Kurz mal in die Stadt

Obwohl wir sehr nah an der Hamburger Innenstadt wohnen, also nah an den großen Einkaufsstraßen, sind wir da ziemlich selten. Mir ist es dort zu voll und zu wuselig, ich gehe auch nicht gerne zum Shopping, ich gehe überhaupt nicht gerne in große Geschäfte, schon gar nicht in Bekleidungsgeschäfte. Heute war ich dennoch kurz in der Spitalerstraße, ich war da mit der Herzdame verabredet. Natürlich war es besonders voll, es ist Wochenende, es ist Ferienzeit, das Wetter war auch gut. Hamburg ist voll von Touristen, rappelvoll, so voll wie sonst nur zur Weihnachtsmarktzeit.

Um zur Spitalerstraße zu kommen, gehen wir durch den ebenso vollen Bahnhof. Sohn I trottet neben mir her. Im Bahnhof fangen plötzlich Männer an in einer fremden Sprache zu schreien und halten Plakate hoch, verteilen Zettel an Passanten und setzen sich dann mitten in den Weg. Man sieht schon die Bahnpolizei am Ende der Halle anrücken, die Sicherheitsleute in den Geschäften ringsum lehnen in den Türen gucken skeptisch. “Eine Demo”, sagt Sohn I fachkundig, “wegen des Krieges da bestimmt.” “Ja”, sage ich, wobei ich gerade nicht deuten kann, worum es da wirklich geht, um welches Land, um welchen Krieg, es kommen immerhin mehrere in Betracht. Auf dem einen Schild stand womöglich etwas mit Kurdistan, ich konnte es kaum erkennen.

Ein paar Meter weiter ein Junggesellinnenabschied, alberne Outfits und die mit dem Verkaufskörbchen und den Hasenöhrchen vorneweg. Angeschickerte junge Damen, hysterisch kichernd, da machen wir einen großen Bogen. Da machen genau genommen sehr viele Menschen einen großen Bogen. Vielleicht ist es irgendwann so weit, dass alle Menschen einen großen Bogen machen? Das wäre mal eine schöne Aussicht.

Vor dem Bahnhof ein Mann im Anzug mit Megaphon, er hat ein Buch unterm Arm, singt und spricht ins Megaphon und geht hektisch auf und ab. Niemand hört ihm zu. “Einer von denen mit Gott”, sagt Sohn I und interessiert sich nicht weiter für den Prediger, der jetzt in gebrochenem Deutsch “er ist King, er ist König” singt und dabei immer wieder nach oben zeigt, wo gerade ein Flugzeug über ihn hinwegzieht. Aber das ist wohl nur Zufall, nicht Gott.

Am Anfang der Spitalerstraße steht dann schon der Jesusbrüller, wie er in dieser Familie genannt wird, das ist der vermutlich dienstälteste Laienprediger der Stadt, den kennt wahrscheinlich jeder Hamburger. Ein großer Typ mit beeindruckend lauter Stimme, der den Namen Jesus immer so norddeutsch ausspricht, dass es wie Jejsus klingt. Er predigt so engagiert, dass er völlig durchgeschwitzt ist. Wenn man den Jesusbrüller beim Bäcker beim Kaffee trifft, ist er eigentlich ganz nett und wirkt ziemlich normal. Wenn man aber einmal gehört hat, was er über Schwule predigt, dann möchte man ihn lieber nicht mehr treffen. “Der Jesusbrüller”, sagt Sohn I, “wie immer.”

Gegenüber vom Jesusbrüller ein Infostand von Falun Gong, dieser religiösen Bewegung aus China. Eine Frau und ein Mann meditieren mit taichi-ähnlichen Bewegungen, daneben mehrere Poster mit ziemlich blutigen Foltermotiven, es geht um die Verfolgung der Religion in China. Das müssen Kinder nicht sehen, ich ziehe den Sohn weiter.

Straßenmusik, ein junger Mann bearbeitet seine Gitarre. “Aber nicht sooo gut”, wie Sohn I befindet. Geld möchte er da lieber nicht geben. Wir überlassen es den Söhnen, wem sie Geld geben wollen. Ob Bettler, Künstler, Musikanten, das können sie selbst entscheiden, wer etwas Kleingeld bekommt.

Ein erhöhter Glaskasten, in dem ein Mann sitzt, der ein Mädchen auf dem Schoß hat und ihm vorliest. Die beiden sind echt, sie haben sehr wenig an und sie ignorieren die zahllosen Menschen, die in den Kasten sehen, in dem sie sitzen. Grimms Märchen werden da vorgelesen, den Buchtitel kann man erkennen. An dem Glaskasten hängen Zettel, ich frage den Sohn, ob wir hingehen und ich vorlesen soll. Er winkt ab: “Das ist dann sowieso wieder Kunst, Papa”, sagt er.

Da braucht er keine Erklärung, Kunst ist eben Kunst und Kunst ist oft, wenn es interessant aber irgendwie sinnlos ist. Denn das hat er schon gelernt: die Erklärungen, die an der Kunst dranhängen, die bringen ihn meistens nicht weiter.

Schon wieder Straßenmusik, zwei junge Mädchen singen. Der Sohn sieht nachdenklich zu, wie die Münzen in die Mütze fliegen, die vor ihnen liegt. Da kommt schon etwas zusammen. “Du brauchst nur zwei Akkorde und drei Freunde”, sage ich aufmunternd. “Denk mal drüber nach.” Er nickt: “Yeah.” Es war dann wohl doch nicht verkehrt, ihm die alten Aufnahmen der Beatles zu zeigen.Er geht näher ran und wirft noch einen Blick in die Mütze. Wirklich nicht schlecht. Hinter ihm der Lego-Laden. Er denkt nach.

Na, mal sehen. Auch zwei Akkorde muss man erstmal lernen. Und das wäre immerhin schon einer mehr als ich jemals gelernt habe, glaube ich.

