Vielleicht sollte man das Leben nicht so persönlich nehmen

Sondern zur Abwechslung einmal historisch. Das kann nämlich verblüffend lehrreich sein. Ich habe Anfang des Monats hier einen Eintrag zu Büchern von Borchert und Schnurre geschrieben, da ging es auch um das Weiterleben und Weitermachen nach dem Zweiten Weltkrieg. In den Kommentaren empfahl mir Christiane Fröhlich dann ein Buch über die Generationen nach 45 – Anne-Ev Ustorf: „Wir Kinder der Kriegskinder“. Ich habe mir das Buch bestellt und gelesen, es ist ein schmaler Band, das ist man schnell durch.

Ein schmaler Band mit einigen Überraschungen für mich, als Autor, als Angehöriger einer Generation, als Angehöriger einer Familie. Denn es ist ja so, und ich nehme an, ich bin da nicht ganz untypisch: Ich weiß viel über deutsche Geschichte. Ich habe unendliche Mengen an Zeug über das Dritte Reich gelesen, Filme gesehen, auch Augenzeugen gesprochen. Ich weiß auch ziemlich viel über mich, ich habe, haha, sogar Bücher darüber geschrieben. Ich bin therapieerfahren, ich habe nicht eben wenig über mich nachgedacht. Ich habe mich aus immer wieder anderen Anlässen und Perspektiven hinterfragt und durchleuchtet. Genauso, wie es sicher sehr viele für sich annehmen. Natürlich immer mit dem Gefühl, letztlich doch nichts verstanden zu haben, ich bin nicht größenwahnsinnig, aber doch mit dem Gefühl, mir redlich Mühe gegeben zu haben.

Und dann bringt mich so ein Buch doch darauf, dass ich ganz naheliegende Blickwinkel bisher komplett ausgelassen habe. Und zwar nicht generell ausgelassen, aber bezogen auf mich ausgelassen. Erstaunlich. Man ist doch immer dümmer, kurzsichtiger oder nachlässiger als man denkt, auch wenn man sich zwischendurch halbwegs verständig vorkommt, das hat fast schon wieder eine beruhigende Seite.

Es ist eigentlich nur eine winzige Nuance, ob man Geschichte als Geschichte der Deutschen liest, oder Geschichte als die Geschichte meiner Deutschen, aber es macht doch sehr viel aus. Natürlich sind meine Eltern, meine Großeltern und der ganze Rest der Sippe nicht nur die Figuren meiner Familie, die mehr oder weniger skurrilen Hauptpersonen meines Lebensstücks. Natürlich sind sie auch Teilnehmer ganzer Kapitel der Geschichtsbücher und daraus kann man doch ganz leicht ableiten, dass diverse höchst persönliche Erlebnisse vielleicht, wenn man etwas weiter vom Bild wegrückt, gar nicht so persönlich sind. Sondern generationsbedingt, generationstypisch. Das ist wirklich leicht, aber ich stelle einigermaßen verblüfft fest, dass ich das bisher eher wenig gemacht habe. Interessant, wirklich interessant. So ein schlichter Gedanke, wie zum Beispiel dass die Scheidung meiner Eltern vielleicht nicht nur an zwei verschiedenen Persönlichkeiten lag, sondern womöglich in nicht geringem Ausmaß auch an bestimmten Jahreszahlen in ihren Lebensläufen und den Folgen dieser Zahlen – das klingt doch wirklich naheliegend. Eigentlich. Um nur ein Beispiel von vielen zu nennen.

Das Buch richtet sich an die Generation der 55 bis 75 Geborenen, das sind die Menschen, deren Eltern im Zweiten Weltkrieg Kinder waren. Also die Kinder von Eltern, die auf der Flucht waren, die bombardiert wurden, die Täter als Eltern hatten, stramme Nazis, Mitläufer oder Opfer, die Hunger erlebt haben, Erfrierungen, Obdachlosigkeit, Väter in Gefangenschaft  und eine äußerst spezielle Form der Erziehung. Dass diese Erfahrungen an Kindern nicht spurlos vorübergehen, das dürfte naheliegend sein, und dass viele Kinder damals ganz ähnliche Erfahrungen gemacht haben, das dürfte wohl auch klar sein. Entsprechend hatte das auch ähnliche Folgen, teils fatale Folgen, die wiederum Folgen hatten und noch haben und in diesem Buch wie auch in anderer Literatur zum Thema spricht man von immerhin vier Generationen, die von einem Krieg betroffen sind. Das kam mir zunächst sehr hoch gegriffen vor, bis mir einfiel, dass wir, wenn wir im Heimatdorf der Herzdame sind, vier Generationen an einem Tisch sind. Von der aus Schlesien geflüchteten Urgroßmutter bis zu Sohn II, das hängt tatsächlich alles noch zusammen, die kennen sich noch, die wirken noch aufeinander, es stimmt schon.

