Kathrin Passig schreibt in etwas wüsten Verallgemeinerungen und doch vermutlich richtiger Tendenz über die Zukunft des Buchhandels (sorry, Link kaputt), erwähnt wird dabei auch ihre abgeschaffte Bücherwand. Ich habe meine eigenen Bücher nicht abgeschafft, aber doch reduziert. Reduce to the max hieß das einmal in der Werbung. Als ich neulich angefangen habe, alles wieder zu sortieren, wuchs nebenbei der Stapel der Bücher, die diesen Haushalt in Kürze verlassen werden. Das mache ich regelmässig, der Raum für Bücher ist begrenzt, so groß ist die Wohnung wirklich nicht. Ich behalte kategorisch nur drei Sorten von Büchern, das ist eine überschaubare Regel.
Ich behalte zum einen alle Bücher, die ich eventuell oder mit Sicherheit wieder lesen möchte, weil es sich lohnen könnte. Oder weil sich das wiederholte Lesen schon einmal gelohnt hat. Man ist mit Hamlet eben auch beim dritten Mal nicht fertig. Das sind Klassiker, das sind Bücher, die vielleicht nicht alle, aber doch zumindest ich sehr, sehr gut finde. Oder einmal finden könnte, manchmal ahnt man so etwas. Nicht auszuschließen, dass ich Jean Paul irgendwann kapiere. Was ein Klassiker ist, das bestimme dabei natürlich ich. Weswegen jemand wie Simenon hier in höchster Stückzahl vertreten ist, weswegen jemand wie Hans-Ulrich Treichel selbstverständlich bleiben darf. Ich bin überzeugter Anhänger der Büchergilde Gutenberg, ich habe viele meiner Lieblingsbücher in schönen oder sehr schönen Ausgaben, die gebe ich nicht weg. Die stellen vielleicht sogar einmal nettes Erbe dar, man weiß es nicht. Nicht bezogen auf den Wert, das dann sicher doch nicht, aber bezogen auf den Inhalt. Das sind die Bücher, die an der Wand neben meinem Schreibtisch stehen, und die sind mir da auch deutlich lieber als nackte Raufaser oder Kunstdrucke von Karstadt. Ich gucke beim Tippen ganz gern auf die Romane von Fontane, das motiviert. Natürlich hat mein Schreiben rein gar nichts mit Fontane zu tun, aber es ist doch schön, beim Schreiben auf die Werke von Menschen zu sehen, die ernsthaft und erfolgreich geschrieben haben. Das gilt selbstverständlich auch für Ringelnatz oder Heinz Erhardt, das hat nichts mit dem inhaltlichen Ernst der Bücher zu tun.
Außerdem behalte ich die Bücher von Menschen, die ich kenne. Was Freunde und Bekannte geschrieben haben, das gibt man nicht weg, finde ich. Frau Ziefle, Frau Seddig, Frau Bogdan, Frau Beck, Herr Paul und so weiter, das ist die Fortsetzung des Freundeskreises im Bücherregal, das ist natürlich besonders schön. Und was ich selbst geschrieben habe, das steht da auch weiterhin, so viel Eitelkeit darf wohl sein? Und weil das in meinem Fall nur vier Bücher sind, sieht es immer ein wenig so aus, als könnten es noch mehr werden, das gefällt mir, so als Gedankenspiel. Man kommt zwar zu nix, aber nachdenken kann man ja. Und weil direkt darüber aber die ganze Strecke Simenon steht, werde ich permanent daran erinnert, dass ich bisher quasi gar nichts geschrieben habe, das finde ich gut, auch das motiviert. Manchmal. Und bescheiden macht es auch. Immer vor Augen haben, wie wenig man kann, in Qualität und Quantität. Und dann dennoch immer strebend sich bemühen, mehr geht eh nicht.
Schließlich behalte ich Bücher mit besonderem Nutzen, also etwa Kochbücher, Wanderführer, Singvogelbestimmbücher und Portugiesisch-für-den-Urlaub-Varianten. Tatsächlich haben natürlich nur die Kochbücher einen wirklichen Nutzen, aber die anderen könnten immerhin theoretisch auch einmal einen haben. Das denke ich etwa bei dem Singvogelbestimmbuch schon seit zwanzig Jahren, aber egal. Irgendwann sitzt dann doch noch irgendein seltsamer Piepmatz auf dem Balkon, mit ganz besonderem Federkleid – und dann! Dann werde ich höchst souverän den alten, gründlich eingestaubten Singvogelbestimmer aus dem Regal ziehen und nachschlagen können. Ein sehr beruhigendes Gefühl. Eine Singvogel-App könnte das natürlich auch oder sogar besser, aber die müsste ich dann erst runterladen, das scheint mir etwas umständlich, bis dahin ist der Vogel doch wieder weg..