 

 

Rigatoni mit Tomaten-Auberginen-Sauce und Mozzarella

(Es folgt ein weiterer Beitrag meiner aus Frankreich zugeschalteten Nudelsachverständigen Micha (mehr zu Micha siehe hier). Micha schreibt aus Frankreich, das Rezept ist aus England, die Küche aus Italien, man müsste eigentlich die Europa-Hymne vor dem Lesen des Beitrags laufen lassen. Und falls Sie genau wie ich beim Lesen über das Wort „Schnäker“ stolpern – ja, das gibt es wirklich. Wieder was gelernt.)

Und nun Micha:

Micha

 

Jeder, den ich über mein Foodblog kennenlerne, weiß vorneweg eines über mich: ich koche gerne. Genau. Völlig richtig. Kochen ist sinnlich. Es riecht, es schmeckt, alles geht durch die Hände, es ist abwechslungsreich und man kann die Kreation direkt mit seiner Umgebung teilen. Ich wüßte wirklich nicht, warum jemand nicht gerne kochen sollte.

Allerdings bedeutet das nicht im gleichen Moment, dass ich IMMER gerne koche. Dank unseres Lebensentwurfs sind wir 3 Monate des Jahres auf Reisen und unterwegs werde ich bekocht. Das tut meinen Ambitionen in der Küche gut. Wieder zuhause genieße ich, selbst entscheiden zu können, was auf den Teller, beziehungsweise in den Topf kommt. Zusammen mit den Vorgaben des Gartens.

Nudeln

Außerdem koche ich auch nicht überall gerne, sondern am liebsten in meiner eigenen Küche: im Regal alles, was ich brauche, frische Kräuter vor der Tür. Und ja, auch für andere zu kochen ist nicht zwingend meine Parade-Disziplin. Nachher habe ich Schnäker am Tisch sitzen, die dieses und jenes nicht mögen. Oder Allergiker. Oder – die schlimmste Sorte – Appetitlose, die vorneweg mit der Gabel trocken stochern. Oder Schlinger, die keinen Unterschied zwischen Chips und Nudeln machen. Nee, so wird das nix mit freier Entfaltung und munterer Geselligkeit am Tisch…

Leider (!) kenne ich die Buddenbohms nicht persönlich. Aber der Maximilian hat mir ja nicht umsonst die Pasta-Rubrik zugeschoben. Meine Chancen auf eine appetitliche Runde stehen gut bis sehr gut. Für heute habe ich mir fürs Bekochen ein Jamie-Oliver-Rezept rausgesucht. Der hat schließlich doppelt so viele Kinder wie der Maximilian – worauf ich ohne Umschweife auf die Potenz seiner Rezepte schließe. Mit den Gemüsen des Sommers, Tomate und Aubergine, die unser Garten gerade üppig anbietet, kann man im Grunde auch nix falsch machen (außer s.o.).

Jamie schreibt dazu: „Ungewöhnlich ist, dass Mozzarella aus Kuhmilch verwendet wird, der fester ist als der in Italien übliche Büffelmozzarella. Er kommt in Stücke zerzupft im letzten Moment unter die Pasta und schmilzt zu köstlichen Käsefäden, die am Löffel hängen bleiben – herrlich!“

Also allen Appetitlichen sollten *Käsefäden* ein Stichwort sein…

Nudeln

Zutaten:

1 reife, feste Aubergine

Bestes Olivenöl

2 Knoblauchzehen, fein gehackt

1 Zwiebel, geschält, fein gehackt

800g Eiertomaten beste Qualität aus der Dose

(m: halb frische Tomaten/ halb ofengeröstete Tomaten)

1 EL Balsamicoessig (m: Orangen-Balsamico-Reduktion)

Salz, Pfeffer

1 Chilischote, gehackt (m: Harissa)

1 Bund frisches Basilikum, die Blätter zerzupft

(die Stängel aufheben für die Sauce)

4 EL Sahne (m: 2 EL Mascarpone)

500g Rigatoni oder Penne

200g Mozzarella aus Kuhmilch

1 Stück Parmesan zum Reiben

Frische Auberginen fühlen sich fest an. Bei einer solchen Frucht ist es nicht nötig, die in Scheiben geschnittene Aubergine einzusalzen, um Bitterstoffe herauszuschwemmen. Sollte die Aubergine allerdings bereits braune Samenstränge haben, dann diesen Zwischenschritt einlegen. Ansonsten die Aubergine oben und unten kappen, die Enden wegwerfen, und den Rest der Aubergine in Würfel von 1cm schneiden.

Die Auberginenwürfel einige Minuten bei mittlerer Hitze in einer großen Pfanne in etwas Olivenöl solange braten, bis sich die ersten goldbraunen Stellen zeigen. Dann Zwiebel hinzugeben und diese glasig dünsten. Kurz vor Ende ebenfalls den Knoblauch untermengen. Die Tomaten unterrühen. Mit Balsamicoessig, Salz, Pfeffer, eine Prise Zucker und Harissa bereist zum ersten Mal abschmecken. Die Stängel des Basilikums in der Sauce mitziehen lassen und ca.15min köcheln lassen bis die Auberginen beinahe zu einem Mus verkocht sind – dann die Stängel wieder entfernen. Die Sahne, bzw. Mascarpone unterrühren.

Währenddessen in einem großen Topf reichlich Salzwasser zum Kochen bringen und die Rigatoni al dente kochen und nicht zu trocken abschütten. Die Pasta zurück in den Topf geben und mit etwas Olivenöl vermengen.

Die Tomatensauce unter die Pasta heben und nochmals mit Salz, Pfeffer und eventuell Balsamico abschmecken. Den zerzupften Mozarella zusammen mit den Basilikumblättern erst kurz vor Servieren unter die Pasta mischen. Damit hat man den Käsefäden-Effekt auf seiner Seite. Der Kuhmilchmozzarella soll sein feines Milcharoma an die Sauce abgeben (was super zu Tomate und Aubergine passt) und mit dem Fädenziehen genau dann beginnen, wenn man die Gabel in die Pasta steckt. Vorher noch anständig mit frisch geriebenem Parmesan bestreuen – und genießen.

