Fünf Stunden Grau

Heuchler auf Reisen

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Im Garten waren Himbeeren reif, die Herzdame und ich waren gerade ohne die Söhne im Garten. Das war sehr gut, so konnten wir die Ernte völlig streitfrei unter uns aufteilen, es bekam nämlich jeder genau eine Himbeere. Nicht jede Ernte fällt überwältigend aus.

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Am Donnerstag habe ich, nachdem die Kollegen im südlichen Teil des Landes seltsamerweise sämtlich nicht erreichbar waren, zum etwa dreißigsten Mal im Leben nachgelesen, was zum Teufel es denn noch einmal mit diesem Fronleichnam auf sich hat. Ich merke heute, einen Tag später allerdings schon, wie dieses Wissen zügig wieder in Vergessenheit gerät und nehme jetzt an, man braucht eine speziell katholische Lebenserfahrung, um sich das merken zu können. Aber für norddeutsche Menschen wie mich – es hat einfach keinen Bezug zu gar nichts. Nächster Feiertag 3. Oktober, den kann ich. Toll.

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Dialog am Vormittag, per Chat:

Ich: “Ich kann hier gerade nicht arbeiten, die Software klemmt.”

Die Herzdame: “Das ist gut, dann kannst du ja in das Krankenhaus fahren, in das dein Sohn gerade nach einem Sportunfall in der Schule eingeliefert wird.”

Ich: “Welcher Sohn?”

Die Herzdame: “Der andere.”

Und dann verlässt man eben das Büro, fährt umgehend ins Krankenhaus und überschlägt als Improvisationstalent vom Dienst schon einmal einen stark geänderten Ablauf der nächsten Wochen. Es gab fünf Stunden Wartezeit und dann war der Fuß nur verstaucht! Ich finde ja, nach fünf Stunden Wartezeit sollte in Kinderkrankenhäuser immer irgendwas gegipst werden, und zwar schon aus Prinzip.

Es hat den Sohn beim Fußball erwischt, ich habe den verdammten Sport ja nie gemocht. Und weil er vom Rasen weg direkt ins Krankenhaus kam, hatte er auch kein Handy dabei, während mein Handy nur noch ganze 5% Akku hatte. Wir haben also fünf Stunden lang lediglich eine monochrome Krankenhausflurwand angestarrt und da war sie dann also endlich, die u.a. von Jesper Juul geforderte “Fadisierung” des Alltags. Denn so richtig große, graue und gruselige Langeweile kennt die Jugend von heute ja nicht mehr, die ist auch gar nicht so einfach herzustellen. Da haben wir also wieder etwas abgehakt, wie schön ist das denn. Man muss auch die kleinen Erfolge zu würdigen wissen.

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Ich lese Gunter Duecks “Flachsinn – ich habe Hirn und will hier raus”, weil es mir in der Bücherei neulich direkt nach einem mehr als seltsamen Arbeitstag über den Weg lief, und es gibt eben Stimmungen, da wird man empfänglich für solche Titel. Ich finde, so glaube ich zumindest nach dem ersten Drittel, vermutlich kaum etwas darin, was mir wirklich vollkommen neu ist, ich kenne auch schon einiges von ihm, aber ich finde doch vieles, was ich ruhig auch noch ein zweites oder drittes Mal überdenken kann. Und das ist ja so schlecht nicht.

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Musik! Noch einmal Bedouine. Herbstlich, aber wunderschön.

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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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5 Kommentare

  1. Ich wollte auch Gunter Duecks “Flachsinn – ich habe Hirn und will hier raus” lesen

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