Alle anderen Bücher verkaufe ich wieder. Zeitgenössische Autoren, deren Bücher ich bestenfalls nur so mittel finde – weg. Klassiker, die mir auch im zehnten Anlauf ein Rätsel bleiben und einfach nicht sympathisch werden, also etwa Stifter – weg. Moderne Schriftsteller, auf die ich auch nach Jahren noch nur mit “hä?” reagiere, also etwa Thomas Bernhard – weg. Vielleicht bin ich zu dumm für sie, vielleicht passen sie einfach nicht zu mir, vielleicht fehlt mir etwas Bildungshintergrund, egal. Die müssen da nicht im Regal stehen und strafend gucken, weil ich sie nicht zu würdigen weiß, das nervt auf Dauer. Und Sachbücher, die mit einiger Sicherheit niemals wieder aufgeschlagen werden, weil das Thema nun einmal durch ist – weg. “Das Wesen des Zen” – ja nun. Lange her.
Wenn man Bücher auf diese Art regelmässig durchsiebt, dann bleiben nur die übrig, zu denen man eine geradezu kuschelige Beziehung hat. Das sind dann vielleicht gar nicht so viele. Aber selbst wenn ich auch diese Autoren irgendwann fast nur noch als e-Books lesen werde, da das fraglos viele Vorteile hat, selbst dann möchte ich genau diese Auswahl bitte dennoch als etwas besondere und leider auch raumgreifende Tapete neben meinem Schreibtisch stehen haben.
Womit ich ganz und gar nicht sagen möchte, dass die gedruckten Bände besser sind als E-Books. E-Books sind toll und das Abendland wird mit ihnen nicht untergehen. Man wird noch neue Erzählformen finden, die für das Medium optimiert sind. Ich glaube, es wird bald wieder mehr mit Sound, Bewegtbild und Effekt erzählt werden. Im Grunde ist das dann wie damals am Lagerfeuer, man kommt mit den modernsten Methoden wieder zum Anfang des Erzählens zurück, warum auch nicht. Erzählung, Comic, Film, Bild, Ton und Slideshow werden irgendwie zusammenfinden und das wird sicher großartig. Womöglich wird es normal, die Stimme der Erzählerin zuschalten zu können, womöglich wird man sich daran gewöhnen, tatsächlich zu sehen, wo ein Buch spielt, warum denn nicht. Womöglich werden sich die Buchstaben beim Lesen plötzlich auf kunstvolle Art verselbständigen und zu Illustrationen werden. Na, und so weiter. Autorinnen werden sich Gedanken machen, mit welchem Effekt man am schönsten von Seite zu Seite blättert, wie in Präsentationen. Das E-Book als Trickkiste steht erst am Anfang, es kommt noch ganz nackt daher und bietet oft nicht einmal das Coverfoto, mit dem noch die albernsten Taschenbücher glänzen können. Das wird so nicht bleiben, glaube ich, das wird eine spannende Entwicklung nehmen. Es wäre ja auch komisch, wenn das nicht so wäre. Es war immer so.
Ich finde ein Buch keineswegs besser, wenn ich es beim Lesen auch riechen kann, ich kann diese Argumente der Printfetischisten nie richtig nachvollziehen. Ich schnuppere beim Lesen nicht regelmässig an den Seiten, ich streichele auch nicht dauernd den Einband und denke lustbebend: “Woah, Leinen”. So scheint es ja etlichen Anhängern der Druckerzeugnisse zu gehen. Nein, ich habe keine ausgeprägt romantische Beziehung zu meinen Büchern. Die wirklichen Vorteile von Papierbüchern werden eher selten erwähnt, etwa hier. Sehr vieles spricht für E-Books, selbstverständlich werden sie sich langfristig durchsetzen und die Papierausgaben werden immer seltener werden, auch wenn sie sicher nicht ganz verschwinden werden. Damit habe ich kein Problem. Aber ich finde es doch gut und richtig, dass ich aus einer anderen Zeit komme und diese gedruckten Bücher hier neben mir meine altmodische Leseerfahrung so schick dokumentieren.
Und ich gucke mir dann irgendwann gespannt an, was die Söhne in den eigenen Wohnungen so an den Wänden haben werden.
Daa klingt toll – an dem Plan, den BücherBestand zu reduzieren bin ich schon mehrfach gescheitert. Vor allem ,weil eine gute Antwort fehlte auf die Frage , wohin nur mit den aussortierten?
Wegschmeißen kommt nicht in Frage . Verkaufen muss nicht sein, und ist im Zweifel zu mühsam . Gerne verschenken – nur an wen?
Der Problematik von Nina schließe ich mich an.