Auberginen

 

Eiderstedt

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Na gut, von Eiderstedt ist gar nicht viel zu sehen, zumal der Blick weg von der Halbinsel geht, hinaus auf die Nordsee, die irgendwo da ganz weit hinten ist. Und die man nur sehen kann, wenn man auf den Deich klettert und auf der Krone steht, so wie die Jungs hier am Eidersperrwerk. Und die Deiche sind natürlich auch nicht überall geteert. Die Wolken sehen nach Regen aus, es gab aber keinen. Es ist wirklich kein idyllisches Eiderstedtbild.

Aber irgendwie doch.

 

Quivit

Sollten Sie jetzt gerade bei der Überschrift bereits eine brauchbare Assoziation gehabt haben – ich gratuliere zu Ihrer Belesenheit. Ich hatte bis vor ein paar Tagen gar keine Vorstellung von diesem Wort, das hat sich erst im Urlaub auf dem Bauernhof auf Eiderstedt geändert, da allerdings gründlich. Da habe ich, es wurde bereits in der letzten Leseliste erwähnt, die Märchen von Andersen wieder einmal gelesen, zum ersten Mal seit der Kindheit nehme ich an.

Bei Andersen gibt es das Märchen vom Däumelinchen, es ist eines der Märchen, die mir gar nicht mehr präsent waren. Es handelt von einem kleinen, einem sehr, sehr kleinen Mädchen, das von allerlei Tieren nacheinander geraubt wird. Die Tiere wollen sie jeweils behalten und heiraten, es handelt sich aber um eher grässliche Geschöpfe wie Kröten und Käfer. Sie flieht also ein ums andere Mal. Sie flüchtet sich schließlich kurz vorm Kälte- und Hungertod zu einer Feldmaus, bei der sie Nahrung erhält. Allerdings will die Feldmaus sie mit ihrem Nachbarn, einem unsympathischen Maulwurf verheiraten. In der Höhle des Maulwurfs liegt ein toter Vogel, eine Schwalbe. Däumelinchen lehnt bedauernd den Kopf an den Vogel und merkt, dass er noch lebt, er ist vor Erschöpfung abgestürzt, auf dem Weg in den Süden. Sie pflegt ihn heimlich und hilft ihm durch den Winter. Schließlich verhilft die wiederbelebte Schwalbe ihr im nächsten Herbst zur Flucht in den sonnigen Süden, wo sie sich prompt in einen attraktiven Blumenengel verliebt. Sie winkt der Schwalbe zum Abschied zu und, ich zitiere:

“Lebe wohl, lebe wohl”, sagte die kleine Schwalbe und flog wieder fort von den warmen Ländern, weit weg nach Deutschland zurück; dort hatte sie ein Nest über dem Fenster, wo der Mann wohnt, der Märchen erzählen kann, vor ihm sang sie ihr “Quivit, quivit!” Daher wissen wir die Geschichte.”

Das also las ich abends im Bett und am Morgen wachte ich auf, weil es über mir verblüffend laut “Quivit, quivit!” rief. Ausgesprochen fröhlich klingende Rufe waren das, munter und hochgestimmt und sie kamen von zwei Schwalben, die durchs offene Fenster ins Schlafzimmer geflogen waren und jetzt auf der Tür saßen und sich prächtig zu amüsieren schienen: “Quivit!”

Wie man sich vorstellen kann, hörte ich ihnen einigermaßen angestrengt zu, man will ja in solchen leicht surrealen Momenten weder zu sehr an seinem Verstand zweifeln, noch die entscheidende Inspiration für das nächste Buch verpassen, versteht sich. Sie blieben aber nur bei “Quivit”, mehr haben sie mir nicht erzählt. Vielleicht bin ich einfach nicht Märchenerzähler genug.

Und es gab übrigens auch gar keinen Grund an meinem Verstand zu zweifeln, die Schwalben kamen immer wieder, sobald wir die Fenster aufmachten. Sie flogen ins Schlafzimmer und ins Wohnzimmer, sie drehten äußerst elegante Kurven, pausierten auf Regalen und Türen, schienen sich manchmal leise und wie gurrend zu unterhalten, als würden sie die nächsten Manöver absprechen, jubilierten dann wieder im Losfliegen ihr “Quivit!” Flogen raus und flogen rein, es war mehr ihre Wohnung als unsere, obwohl sie doch auch nur Saisongäste waren. Aber eben schon wesentlich länger und häufiger als wir, das merkte man.

Sie waren auch gar nicht scheu. Man konnte ganz nah herangehen, bevor sie vom Regal hüpften und abhoben. Wenn eine Schwalbe losfliegt, dann wirft sie sich hoch in die Luft und lässt sich dann ein klein wenig stürzen, die Brust ganz vorgereckt, die Flügel nach hinten gezogen, sie stürzen und fangen sich dann sehr elegant wieder auf, drehen ab und ihre Rufe klingen, als würden sie lachen. Es scheint ihnen Spaß zu machen, wie sie sich in die Luft hineinstürzen. Bei Andersen steht die Schwalbe für die Lebensfreude, für die Lust am Sommer und an der Sonne, am Licht. Würde man sich als Erzähler so freudig und rückhaltlos in den Stoff stürzen, man würde vielleicht viel mehr erzählen? Ich habe dann auf Facebook geschrieben:

“Ich bin also gerade auf Eiderstedt in einer Wohnung, durch die Schwalben fliegen. Ich möchte hier bitte sitzenbleiben und einen sehr luftigen Roman schreiben.”

Und da schrieb gleich jemand drunter, dass das schon einmal ein guter Anfang sei. Aber was soll’s, die Schwalben haben mir ja mehr nicht erzählt. Schade eigentlich. Oder muss man sich für solche Erzählungen erst etwas näher kennenlernen? Sollte ich für das nächste Jahr gleich wieder diesen Hof buchen? Ich muss nachdenken.

