewissen Unterhaltungswert.
Aber trotz allem, das hier ist nun einmal unser Dorf, unser Kiez, unsere Gegend, unser geliebtes kleines Bahnhofsviertel. Hier kennen wir alle Eltern, hier kennen wir die Kinder, hier gehen wir die Straße entlang und grüßen jeden, der nicht Tourist ist (Menschen, die auf Stadtpläne starren). Wir kennen die Wirte der Restaurants, die Lehrer der Schule, die Kindergärtner, den Polizisten, die Pastoren, die Zeitungsverkäufer, den Dönermann, die Behördenmitarbeiter und so weiter. Kennen jede Straße, jede Ecke, jeden Nachteil, jeden Vorteil. Das ist hier ein steinreicher Schickeriastadtteil, ein bitterarmer Migrantenstadtteil, ein bunter Schwulenstadtteil, ein harter Prostitutionsstadtteil, ein übler Drogenstadtteil, ein mondäner Touristenstadtteil, aber das ist alles egal, weil es hauptsächlich unser Stadtteil ist. Heimat eben. Ich sehe hier aus dem Fenster und denke meins, alles meins.
Sankt Georg hat sehr klare Grenzen, viel klarer als sie andere Stadtteile haben. Das liegt an der Alster, am Bahnhof und an einigen Bombenschneisen, die nach dem Krieg zu freud- und gesichtslosen Ausfallstraßen geworden sind, über die geht man nicht rüber. Die Grenzen liegen dicht beieinander, man ist in ganz kurzer Zeit einmal komplett um den Stadtteil herumgegangen. Hier geht nichts in andere Viertel über, hier franst nichts aus, hier weiß jeder, wo Schluß ist, das ist einmalig in Hamburg. Und das trägt dazu bei, dass es hier sehr, sehr kuschelig ist. Trotz allem.
Wir sind jetzt an einer Baugemeinschaft beteiligt. Ohne selbst etwas bauen zu müssen, versteht sich, ich bin ja nicht irre. Wir ziehen da nur als Genossen ein, das ist alles ganz harmlos, also organisatorisch gesehen, ich kann da nichts kaputtmachen, das Bauen machen die anderen. Das ist ein ziemlich exotischer Glücksfall, bei so etwas dabei sein zu können, das gibt es nicht gerade oft in Hamburg. Die Miete in der neuen Wohnung ist deutlich günstiger als hier, dafür wird die neue Wohnung allerdings auch nicht größer als die jetzige sein. Aber sie wird innen frei aufteilbar sein, da geht natürlich viel mehr als jetzt, das kann man sich ja alles zurechtdenken und biegen, offene Küche und so weiter. Das neue Haus liegt an einem schönen Kanal, Hausboote vor der Tür, Bienen auf dem Dach, Freunde nebenan, Schule um die Ecke. So weit, so fein. Das neue Haus liegt allerdings auch in einer Gegend, von der auf Anhieb niemand sagen kann, ob das da Barmbek ist, Eilbek, Hohenfelde oder vielleicht doch Uhlenhorst. In einer Gegend, die man, egal wie man es dreht, nicht gerade als schön bezeichnen kann, so rosa kann gar keine Brille sein, dass die Bausünden der 50er oder 60er dort als lieblich erscheinen könnten. Schön ist da tatsächlich nur der Kanal. Ringsum kein Café, keine Kneipe, kein irgendwas. Das neue Haus liegt also in einer Gegend, in der wir eigentlich nicht wohnen wollen, man versteht vielleicht das Problem. Jammern auf hohem Niveau, das gebe ich gerne zu. Aber warum sollten man sein Niveau denn freiwillig absenken, das macht man doch sonst auch nicht? Mir macht Gegend etwas aus, mir macht Gegend sogar sehr viel aus. Verblüffend vielen Menschen ist Gegend anscheinend egal, ich finde sie elementar wichtig. Vielleicht weil ich aus einer sehr schönen Stadt komme oder jahrelang am für mich exakt richtigen Punkt auf dem Hamburger Stadtplan gewohnt habe, ich weiß es nicht. Falsche Gegenden machen mich fertig und es würde mich wirklich erhebliche Mühen kosten, mir das da schön zu denken. Natürlich würde ich es irgendwann schaffen, mir das schön zu denken, aber es wäre doch eine sportliche Aufgabe und mein Verhältnis zum Sport ist ja als eher schwierig einzustufen.
