Gendern wie Jules Verne

Zwei Sachen. Zum einen, es sei nur der Chronik halber angemerkt, bin ich neulich zum ersten Mal kritisiert worden, weil ich einen Begriff nicht gegendert habe, das war in einer alltäglichen beruflichen Situation. Sachlich gesehen war ich im Recht, der Begriff war tatsächlich nicht zu gendern, es ergab keinen Sinn bzw. keinen Mehrwert, aber es geht mir überhaupt nicht ums Rechthaben, ich habe auch oft nicht recht, es geht mir nur darum, dass das Thema im Alltag ankommt, also etwa bei den banalen Mails im Büro, das sei hier eben festgehalten. Bei anderen war es schon viel früher so, nehme ich an.

Ich habe dazu nach wie vor eine betont unangestrengte Haltung, ich sehe da für mich keinen Streitgrund und verfolge in meinen Blogtexten oft die vollkommen sprachunwissenschaftliche Lösung, einfach die weiblichen Formen zu nehmen, ich rede also etwa von uns Bloggerinnen. Das kommt mir halbwegs fair vor, denn die Frauen haben in der Benennung offensichtlich Nachholbedarf, es ist so etwas wie eine Ausgleichshandlung, wobei mir klar ist, dass da nichts ausgeglichen wird.

Zum anderen habe ich, und das finde ich sowohl lustig als auch schon wieder kulturgeschichtlich interessant, einen gendergerechten Glottisschlag da gehört, wo er gar nicht war. Man hat auch zum Glottisschlag diverse Meinungen, ich weiß, ich weiß, aber auch da gilt für mich: Machen Sie doch, was Sie wollen, es soll mir recht sein. Im Podcast Lage der Nation etwa kommt das dauernd so vor, Politiker:innen sagen sie da, man hört es also, und es stört mich nicht. Nicole Diekmann hat andererseits einmal einen Text zum Thema geschrieben, der mir auch einleuchtend vorkam: „Warum ich den Glottisschlag nicht mehr benutze? Mir war es irgendwann zu undankbar, viel Arbeit zu investieren, um komplexe Sachverhalte selber zu verstehen und anschließend so zu erklären, dass andere das auch tun, und dann in der anschließenden Debatte zu 80 Prozent Kommentare übers Gendern zu lesen. Ich möchte über Inhalte diskutieren. Was nicht bedeutet, dass gendergerechte Sprache mir nicht mehr wichtig ist. Pick your fights, das war mein Leitsatz in dieser Sache.

Jules Verne jedenfalls, des Genderns erst einmal vollkommen unverdächtig, schrieb, und ich habe das gehört, nicht gelesen, sonst geht der Scherz auch nicht auf, denn Achtung, es geht mir um einen Scherz, nicht um ein Konfliktthema, bei dem ich mich an den krawalligen Reaktionen berauschen möchte, er schrieb also: „Es standen Priester:innen im Hof …“ Und ich dachte kurz, ich höre nicht richtig. Der Genderglottisschlag in einem Hörbuch aus dem Neunzehnten Jahrhundert? Bitte, was geht denn da vor? Aber es war natürlich lediglich so, dass Priester innen im Hof standen, also zusätzlich zu denen, die außen vor der Mauer standen. Manchmal kann man seinem Hirn bei der Arbeit sozusagen zusehen, wie es an dem Gehörten, Gelesenen, Gesehenen herumdeutet, und manchmal macht das dann Spaß.

So jedenfalls, das wollte ich nur anmerken, kommt die Genderdebatte auch in meinem Hörbuchkonsum an und Jules Verne klingt auf einmal ungeahnt modern.

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Im Bild heute noch einmal die Außenalster, von der Seite des kleinen Bahnhofsviertels aus. Still liegt sie da, die Alster, laut wie immer war es ringsum.

Blick über die Außenalster, von St. Georg aus. Leere Stege im Bild.

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2 Kommentare

  1. Ich muss Nicole Diekmann zustimmen: „Pick your fights.“ Es gibt so viele wichtigere Themen zur Gleichberechtigung. Beim Gendern habe ich immer das Gefühl, wir Frauen werden abgespeist. „Guckt mal, wir tun doch was für die Gleichberechtigung, wir gendern.“

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