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Eiderstedt – die Umkehr von Oben und Unten

Wir waren also eine Woche auf einem Bauernhof auf der Halbinsel Eiderstedt. Wenn Sie die nicht kennen, das ist diese große Ausbuchtung an der westdeutschen Küste in Schleswig-Holstein, etwa zwischen Tönning und Husum. An der Westspitze sitzt wie ein Fremdkörper die Übernachtungsrekordstadt Sankt Peter-Ording, das touristische Megagebilde dort hat mit der restlichen Halbinsel allerdings wenig gemein. Im Veranstaltungskalender von Sankt Peter-Ording findet man Perlen wie etwa das Seminar “Dog Coaching für Manager – testen Sie Ihr Führungswissen an Hunden”, in der Schwimmhalle von Sankt Peter-Ording gibt es Pommes mit Parmesan und Trüffelöl als Imbiss, da wird man sich in etwa vorstellen können, warum der gemeine Eiderstedter Bauer bei der Erwähnung von Sankt Peter-Ording mit den Schultern zuckt und den Kopf schüttelt.

Eiderstedt ist Neuland, nicht im Sinne des merkwürdigen Merkelvokabulars, sondern wörtlich. Das Land wurde komplett durch Eindeichung um ehemalige Inseln herum gewonnen, die ganze Halbinsel. Daher ist es dort flach, so flach, wie es nur irgendwo sein kann. Alles liegt auf Meereshöhe oder sogar knapp drunter. Wenn man da also längs fährt und es bergauf geht, dann ist man am Deich, das ist leicht zu merken. Wobei man vielleicht am Deich, aber noch nicht unbedingt am Meer ist, denn das Gebiet ist von alten Deichen durchzogen, die die Linien markieren, an denen das Meer einmal war, vor hundert Jahren, vor fünfhundert Jahren oder wann auch immer. Oder wo das Meer vielleicht auch einmal wieder sein wird, wer weiß.

Flach ist es dort also, sehr flach, wahnsinnig flach. Man sieht, haha, am Morgen schon, wer am Abend zu Besuch kommt, alter Küstenwitz. Stimmt aber tatsächlich, wenn der Besuch denn zu Fuß geht. Und das, was da flach herumliegt, besteht hauptsächlich aus Äckern, Weiden und Gräben. Aus enorm grünen Weiden, die sehen fruchtbar wie im Bilderbuch aus, man möchte geradezu Kuh sein, wenn man die sieht, so nahrhaft wirken die. Und es besteht aus sehr langen Gräben, aus insgesamt etwa 5.000 Kilometern Gräben, die die Halbinsel entwässern. Die säuft sonst nämlich wieder ab, nicht nur bei Sturmflut, sondern auch bei Regen.

Es gibt Touristen, die fahren nach Eiderstedt und machen das ganze touristische Programm mit, ohne überhaupt zu merken, dass die Landschaft toll ist. Die fahren an den Strand, machen Wattwanderungen und so weiter, das normale Küstenprogramm eben. Die merken dann, dass sie im Meer baden, sonst merken sie aber nix, das Hinterland ist nur die Zugabe und irgendwie egal. Die Gegend scheint nicht bei jedem gut anzukommen. Und es gibt Touristen, die können auf Eiderstedt stundenlang an einem Acker stehen und in die Gegend gucken. Und dann drei Meter weitergehen und wieder gucken. Dazu gehören die Herzdame und ich. Als wir vor sieben Jahren zum ersten Mal da waren, das war Liebe auf den ersten Blick. Da stiegen wir aus dem Auto und dachten hier, hier ist es wirklich, wirklich schön. Das denkt man gar nicht so oft, finde ich. Man findet schon ab und zu Gegenden ganz nett oder auch idyllisch oder ganz hübsch, aber dass man diese Verliebtheit spürt, bei der man sich in den Boden krallen möchte, das ist gar nicht so oft. Die spüren wir aber heute immer noch und nach jedem Aufenthalt grübeln wir über Wochenendwohnungen, Ferienhäuser und so weiter nach, zumindest so lange, bis uns der Alltag wieder fest genug im Griff hat und wir sowieso zu nix kommen.

Wir wohnen in Hamburg Mitte, hier gibt es kaum Himmel. Wenn man hier vor die Tür geht und guckt, dann sieht man Menschen, Häuser, Geschäfte, Reklame, Autos, Cafés, Bäume, Bahnstationen, Ampeln und dergleichen. Das ist alles dicht, ganz nah an einem dran, direkt vor einem und es ist alles laut und spricht einen an. Die Menschen machen Lärm, die Werbung randaliert im Auge des Betrachters, die Autos, die Ampeln, die Züge, alles blinkt, brummt, rattert, signalisiert irgendwas. Alles will Aufmerksamkeit, etwas verkaufen, vor etwas warnen, sich anbieten. Immer. Deswegen wohnen wir hier , das ist auch gut so. Aber ab und zu ist es schön, das alles nicht zu sehen. Und den Blick nach oben zu richten.

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Wenn man auf Eiderstedt ankommt und aus dem Auto steigt, dann sieht man unwillkürlich nach oben. Weil unten nichts ist. Das heißt, da ist natürlich ein Acker, und nach dem Acker ist noch ein Acker und dann kommt ein Graben und dann, genau, ein Acker. Das hält das Auge aber nicht fest, das ist ein grüner Streifen, der sich irgendwo im Dunst verliert. Aber oben!

Oben ist gewaltig, oben ist unvorstellbar viel Himmel. Oben ist ein Wolkenimperium, oben ballt es sich zusammen und verändert sich fortwährend. Oben finden Shakespearedramen statt, Wolkenheerscharen rollen heran, gehen unter, stehen wieder auf und hat man eine Minute nicht hingesehen, hat man schon einen ganzen Akt verpasst und das Reich wird gerade neu verteilt und man sieht dann doch noch länger hin, um zu wissen, wie es weitergeht, auch wenn man nie erfahren wird, wie es ausgeht.

Man sieht nicht einmal nach oben, wenn man es genau nimmt, man sieht einfach nach vorne – und da ist fast nur Himmel. Ein Wahnsinnshimmel. Ein “Das gibt es ja heute kaum noch”-Himmel.