Das neue Haus ist erst in zwei Jahren fertig. In einem Jahr müssen wir entscheiden, ob wir da wirklich einziehen oder nicht, es entstehen dann neue und endgültige Verbindlichkeiten durch die Einschulung von Sohn I und so weiter. Bis dahin muss die Lage klar sein.
Mit anderen Worten: Wohnung in Sankt Georg dringend gesucht. Vier Zimmer, preislich nicht im Luxusbereich. Wir sind für jeden Hinweis sehr, sehr dankbar.
Ansonsten gibt es hier bald lustigen Baugemeinschaftscontent. Wenn das keine Drohung ist.
Oh Gott, bin ich froh, daß wir vor 5 Jahren hier in Berlin was gekauft haben bevor die Preise alle explodiert sind und für Zins & Tilgung weniger oder das gleiche zahlen, was andere für die Monatsmiete aufwenden. Manchmal sind Schwaben-Gene doch für was gut, auch in Berlin. Ich möchte nicht tauschen mit Euch, beobachte ich doch die Hamburger Wohnungsmarktentwicklung aus der Distanz mit sehr viel Argwohn.
Ich besitze ja immer noch diesen utopischen Glauben, dass alles besser wird, sobald es mich mal nach Hamburg zieht. Was womöglich bereits am Ende des Jahres ist.
Zehn Monate hat die Hansestadt also noch Zeit, die Mieten wieder an die Allgemeinheit anzupassen! 😉
«Die Grenzen liegen dicht beieinander, man ist in ganz kurzer Zeit einmal komplett um den Stadtteil herumgegangen. Hier geht nichts in andere Viertel über, hier franst nichts aus, hier weiß jeder, wo Schluß ist, das ist einmalig in Hamburg.»
Nee, das stimmt nicht. Gucken Sie sich mal das Karo an: Da franst zwischen Messe, Gleisen und Schlachthöfen auch zur Feldstraße hin nix aus. Wohin auch? Die Preise entwickeln sich aber sehr ähnlich.
Ihr Faible für „Gegend“ kann ich aber absolut nachvollziehen. Wo immer ich bisher gewohnt habe (oder hätte wohnen können), war ich stets schon mal vorher da und habe mir „Gegend“ angeschaut, die Nebenstraßen, die Menschen, die Geschäfte, die Details: Gesichter, Gesten, Farben, u.s.w. Meist wusste ich intuitiv, ob ich dort würde wohnen können oder nicht. Dieses Bauchgefühl hat mich selten getäuscht.
Ich würde Ihnen gerne sagen, dass es solche Orte wirklich auch außerhalb St. Georgs gibt, mit Nachbarschaft, zu Hause und all dem. Also nicht bei mir in der Nähe, am Ende zögen Sie dahin und ich müsste mir bei jedem Schlange-Stehen beim Einkauf auf dem Markt das Genöle anhören, dass das hier nicht St. Georg sei — nee, nee.
Aber vertrauen Sie Ihrem Bauchgefühl (und dem Urteil der Herzdame, im Zweifel in umgekehrter Reihenfolge). Das ist viel wichtiger.
Viel Glück.
Kaum gefunden, lese ich gerne hier weiter. Und dann gehts um einen Stadtteil in Hamburg, den ich gerade vor Weihnachten kennengelernt habe bei meinem ersten Hamburgaufenthalt ( ja, unverständlich, über sechzig & noch nie in HH gewesen…).
Das ist ja alles spannend: Kiez ( was bei uns Veedel heißt), Mietpreisentwicklung, Baugemeinschaft… Bei vollem Verständnis meinerseits für die vertrackte Situation, konnten wir doch vor fast 27 Jahren all diese Probleme auf einmal lösen und ein völlig heruntergekommenes Haus bei uns „um die Ecke“ kaufen & sanieren und alles, alles drum herum blieb wie es war. Wie das heute hier aussieht mit Miet- und Kaufpreisen will ich gar nicht wissen… Ich wünsche aber von Herzen, dass es für Ihre Familie eine Lösung gibt.
