Es ist alles ganz fabelhaft

Homeschooling hat übrigens auch thematisch ungeahnte Abgründe, und damit meine ich gar nicht, dass bei einem Sohn eigentlich gerade Sexualkunde auf dem Lehrplan steht. Daran kommen wir noch vorbei, wie vernünftigerweise entschieden wurde. Nein, ich meine etwa, dass es in Deutsch beim anderen Sohn gerade um Fabeln geht und ich es daher leider nicht vermeiden kann, das ziemlich ausführlich mitzubekommen, zum zweiten Mal im Leben. Um es gleich vorweg zu sagen, der Sohn hat die beste Deutschlehrerin der Welt, an ihr liegt es nicht. Fabeln, versteht sich, werden aber als Literaturgattung auf dem Gymnasium absolut zwingend abgehandelt, denn Fabeln, so muss man leider feststellen, gibt es nun einmal. Es liegen uns Beispieltexte vor, die man leise stöhnend liest, also der Sohn und ich jedenfalls, weil sie erstens, wie soll ich sagen, mit verhaltener Eleganz erzählt sind und zweitens eine so dermaßen tumbe Moral haben, dagegen sind sogar Leo-Lausemaus-Geschichten didaktisch ausgefeilt und fein differenziert, und das will etwas heißen.

Eine Frage, die man sich nebenbei einmal stellen kann – ob eigentlich irgendjemand jemals Fabeln freiwillig gelesen hat – oder ob die nicht von allem Anfang an stets nur aufgezwungene Textbrocken waren, immer in erzieherischer Absicht an duldsame Schülerinnen und Schüler verteilt? Ich meine, es ist doch schlechthin nicht vorstellbar, dass ein lerneifriger Mensch jemals nach der begeisterten Lektüre einer neunmalklugen Fabel die Seite hat sinken lassen und dann froh gesagt hat: “Stark, das hat mich jetzt aber mächtig aufgeschlaut und moralisch weit emporgehoben! Da lese ich gleich noch so eine Geschichte!” Niemals. Niemand.

Fabeln. Die Prusseliese unter den Prosagattungen, das mit Abstand Tantenhaftigste, was je in Buchform daherkam. Pardon, es geht gleich wieder. Wir arbeiten nur noch eben die Moralgeschwulst aus der nächsten Fabel heraus und sehen uns dann mit leichtem Ekel an, was da vor uns liegt. Obduktion nichts dagegen.

Na, vielleicht sind Fabeln in Wahrheit auch gar nicht so schlimm und bei mir werden nur gerade alle Traumata aus der Schulzeit in kaum zu ertragender Intensität getriggert, das will ich gar nicht ausschließen. Wenn Corona nicht vor der Vektorrechnung und den Herrn-K-Geschichten von Brecht durch ist, ich denke doch noch einmal über Drogen nach.

Morgen machen wir wieder mehr Geschichte. Da geht es um den Hadrianswall, also um eine geschlossene Grenze, wie man heute sagen würde.

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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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8 Kommentare

  1. Doch. Sie sind so schlimm. Sie sind ganz furchtbar gruselig – und endlich sagt’s mal jemand. Vielen Dank fürs Mir-aus-dem-Herzen-Schreiben!

  2. Bei Fabeln fällt mir zuallererst mal James Thurber ein, und Tantenhaftiges kann ich da beim besten Willen nicht finden. Vielleicht hab’ ich die schlimmen Fabeln verdrängt?

  3. Sie sehen mich völlig verdattert!

    Als Leseanfängerin hatte mir irgendein wohlmeinender Anverwandter mal eine großartig illustrierte Ausgabe der – wie ich erst Jahre später im Latein-Unterricht lernte und begriff – AESOPISCHEN Fabeln geschenkt.

    Ich habe das Buch geliebt, leider ist es verschollen. Und, ja, ich fand die Geschichten toll (womöglich, weil die Protagonisten Tiere sind?); sehr viel moralisierender und unangenehmer erlebte ich später eher andere Gattungen und Werke …

  4. Kicher, auch mein Kind und mich ereilten die Fabeln.
    Und als (ehemalig) Deutschlehrerin möchte ich auf einen Umstand hinweisen: eben WEIL Fabeln so herrlich einfach und immer gleich geschneidert sind, eignen sie sich unter literaturdidaktischen Aspekten gut, um Schülern Merkmale einer Textart zu erläutern. Leichter als bei der Fabel geht es nicht, nächstes Schuljahr kommt dann die Kurzgeschichte dran, da ist inhaltlich auch mehr geboten.
    Und die Lehrerin meines Kindes hat dann zum Abschluss „Der Wolf und das Lämmlein“ von Martin Luther durchgenommen, da kann man dann wirklich viel über Texte und Gesellschaftskritik usw. lernen.

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