Ein Himmel, für den Instagram einem dann nicht mehr reicht, da möchte man lieber Landschaftsmaler sein und mit Palette mitten im Feld stehen, mit Ölfarbtuben und allem. Obwohl man so schnell gar nicht malen kann, wie sich der Himmel mit dem Wind verändert. Hat man eben noch an Rembrandtsche Wolkenziselierungen gedacht, steigen jetzt schon vangoghsche Krähen aus dem Kornfeld, strahlt die Abendsonne plötzlich in schmitt-rotluffschen Knallfarben über die Schafweiden, kneift man im Gegenlicht die Augen zusammen und erinnert sich an Cézanne im Garten, es ist höchst unwahrscheinlich, was man da alles sieht und doch ist es so.

Und wenn die Krähen hier schwirren Flugs zur Stadt ziehen, dann wird es wohl Husum sein, da kann man sich also nicht nur von Maler zu Maler sondern auch von Dichter zu Dichter hangeln, von Nietzsche zu Storm und immer noch weiter, es wird einem ganz naturtoll zumute, wenn man diesen Himmel sieht. Man hört in der Ferne Bullen durch den goldenen Abend rufen und erinnert sich plötzlich sogar an den ollen Trakl, man möchte wilde Aquarelle malen und lauthals Sommergedichte deklamieren – am Ende bloggt man aber dann doch wieder nur und das ist vielleicht auch ganz gut so.

Und der Himmel steht weit und blau und wolkendekoriert über einem, die Luft flimmert in der Sommerhitze und Schwalben schnörkeln ihren Flug mitten durch den Blick und über diese Schwalben schreibe ich dann morgen was, da gab es, wie sagt man, eine seltsame Begebenheit. Bleiben Sie dran.

#eiderstedt

Gelesen, vorgelesen, gesehen, gespielt und gehört im Juli

Gelesen

Immer noch weiter in Safranskis “Das Leben Goethes” und parallel in Goethes “Dichtung und Wahrheit” und wenn es so weitergeht, dann schreibe ich das wohl noch montelang. Schön.

Egon Friedell: Kulturgeschichte der Neuzeit. Daraus lese ich nur alle paar Wochen ein paar Seiten, aber es ist immer anregend, es bringt mich immer auf Gedanken, es ist immer grandios. Der Herr hat einen so unfassbar riesigen Wortschatz, man ist geradezu im Bällebad der Vokabeln.Und sollte man einen gewissen Adjektivdurst haben, ein paar Seiten Friedell genügen und der Tank ist auf Tage hinaus wieder voll.

Françoise Sagan: Ein gewisses Lächeln. Deutsch von Helga Treichl.
Unbenannt

Die Sagan schreibt so, wie es sich anfühlt, Jules und Jim zu sehen. Es geht selbstverständlich um die Liebe, was sonst.

Georges Simenon: Maigret amüsiert sich. Deutsch von Renate Nickel. Maigret hat Urlaub und leidet daran, wie alle Workaholiker. Er geht durch die Stadt und fühlt sich unwohl, versteht nichts mit sich anzufangen und sieht irritiert auf den Alltag, in dem er nichts zu tun hat. Ein vollkommen verständlicher und nachvollziehbarer Buchanfang. Dann passiert natürlich etwas und da er Urlaub hat, umkreist er den Fall nur vom Rand des Geschehens. Eine der Romane, in denen seine Madame häufiger vorkommt, weil er nicht ins Büro geht. Das Beziehungsleben der beiden wird vollkommen nebenbei vorgestellt und dennoch könnte man Aufsätze darüber schreiben. “Madame Maigret hatte nie Durst. Aber sie trank immer mit.” Die Krimihandlung stört da eher.

Ilse Helbich: Fremde. Die Dame kenne ich durch ein Radioninterview, das ich vor Jahren auf der Autobahn gehört habe. Da fiel sie mir auf, weil sie so klar und präzise sprach und weil sie so interessante Antworten auf Fragen zum Alter gab. Und ich habe mir ihren Namen tatsächlich zwei Jahre lang gemerkt, bis mir jetzt endlich ein Buch von ihr in die Hände fiel. Sie scheint in Interviews regelmässig interessant zu sein, siehe hier und hier, dann kann man sich das besser vorstellen. Mehr zum Buch “Fremde” findet man beim Perlentaucher. Ähnlich wie beim Spätwerk von Sarah Kirsch mag ich die Ruhe in den Texten. Die Ruhe und die Abgeklärtheit, die nie in Ennui oder arrogante Verachtung kippen. Damen, die nicht mehr geschrieben haben, weil sie es mussten, sondern weil sie es konnten. Sehr schön. Manchmal ein paar Sätze, in denen sie sich ähneln, die Damen, ganz deutlich sogar. Dann geht es wieder weit auseinander, koboldhaft vergnügt die Kirsch, würdevoll gelassen die Helbich. Bei der Helbich ist der Tod in den Texten sehr präsent, bei der Kirsch spukt er nur gelegentlich durch die Szene.

Horst Evers: Für Eile fehlt mir die Zeit. Ein Badeseebuch. Es handelt nicht von Badeseen, nein, aber man kann es prima an einem Badesee in einem Rutsch durchlesen.  Das perlt. Früher gab es übrigens an Badeseen oder anderen Ausflugsorten oft eine der beiden Limos, die es sonst nie gab, nämlich Mirinda oder Sinalco. Die schmeckten etwas anders als die sonst restaurant- oder familienfeiertypische Fanta, die waren immer etwas besonders, die hatten diesen Geschmack, an den man sich nie ganz gewöhnen konnte, weil es nie genug davon gab. Das trank sich also wie eine Jahrgangslimo und in diesem Sinne ist Horst Evers die Mirinda unter den deutschen Kolumnisten.

Carl Christian Elze:  Aufzeichnungen eines albernen Menschen. Dazu hier eine schöne Rezension. Das gefiel mir sehr, das ist wunderbar schräg bis grotesk, dabei in einem betont nüchternen, geraden Ton verfasst. Wenn der Herr hier mal liest – da gehe ich auf jeden Fall in.
Der Titel sprach mich an.