Auch ich sortiere in unregelmäßigen Abständen Bücher aus, wenn sich meine Beziehung zu ihnen abgekühlt hat, doch ich habe große Probleme mit dem „Loswerden“.
Verkaufen ist mir nicht nur zu mühsam, es macht mich auch wahnsinnig traurig zu sehen, dass ein Buch, nur weil ich es gelesen und eine Weile im Regal behalten habe, fast nichts mehr wert ist (in Euro) – vor allem, wenn es eines von denen ist, die ich irgendwann mal stolz und erwartungsvoll gekauft und nach Hause getragen habe.
Tauschen ist da ein guter Weg – mit Bekannten und Freunden, aber auch online: Buch gegen Buch, Buch gegen Schokolade, Buch gegen Spielzeug/Kinderbücher… Damit werden beide Seiten froh.
Also ich kann zum Wohin-nach-dem-Aussortieren nur BookCrossing (der etwas andere Büchertausch) empfehlen. Wen’s interessiert: https://mamafraumensch.wordpress.com/2013/12/20/introducing-bookcrossing/
Hört sich nach einem guten Plan an, allerdings würde diese Regel bei mir an Punkt 1 scheitern: Ich kann einfach nicht ausschließen, dass ich ein Buch nochmal lesen möchte. Manchmal kommt mir diese eine Stelle wieder in den Kopf, die ich vor 10 Jahren gelesen habe. Nach ein paar Tagen grübeln kommen auch Erinnerungsfetzen an das Buch und irgendwann stehe ich vorm Büchreregal und schaue es solange durch, bis ich das Buch gefunden habe.
So ganz schlecht war das bisher auch noch nicht: Bea’s Lieblingsbuch stammt noch von mir, auch wenn wir es (weil sie auf Grund ihrer Besonderheiten nicht ganz so pfleglich mit Büchern umgeht) mittlerweile zum zweiten Mal neu gekauft haben und ich hoffe, dass Zoe nächstes oder übernächstes Jahr, wenn sie selbst lesen kann, auf die Reise geht um Papas alten Bücherschrank zu entdecken.
Bei der Entwicklung der Ebooks in der Zukunft liegst Du wahrscheinlich richtig, auch wenn ich sie nicht begrüße. Schreiben ist eine ganz eigene Kunst und Lesen hat viel mit eigener Fantasie zu tun (weshalb fast jeder Film zum Buch auch enttäuscht – weil jeder Leser seine eigene Fantasie hatte). Ich fände es schade, wenn das durch zu viele Bilder, Animationen und Videos zugrunde gerichtet wird. Dann geht das Abendland vielleicht doch noch unter: Wenn unsere Köpfe nichts mehr zu tun haben, als fertig Vorgekautes aufzunehmen.
«Eine Singvogel-App könnte das natürlich auch oder sogar besser»
Nachdem die papiernen Vorgänger trennungsbedingt umgezogen worden waren, hatte ich mich für diese Variante entschieden. Vermutlich wird auch die e-Variante 20 Jahre im (iPhone-)Regal verweilen, aber: Ich habe sie immer dabei. Ein gutes Gefühl, denn man weiß ja nie. 😉
Was den Verbleib aussortierter Bücher angeht, habe ich zwar nie BookCrossing benutzt, Bücher, etc. bei gutem Wetter aber immer an Ecken meines Viertels abgelegt, an denen sie gefunden und mitgenommen werden konnten. Auf dem Rückweg vom Einkauf oder so hatten die i.d.R. längst einen neuen Besitzer gefunden. 🙂
ja.
versuche ich auch immer wieder, in letzter Konsequenz aber nicht. Es reicht wenigstens für 1x pro Jahr Bücherflohmarktsitzen. Kommen 100€ dabei rum und man führt nette Gespräche.
BookCrossing ist für mich zwiespältig, da ich da immer nur Bücher freilassen will, die ich selbst gut finde. Aber die habe ich ja grade nicht aussortiert.
Wenn ich mich hier so umschaue… wird mal wieder Zeit zum Aussortieren.
Hier in Köln gibt es netterweise auf einigen Plätzen oder bei IKEA Buchschränke. Ansonsten lege ich die Bücher Sonntags auf die Fensterbank des Geschäfts unten im Haus. Nach ein paar Stunden hat noch jedes Buch einen neuen Besitzer gefunden.
Hier hat sich auch bewährt Bücher in den Hausflur zu stellen, mit nem Schild dran:“ Zu verschenken, stubenrein!“. 😉
Ich habe eine Bücherflatrate bei der „Gemeinnützige Stiftung Hamburger Öffentliche Bücherhallen“. Kostet nicht viel und frisst keinen Platz in der Wohnung.
Für das Ambienteproblem: Bald wird es bestimmt „SpreadBook“ geben, denke ich. Dann kann man den Inhalt seines Readers auf wiederablösbare Vlies-Tapete inkjetten lassen. Melde ich gleich mal an, das Business.
