Melancholiedefizit

Der Sommer, so lese ich, wird sich noch bis weit in den September ziehen, wenn nicht sogar noch viel weiter. Es wird warm bei uns bleiben, sonnig und viel zu trocken. Jedenfalls vermutlich, es sind ja immer nur Modelle und gelehrte Mutmaßungen, die uns als Vorhersagen dienen. Das wird alles gut für die Heizkosten sein, sehr gut sogar, versteht sich. Aber für den Freundeskreis Melancholie und Herbstblues, der jetzt sehr auf kleine Veränderungen in der Stimmung da draußen achtet, sind es etwas seltsame und verstörende Nachrichten, werden wir doch um ein paar Wochen unserer besten Zeit gebracht. Es wird zu einer Melancholieverzögerung, wenn nicht sogar zu einem Melancholiedefizit kommen, mit unwägbaren Folgen für Kunst und Kultur, für Lyrik und Songwriting. Schlimm.

Immerhin ist es morgens schon wieder dunkler, wenn ich aufstehe. Immerhin gibt es schon fast heimelig anmutende Beleuchtungssituationen im Frühdienst vor dem Erwachen der Familie. Und an manchen Tagen kann ich dabei sogar Kleidung tragen, ohne direkt zu verglühen. Leichte Kleidung, versteht sich, wehende Stöffchen.

Und das Herbstlaub, das in diesem Jahr Dürrelaub ist und daher nicht recht zählt. Es ist einfach anders als sonst und auch anders zu bewerten, the falling leaves möchte man noch nicht singen, les feuilles mortes pfeift man noch nicht, auch wenn es noch sehr beim Gehen raschelt. Das Laub wird weg sein, der Sommer wird noch da sein. Ich habe das so nicht bestellt, ich möchte das nicht, ich finde es auch nicht richtig.

Und doch liegen die Berge und die Strände in den Ferienregionen jetzt wieder verlassen (da stimmt noch nicht ganz, ich weiß, aber ich kann mir hier vorstellen, was immer ich möchte). Die urlaubenden Menschen sind größtenteils wieder abgereist aus den allgemeinen Geheimtippgegenden und machen seit ein paar Tagen wieder irgendwas mit Berufen und lächeln längst nicht mehr bei allem; die Kinder gehen wieder zur Schule, haben so wenig Wahl wie die Eltern und murren und knurren, vertraute Geräusche. Die Strandkörbe an den Meeren stehen verlassen, die Tretboote an den Seen, die Freibäder überall, die Achterbahnen.

Irgendwo am Strand, vielleicht haben Sie es gesehen, hat eine fremde Hand das Wort „Verlassen“ in den Sand geschrieben. Tim Fischer weiß mehr davon, und er weiß es vom Herrn Kreisler, der es zuerst gesungen hat.

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