Hans Christian Andersen: Märchen. Das habe ich gelesen, weil ein Kind auf meinem Arm eingeschlafen war und ich das Handy nur noch halbwegs bedienen konnte, daher kam ich im Verzeichnis der Autoren in der Ebookbibliothek nur bis A. Die Märchen von Andersen habe ich seit der Jugend nicht mehr gelesen. Ich finde sie immer noch sprachlich wunderbar eingängig, besser kann der Ton für so etwas kaum getroffen werden. Und was für schöne Geschichten. Immer wieder hatte ich beim Lesen seltsam bunte Erinnerungsfetzen an die Illustrationen der Ausgabe, die ich früher mal besessen habe. Als würde man bei einer Kamera oder bei einem Beamer am Fokusring spielen und ganz schnell drehen, man sieht das Bild unscharf, unschärfer, schärfer, halt, scharf! – und da hat man aber schon weiter gedreht, ohne das Bild recht gesehen zu haben. Ich kann mich nicht richtig erinnern,werde aber das Gefühl nicht los, mein Unterbewusstsein weiß es ganz genau. Wenn ich nicht hindenke, dann weiß ein Teil von mir doch, wie die Bilder aussahen, ich merke das. Wenn ich aber darüber nachdenke, fällt mir nichts ein. Das Gehirn ist eine komische Sache.

Hans-Ulrich Treichel: Frühe Störung. Ich bin ja ein großer Fan von Herrn Treichel, von dem man meiner Meinung nach alles lesen sollte, auch die Lyrik, auch die Vorlesungen. Dieser Roman ist von den Feuilletons ordentlich vermöbelt worden, z.B. weil der Herr Treichel so monothematisch schreibt, das kann ich ihm allerdings nicht übel nehmen, ich verstehe das ganz gut. Und weil der Held des Buches kein Held ist, sondern eine eher jämmerliche Figur, das scheint nicht statthaft zu sein, da darf man sich kurz über die Kritiken wundern. Ich-Erzähler müssen wohl strahlen, glänzen und siegen? Sympathisch sein? Bitte was? Humor wird Treichel allenthalben attestiert, das immerhin. Wobei er kein Humorist ist, sondern ein sehr ernster Humorinhaber, das ist etwas anderes und erzsympathisch ist es auch. Mir gefällt das erste Drittel des Buches, weiter bin ich noch nicht. Ein Mann wird die Stimme seiner Mutter nicht los, hat sie dauernd im Ohr und lässt sich deswegen therapieren. Denkt beim Therapeuten darüber nach, ob es eigentlich besser ist, ein schwerer oder ein leichter Fall zu sein, beides hat immerhin Vorteile und Nachteile, und ich könnte dieser Art des Nachdenkens seitenlang folgen, andere scheint das eher zu irritieren. Das Gute ist, dass man dieser Art des Nachdenkens im Buch tatsächlich seitenlang folgen kann. Und das mache ich dann auch.

Vorgelesen

Gecko. Es ist überhaupt eine Schande, dass ich Gecko noch nie hier erwähnt habe, Gecko ist nämlich eine tolle Sache und bei uns seit Jahren im Einsatz. Eine werbefreie Bilderbuchzeitschrift, die Kinder von vier bis etwa sieben Jahren anspricht. Hier die Seite des Magazins. Das ist bei den Söhnen sehr beliebt und die ausgelesenen Ausgaben werden nicht schlecht, die kann man immer wieder hervorkramen und noch einmal lesen.
Gecko-Beispiel

Gecko-Abo

Gecko

 

Dimiter Inkiow: Ich und meine Schwester Klara: Die schönsten Geschichten zum Vorlesen. Mit Bildern von Traudl und Walter Reiner.  Das kannte ich gar nicht, das scheint aber sonst jeder zu kennen.  Kindgerecht groteske Geschichten in der richtigen Länge für die Bettkante und vor allem Geschichten die, das ist wirklich selten, für Sohn I und auch für Sohn II passend sind und auch tatsächlich beiden gefallen. Halleluja.

Gesehen

“Petterson und Findus”. Die Kinopremiere von Sohn II, er fand den Film sehr gut. Für Kinoeinsteiger gut geeignet, da sehr ruhig. Wirklich ruhig. Himmel, ist das ruhig. So ruhig, dass man als Begleitvater prima zwischendurch die Augen zumachen kann.

Gespielt

Mau Mau. Also die Steigerung von Uno, jetzt endlich ein Spiel mit richtigen Karten ohne alberne Tierbilder darauf. Und ich musste doch tatsächlich die Regeln nachlesen.

Tollabox. Eine Test-Tollabox wurde mir freundlicherweise von der Firma zugesandt, die haben wir uns dann an unseren Zwischenstopp-Tagen in Hamburg näher angesehen. Genau genommen haben wir sie uns exakt einen Vormittag lang angesehen, mehr Zeit war gar nicht. Das hat aber ausgereicht, um die Kinder zu begeistern, die fanden den Inhalt ziemlich super. Sie haben mit dem Inhalt Eis gemacht und Spiele gespielt und eine CD gehört und ich weiß gar nicht mehr, was sie alles gemacht haben, aber sie waren damit schwer beschäftigt und so soll es ja auch sein. Charmant ist natürlich das Unerwartete, in einer Tollabox sind eben Dinge, die man nicht ausgesucht hat. Und diese Dinge kann man so verwenden, wie es der Beipackzettel vorschlägt, man kann also etwa die Wackelaugen auf beliebiges Obst oder Gemüse kleben, siehe Bildbeweis.

Mangos sehen dich an

Man kann aber auch noch kreativer werden und die Wackelaugen auf Familienfotos kleben, das steigert den Spaß dann noch einmal beträchtlich. Ich fand den Inhalt gut gemacht, gut ausgesucht und auch gut aufbereitet, das hat bei mir und den Jungs einen hervorragenden Eindruck hinterlassen. Zumal man die Freude, ein Paket zu bekommen, nicht unterschätzen darf, die Sachen in dem Paket sind automatisch erst einmal mehr wert als andere Spielsachen. Weil sie Post für die Jungs waren, weil sie ein Paket aufmachen konnten. Das ist banal, aber vollkommen verlässlich, das klappt übrigens auch, siehe oben, bei der Gecko.