Für das Bücherloswerdeproblem: leider keine Lösung. Ich habs nicht so mit Möbeln, daher brauche ich immer genügend Bücherstapel, auf die ich meine Regalbretter legen kann. Das Literaturlexikon in der Subskriptionsausgabe von 1997 glaube ich, tut da allerbeste Dienste.
Und nochwas: den Eheroman von dieser Frau Seddig, den sollten sich alle kaufen. So.
Seit mehr als zehn Jahren setze ich auf Bookcrossing, auch wenn ich das gleiche Problem habe wie Herr oder Frau Kinderdok: Es sind die weniger Guten, die man weitergibt, wofür man sich was schämen sollte. Man fühlt sich wie ein Gebrauchtwagenhändler oder Immobilienmakler. Eine unangenehme Vorstellung.
Stifter raus? Bei Jean-Paul bin ich bei Dir, ich warte auch immer noch darauf, dass ich den mal verstehe.
Aber Stifter mag ich sehr, gerade den Nachsommer. Diese liebevoll heitere Verschwurbeltheit beruhigt meine Seele.
In Hamburg speziell lassen sich Bücher gut dem Antiquariat unterm Rathausmarkt weitergeben: Oder allgemein an Stellen wie Oxfam – dann haben noch andere etwas vom (geringen) Wiederverkaufspreis. Oder auch eine Weitergabe an Gefängnisbüchereien, wenn’s denn vom Thema her halbwegs passt. Zugegeben, Lyrikbände haben es an den meisten Stellen schwerer… aber vor dem Modell ‚Papiertonne‘ gibt es immerhin noch ein paar Abzweige.
Bernhard bitte alle zu mir. Frau Passig ist mir zu bilderstürmerisch, mir mißfiel schon ihr Auslangen neulich gegen das Prinzip Bibliothek. Bücher, die unbedingt rausmüssen, gebe ich meist zum Bücherbasar der Gemeinde. Manchmal zu Booklooker.
Zuerst werden doch die Kinder sich ansehen, was die Eltern so im Bücherregal stehen haben, wenn sie einmal die eigene (Jugend)bücher dreimal durch haben. Kommen dann vielleicht auch auf Bücher die (noch) nicht unbedingt ihrem Alter entsprechen und gelangweilt wieder zurück gelegt werden, aber wahrscheinlich sind da doch einige Werke zwischen, die durchgelesen werden.
Wenn jetzt aber alle Bücher auf eBook sind, dann geht das stöbern in Papas Regal nicht mehr so einfach, denn die Bücher die man vorher ganz ganz oben stehen hatte, sind dann auch wieder ganz einfach zu finden. Also wird vorgefiltert und ausgesucht. Ob man da unseren Kindern ein Gefallen mit tut?
Ich bin deshalb zwiespaltig was eBooks angeht, selber finde ich das sehr praktisch, aber ich möchte nicht meinen Kindern das stöbern im Regal nehmen (und genau wissen, was dort zu finden ist) und nicht nur meine Leseliste auf ihrem Device laden.
Nur mal kurz zu Ihrem Fontane-Vergleich, Herr Buddenbohm.
Ich mag Fontane sehr gerne, weil er einen ganz eigenen Erzählton hat (dabei fällt mir ein, dass ich demnächst mal der Tochter den Herrn Ribbeck vorstellen muss), der mir ausgesprochen gut gefällt.
Und ob Sie es jetzt glauben oder nicht, deswegen komme ich auch immer wieder zu Ihnen zurück, Herr Buddenbohm…
@Wibke: Herzlichen Dank.
Hier in der Provinz haben wir den Vorteil, dass die Mietpreise für die Wände nicht hoch sind. So können alle Bücher bei uns bleiben, und sei es auch nur als Dämmmaterial (Außenwand Nord). Auch wenn es immer mal wieder Diskussionen mit dem Liebsten darüber gibt, ob man rororo Anders Reisen London von 1985 aufheben muss, endet das meist mit „na meinetwegen“. Beim letzen Umzug hatten wir 170 Umzugskartons, das meiste waren Bücher, Schallplatten und CDs. Es werden (nicht von mir…) zudem noch mindestens zehn verschiedene Zeitschriften gesammt.
Simenon: Ja. Nein, sogar: JA. Zwar erst eins gelesen [Das Fenster der Rouets], aber begeistert und wild entschlossen.
Aussortieren: Ja. Ich habe neulich einen Tausch-Nachmittag mit Freundinnen gemacht, ansonsten kommt’s ins Kino-Regal umme Ecke.
eBooks: Auch ja. Insbesondere die drei letzten Sätze im zweitletzten Absatz.