Socken

Ich sitze zu viel, also denke ich über Freizeitsport nach. So sehr denke ich darüber nach, dass ich neulich sogar gelaufen bin, wie all die anderen auch. Ich habe gemerkt, dass ich Laufen hasse. Es fühlt sich nicht gut an, man schwitzt unmenschlich und kein Mensch sieht dabei gut aus. Laufen ist schrecklich. Mir unbegreiflich, wie so etwas Volkssport werden konnte. Aber Gehen, das sieht doch ganz gut aus! Also, dachte ich, mach ich doch mal Wanderungen. Klingt etwas spießig, aber man bewahrt in der sportlichen Bewegung noch einen Rest von Würde, hoffe ich. Wandern ist allerdings etwas für Ausrüstungsfreaks, man kann nicht einfach losgehen, nein! Man braucht spezielle Schuhe, spezielle Socken, spezielle Unterwäsche, spezielle Karten, spezielle Gepäckstücke. Man geht ja auch auf speziellen Wegen, logisch. Ich habe also in einem Fachgeschäft spezielle Wanderschuhe gekauft. Dem Mann, der mich beraten wollte, habe ich gesagt, dass ich gerne die günstigsten Schuhe hätte. Ich spüre seine Verachtung noch heute. So etwas sagt man in Fachgeschäften nicht.

Dann las ich mir durch, was auf den Packungen der speziellen Wandersocken stand. Diese Socken haben nämlich keinen leichten Job, die müssen etwas leisten. Die haben z.B. ein eingebautes Feuchtigkeitsmanagement, stand da. Das fand aber keiner lustig, außer mir. Ich las weiter. Diese Socken können Zehen schützen, Fersen polstern, Sohlen schonen, Bündchen anpassen, Gefahrenzonen von Druck entlasten, das Klima regeln, die Gelenke schonen, Raum ausgleichen, Hitze regulieren, extrem viel aushalten, lange durchhalten, atmungsaktiv sein, die Luft zirkulieren lassen, Druckspitzen reduzieren, Tragekomfort schaffen, Stress mindern, sich auch für andere Sportarten anbieten – ich war wirklich entsetzt.

Ich hatte bis zum Besuch dieses Fachgeschäfts keine Ahnung, aber es gibt Socken, die sind beruflich vielseitiger und belastbarer als ich.

 

(Dieser Text erschien als Wochenendkolumne in den Lübecker Nachrichten und in der Ostsee-Zeitung)

5 Kommentare

  1. Wandern – „etwas spießig“? Schon vor bald 10 Jahren wurden Sie hierzulande von den Massen über den Haufen gelaufen, wenn Sie auf dem Jakobsweg nicht schnell genug waren. 🙁

    Trauen Sie übrigens nie norwegischen Zeitangaben (sollte es Sie irgendwann einmal dorthin verschlagen), denn die gelten nur für Eingeborene: Aus einer leichten Wanderung von 3-4 Stunden werden in fraglos reizvoller Landschaft für den Deutschen Flachländer gerne mal 8 Stunden und mehr daraus. Was ja eine nette Geste ist: Man bekommt von den Norwegern mehr Zeit für den Genuss der gleichen Strecke zur Verfügung gestellt, man ist ja schließlich im Urlaub. 😉

    Ich bin aber gespannt, sollten Sie und Ihre neuen Kompagnons, die Socken, schöne Wanderwege in und um Hamburg herum finden. Blättert man in Wanderführern, scheint es solche (also schöne Wanderwege, nicht Socken) ja fast ausschließlich in den Bergen zu geben. Und die, die ich bei Komoot gefunden habe, fand ich auf den ersten (zugegeben flüchtigen) Blick nur bedingt überzeugend.

  2. Das mit den norwegischen Zeitangaben kann ich nur bestätigen. Als wir damals zum Preikestolen hoch sind, haben wir auch deutlich länger gebraucht… noch während wir hin marschierten, kamen uns die Norweger, die uns vorher irgendwann überholten, schon wieder entgegen…

  3. Sie haben Recht: Es kommt bei Ihren Ambitionen nicht ansatzweise so auf die Socken an, wie die Verkäufer und die Wanderfanatiker dieser Welt glauben machen wollen.

    Feuchtigkeit transportiert vor allem der Schuh nach außen, der Socken spielt da kaum eine Rolle. Fast alle sonstigen Themen incl. Temperatur, schwacher Stütze, Tragekomfort etc. hängen ebenfalls vom Schuh ab, der ist also wirklich wichtig (Schnürung ist noch einmal ein eigenes Thema, damit sollten sie anfangs regelmäßig experimentieren, wirklich).
    Druckstellen kommen von Nähten im Schuh und im Socken – bei den Socken hätten Sie mit Nähten also auch in normalen Schuhen Probleme. Kaufen Sie also stets ganz normale Baumwollsocken mit möglichst flachen Nähten, und das ist dann für den Alltag und für das Wandern völlig OK.

    Ich trage beim Wandern meine ganz normalen schwarzen „Bürosocken“, das funktioniert prima. All die speziellen Wandersocken, die ich im Laufe der Jahre getestet habe, sind wegen erwiesener Nutzlosigkeit wieder aussortiert worden. (Manche waren sogar richtig schlimm am Fuß, das möchte man kaum für 20 Kilometer ertragen.)

  4. Jung-dynamischen Frauen mit entsprechender Figur schaue ich durchaus gerne beim Laufen zu. Bei mittelalten Männern (ich bitte um Verzeihung) kann ich die ästhetischen Bedenken aber nachvollziehen.
    Und jetzt muss ich erstmal meinen Psychoanalytiker fragen gehen, was es bedeutet, wenn ich (von/r mir weg) laufende Frauen attraktiv finde.

  5. Ich finde es herrlich, im Zeitalter der Flauschesocken zu leben. Kommt kurz hinter funktionierender Betäubung beim Zahnarzt. Bleibt mir weg mit „früher gings doch auch“, manche Dinge werden einfach besser.

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