Mit lieben Grüßen aus K-Nippes
Astrid
Ich verweigere mich jetzt jeglicher Logik und Wohnungsmarktrealität und sage mit voller Überzeugung :
Viel Glück bei der Suche.
Gleichfalls!
Ich verstehe Euch sooo gut! Seit nunmehr sieben Jahre saufe ich mir dieses Winterhude schön, obwohl man das gar nicht müßte. Aber zuhause ist das hier nicht und wird es auch nie, und so habe ich immer ein Auge auf das Immobilienangebot der Elbvororte geworfen. Haha. Ha. Hahahaha! Ich will wieder nach Hause, und was bei E.T. funktioniert hat, kann ja wohl bei K.T. nicht so schwierig sein, verdammte Axt! Eines Tages … – egal. Will sagen: Viel Glück, ich halte die Ohren offen für Euch!
Danke!
Viel Erfolg. Bei uns hieß es auch, dass es das keinesfalls gibt, was wir suchten und es ging am Ende doch – und das wünsche ich euch auch.
Tja, was soll ich sagen?
Viel, viel Glück wünsche ich! Das braucht man auch. Hmpf.
Gegend ist wichtiger als Platz in der Wohnung, finde ich.
Mann könnte doch ein Zimmer z.B. mit japanischen Papierwänden teilen. Irgendwann ziehen die Kinder doch sowieso aus und dann hat man plötzlich wieder mehr Platz als einem lieb ist.
Der MC Winkel hat dazu heute übrigens über die Wohnverhältnisse Hong Kong gebloggt. Nichts für Klaustrophobiker: http://www.whudat.de/cramped-hong-kong-apartments-shot-from-above-5-pictures/
Die fünf Phasen der Wohnungssuche, hier Phase 3, Verhandeln. Die folgende Phase wird hart, ist aber mit passender Therapie gut zu überstehen.
(Übrigens nicht nur mein Eindruck: Bei pragmatischem Vorgehen ist der Hamburger Wohnungsmarkt so schlimm nicht, es finden eine Menge Leute immer noch akzeptable Wohnungen zu akzeptablen Preisen. Wer sich mit dem Hamburger In-Pöbel auf deren Balzplätzen anlegen will, darf beim Zahlen halt nicht zimperlich sein. Wunder sind möglich, natürlich.)
Man wünscht sich ja oft „Hals- und Beinbruch“ bei solch komplizierten Unternehmungen. Wahrscheinlich, weil man dann auch ins St. Georg könnte. Die haben da ganz hübsche Zimmer und lange Flure, direkt am Park. Ich drücke aber die Daumen, daß es eine auch finanziell gesündere Lösung gibt!
Als ganz spontane Anregung: schon mal über Wohnungstausch nachgedacht? Wenn es ein so überschaubarer Stadtteil mit so vielen persönlichen Bekanntschaften ist, dann könnte das zumindest einen Versuch wert sein.
Vielleicht gibt es Familien, bei denen gerade die Kinder ausgezogen sind und die sich auch verkleinern würden – so lange sie günstig(er) im eigenen Stadtteil leben bleiben dürfen. 😉
Aushänge in Geschäften, Mundpropaganda, … – viel Erfolg!
Liebe Buddenbohms, möge euch das selbe Massel treffen wie meine Familie und mich: Nach zermürbender und demotivierender mehrmonatiger Suche sind wir praktisch über Nacht plötzlich vor unserer (leistbaren) Traumimmobilie gestanden. Wir wohnen seit Oktober in selbiger und haben unseren schnellen Entschluss noch keine Minute bereut.
Alles Gute !!!
Ich verstehe den persönlichen Wunsch, aber im Ernst, auch Geschichten von dir über Baugemeinschaften können amüsant sein!
Ich suche gerade Eigentumswohnungen in Berlin, was sich wirklich sichtlich schwierig gestaltet… Es wird uns online leichter gemacht selber zu bauen, als zu kaufen, was ich wirklich absurd finde..