Gehört

George Ezra. Ein junger Sänger, dessen Jugend man nicht hört: “Budapest”. Feine Landstraßenmusik.  Aber auch schlimmster Ohrwurm des Monats. Wenn ich den noch einmal anmache, die Familie wirft mich vermutlich raus.

Nicola Conte. Der macht loungiges Zeug mit Retrodeko, das kann man hervorragend nebenbei hören, besonders wenn es draußen glaubwürdig nach Sommer aussieht.

Sowohl George Ezra als auch Nicola Conte waren übrigens Tipps aus dem Kulturspiegel. Ungefähr einmal im Jahr kaufe ich mir einen gedruckten Spiegel um zu sehen, ob es am Ende doch wieder ein lesbares Magazin geworden ist. Aber kein Gedanke, diese beiden Tipps waren das einzige, was ich interessant fand. Es gab mal Zeiten, da habe ich den Spiegel von vorne bis hinten gelesen. Das muss mittlerweile aber schon sehr, sehr damals sein.

 

Zwischenstopp in Hamburg

Bevor wir von Nordostwestfalen nach Eiderstedt weitergefahren sind, waren wir ein paar Tage in Hamburg. Das ist immer riskant, weil man natürlich in Versuchung kommt, doch wie gewohnt zu arbeiten, sich in der Wohnung festzuwühlen oder sonstwie im Alltag zu versumpfen, aber wir haben die Gefahren recht souverän umschifft. Allmählich lernt man doch aus den Vorjahren.

Weil Ferien sind, konnte mich Sohn I bei meiner mehr oder weniger gejoggten Alsterrunde begleiten, wobei er allerdings nicht gelaufen, sondern auf dem Fahrrad gefahren ist. Mit kritischem Blick auf den keuchenden Vater, mal etwas voraus fahrend, mal etwas zurückbleibend, mal in Achten um mich herum, man kennt das von jungen Hunden. Nach einem Kilometer wollte er wissen, ob mich beim Joggen schon einmal Igel überholt hätten, es ist nicht immer ganz einfach mit Kindern.

Zwischendurch turnte er ausgiebig auf den Fitnessgeräten und Parkbänken am Alsterufer herum. Er hatte genug Zeit, es war ganz einfach, mich immer wieder einzuholen. Irgendwann sah er auf und über die Alster, turnte dann wieder weiter. Sah dann doch noch einmal hoch und etwas länger hin, als würde ihn etwas irritieren. Und stellte dann etwas fest, was vielen Menschen an der Alster ganz offensichtlich vorkommt – wofür man aber anscheinend erst einmal etwa sechs, sieben Jahre alt werden muss, um überhaupt einen Sinn dafür zu entwickeln: “Papa, das ist schön hier.”

Sohn I vor Alster

Das war sicher eine gute Stelle, um sich erstmalig von einem Landschaftsblick hinreißen zu lassen, gar keine Frage. Wie spannend aber, wo er jetzt zum ersten Mal etwas ausdrücklich hässlich finden wird. Er muss mich doch wieder einmal im Büro besuchen und sich Hammerbrook ansehen. Dann merke ich vermutlich, ob sich das Kind geschmacklich vernünftig entwickelt.

Potts Park

Unbenannt

Der Potts Park ist ein Freizeitpark in Minden, der sich ausdrücklich an kleinere Kinder richtet. Er ist entsprechend unspektakulär ausgestattet, weil man nicht viel braucht, um etwa Dreijährige zu unterhalten, denn dort fängt es etwa an. Bei etwa elf Jahren wird es wohl aufhören, nehme ich an. Mit zwölf Jahren ist man vermutlich zu cool für den Park und geht dann erst wieder hin, wenn man eigene Kinder hat. Die Gerätschaften sind teilweise uralt, der Park ist von 1969, man sieht ihm das Alter auch deutlich an. Klingt negativ?

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Der Park ist ein Paradies für die Söhne, unsere jährlichen Besuche dort ein Höhepunkt des Sommers, gar keine Frage. Man kann sich problemlos einen ganzen Tag amüsieren, man kann sich an die eigene Kindheit erinnern, weil Spielgeräte aus den 70ern heute noch herumstehen, als hätte man sie gestern aufgebaut. Da steht tatsächlich meine Rutsche! Vom Spielplatz nebenan! Man kann zusehen, wie die eigenen Kinder Spaß haben, der genau zu ihrem Alter passst. Man kann alles immer wieder machen, nichts kostet extra. Man kann die Kinder alles machen lassen, die meisten Attraktionen sind auch für kleine Kinder selbständig machbar. Der Potts Park ist ganz entschieden einen Ausflug wert, man muss das mit Kinderaugen sehen, nur dann versteht man es. Vielleicht versteht man es auch nur ganz, wenn die Kinder noch keinen der großen Freizeitparks kennen, das kann ich mir vorstellen. Bei uns ist das so.

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Wir waren an einem Montag da, der Park war leer, wir hatten alles für uns.

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Ich habe viele Fotos gemacht, man kann sie als nostalgisch oder fortgeschritten skurril anmutende Zeugnisse eines seltsam aus der Zeit gefallenen Parks sehen – oder mit den Kinderaugen der Söhne als Erinnerungsbilder an den besten Spielplatz ihrer Kindheit, so viel Lob muss sein.

Man muss auch nicht alles verstehen, was man dort sieht. Stahl? Was?

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Bedienelemente mit einem gewissen Alter.

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Ist aber egal, es funktioniert alles.

Man muss oft selbst Hand anlegen, etwa die Schlauchboote zur Rutsche hochtragen, wie es hier die Herzdame und Sohn II tun. Sehr geile Rutsche, wie man heute sagt.

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Digitale Anzeigen braucht hier kein Mensch.

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Apropos Rutsche:

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Hier gibt es Wunder, die nur noch bei kleinen Kindern Erstaunen hervorrufen.

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Und reelle Unterhaltung. Funktionierte damals, funktioniert heute.

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Alles in einem seltsam antiquierten Design.

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Die Kinder werden sich an einen sehr bunten Park erinnern.

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Die Melancholie leerer Bänke sehen sie natürlich nicht. Egal.

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Woanders – diesmal mit einem Foodblog, Gifs, GPS und anderem

Küche: Manchmal entdeckt man ein Foodblog und staunt dann kurz, wie hübsch so etwas sein kann. Das ging mir gerade bei Tiny Spoon so.

Familie: Das ist wirklich ziemlich albern, aber ich lachte dann doch bei dem Gif Nr. 11.  Nicht direkt nach dem Essen ansehen.

Familie: Ein Artikel über GPS-Tracker für Kinder, eine ebenso abwegig erscheinende wie logische Aufrüstungsmaßnahme für Helikopter-Eltern. Also für nahezu alle Eltern, wenn man es recht bedenkt.

Familie/Reise: Bei der Frau Gminggmangg kann man gerade über etliche Einträge hinweg bei einem etwas anderen Familienurlaub mitlesen. Und das sollte man auch.

Reise: Wo ist das Meer? Ich kann die Situation nachvollziehen, ich wohne in einer deutlich abschüssigen Straße und werde dauernd von Touristen gefragt, ob die Alster da oben oder da unten liegt.

Familie: Das Nuf über Aufzughonks.

Familie: Was man als Vater so erfindet, wenn man genug Kinder hat. Ich würde das kaufen, versteht sich.

Familie: Eine Meldung zum Betreuungsgeld, die niemanden überraschen dürfte.

Gesellschaft: So geht Spaß in Deutschland.

Gesellschaft: Oliver Driesen war auf Borkum.

Feuilleton: Ein Interview mit dem Kinderbuchautor Andreas Steinhöfel.

Feuilleton: In der FAZ wird Helene Fischer erklärt.

Hamburg: Ein Artikel zur Sharing Economy in dieser Stadt.

 

Zum Willem

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Wenn man sich in Nordostwestfalen doch einmal zu einem Ausflug aufraffen kann, dann fährt man z.B. zum Willem, wie man hier sagt. Der Willem ist ein weithin sichtbares Kaiser-Wilhelm-Denkmal im Stil des späten Tschingbumm, eine monumentale Anlage, die man verblüffend weit sehen kann. Das ist auch ihr Hauptzweck.

 
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Das Denkmal steht an den ersten Hängen des Wiehengebirges, das kurz hinter Minden plötzlich aus dem Boden wächst, ohne jede Vorwarnung durch irgendein sanftes Hügelland. Als würde man aus der norddeutschen Tiefebene heraus gegen eine Wand laufen.

Zum Willem kann man mit dem Auto fahren, zu seinen Füßen ist ein Parkplatz. Die Denkmalsgaststätte dort ist schon lange geschlossen, der Kiosk auch, die ganze Anlage rund um den Parkplatz ist nicht gerade einladend, um es noch freundlich auszudrücken. Dennoch werben Tourismusmanager für die Gegend tapfer mit einem Poster des Willems auf dem der Slogan “Endlich… Urlaub” die Überschrift bildet. Nun ja. Auch als Texter muss man eben irgendwas liefern, ich kenne das Problem ganz gut.

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Schilder künden oben den kompletten Umbau der Anlage an, wenn das so durchgezogen wird, dann gibt es dort bald ein ziemlich spektakuläres Ausflugslokal direkt unterm Denkmal, das sehen wir uns dann sicher wieder an. Man hat aber anscheinend gerade erst angefangen, dort herumzubuddeln.

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Kinder finden den Willem ganz interessant, weil man an seinem Podest herumklettern kann – mehr aber auch nicht. Einen Spielplatz oder sonst eine kinderkompatible Einrichtung gibt es nicht. Immerhin stehen auf dem Parkplatz oft ein Eiswagen und eine Wurstbude, das hilft etwas. Der Ausblick in die Tiefebene, bei dem die Erwachsenen unwillkürlich kurz verharren und andächtig Anerkennendes murmeln, der interessiert die Kinder aber nicht ansatzweise. Das fiel mir schon ein paar Mal auf: Kinder haben überhaupt keinen Sinn für diese Ausblick-Sache, da reicht immer eine Sekunde mit der lapidaren Feststellung: “ja, da kann man runtergucken”. Na und? Das ist den Kindern völlig wurscht. Viel spannender ist, ob sie selbst irgendwo raufkönnen.

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Und rauf konnten sie dann auch noch, denn hinterm Denkmal starten mehrere Wanderwege durch den Wald, da geht es für unsere Verhältnisse schon tatsächlich gebirgig zu. Aber dieses total befremdliche Konzept, dass Wege auch bergauf führen können, das müssen wir mit den Söhnen des Flachlandes vor dem Bergurlaub in Tirol im nächsten Jahr noch einmal gründlich besprechen. Ein Kinderstreik nach hundert Metern, weil es noch nicht wieder bergab geht, verhilft einem jedenfalls nicht zu Wanderfreuden, daran ist zu arbeiten.

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Viel weiter als bis zur ersten Schutzhütte konnten wir auf diese Art nicht kommen, dort immerhin fanden wir, liebevoll ins Holz der Sitzbank geritzt, die Vornamen zweier ehemaliger Mitschüler der Herzdame.

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Mit der Jahresangabe von damals und Herzchen, wirklich sehr romantisch. Da standen die Namen so mancher Liebespaare, der Vorname der Herzdame war aber nicht zu finden. Bei dem Schulausflug damals war wohl gerade niemand an Schnitzarbeiten für sie interessiert. Und ich hatte an dem Tag leider kein Messer dabei, sonst hätte ich das selbstverständlich sofort nachgeholt. Auch das wird vorgemerkt, versteht sich.

Aber habe ich überhaupt schon jemals einen Namen irgendwo ins Holz geschnitzt? Ich kann mich nicht erinnern. Ist das schwer? Mir fällt nur ein, dass ich mal zu Schulzeiten mit einem Lötkolben irgendwelche Frühstücksbrettchen bearbeitet habe, das war recht einfach, glaube ich,das konnte sogar ich. Beim nächsten Ausflug zur Schutzhütte nehme ich dann wohl besser einen Lötkolben mit. Immer die effizientere Lösung wählen, versteht sich.