Für Angehörige der oben genannten Jahrgänge – klare Empfehlung.

Das unten ebenfalls verlinkte Buch von Sabine Bode („Kriegsenkel“) wurde mir auch sehr empfohlen, ich habe es noch nicht gelesen. Nach den Rezensionen, die man online finden kann, lohnt aber auch diese Lektüre.

Wenn man sich dem Thema literarisch nähern möchte, kann ich übrigens zum xten Male die Romane von Hans-Ulrich Treichel empfehlen, der sich an diesem Kontext schon mit einigen Bänden abgearbeitet hat, und dass sehr, sehr lesenswert.

Wir Kinder der Kriegskinder: Die Generation im Schatten des Zweiten Weltkriegs bei Amazon

Kriegsenkel: Die Erben der vergessenen Generation bei Amazon



 

 

24 Kommentare

  1. Oh! Dieses Buch liegt momentan auf meinem Nachttisch, fast durchgelesen, wohlgemerkt. Ich habe es zu Weihnachten meiner Mutter geschenkt (schlesische Wurzeln ebenfalls vorhanden), weil ich der Meinung bin, es ist durchaus auch für Kriegskinder interessant.
    Zu dem Urteil „erstaunlich“, „erhellend“ sind wir, meine Mutter und ich, genauso gekommen.

  2. Das Thema habe ich bisher nur oberflächlich verfolgt, also mit Reinzappen in Fernsehsendungen und Zeitungsartikeln, nicht mit ganzen Büchern.
    Meine Mutter hatte vor Jahren mal erzählt, daß sie gelesen/gehört hat, daß Unruhe und Streß in der Schwangerschaft sich auf den späteren Charakter auswirken können. Und daß dies vielleicht auch die Erklärung für all die Streitereien mit ihrer einen Schwester sein könnte, weil ihre Mutter in dieser Schwangerschaft enorm viel zu ertragen hatte. Ich wollte das damals nicht hören und habe meiner Mutter natürlich widersprochen, weil ich nicht wollte, daß sie recht hat und mir in vielem schlauer vorkam als sie. Nun ist der Einzelfall natürlich nicht durch so eine Theorie zu erklären, aber daß sich so etwas körperlich auswirkt ist momentan ein heißer Trend in der Biologie/Medizin und ist mit dem Begriff Epigenetik verbunden. Der Begriff ist damals bestimmt nicht gefallen, aber da hat meine Mutter wohl doch recht früh etwas interessantes erfahren.

    Wenn ich demnächst mal die richtige Stimmung dafür habe, werde ich mir von meiner Mutter erzählen lassen, was sie erlebt hat. bei meinem Vater gibt es da nicht so viel zu erzählen. Der ist auf einem Bauernhof groß geworden, in einer katholischen Provinz, wo das System wohl nicht so stark war, daß alles umgewälzt wurde, und Hunger hat er nicht gehabt. Kriegshandlungen gab es auch nicht, aber vielleicht unterschätze ich genau das. Zwei große Brüder waren im Krieg , einer kam nicht zurück.
    Meine Mutter hingegen kam aus einem ärmeren Haushalt mit acht Kindern und lebte als Deutsche in Holland. Kurz nach Kriegsende wurde auch ihre Familie vertrieben und mußte nach sehr kurzer Frist ihre Sachen packen. Das letzte Besatzungsjahr war für die Holländer nach meinem (Internet-)Wissen sehr hart, weil sehr viele Lebensmittel ins Reich geschafft wurden. Es sollen 22.000 Menschen verhungert sein. Nach dem Krieg kam sie dann in die Gegend meines Vaters und lernte ihn dort kennen. Ihre Geschichte war jedenfalls nie ein Thema in der Familie. Sie würde sich bestimmt sehr freuen, wenn ich sie mal danach fragen würde, aber daß ich dafür jetzt erst einen Vorsatz fassen muß, zeigt ja, daß mein Verhältnis zu meiner Mutter auch nicht ganz einfach ist. Aber ich werde es wohl tun. Sie sind beide in einem Alter, wo man sich die Dinge, die man wissen will, erfragen sollte, weil die Zeit, die bleibt, sich schon endlich anfühlt.

    Während ich dies schrieb, suche ich kurz nach einem Beleg für meine Vermutung, daß Menschen in Holland im Krieg verhungert sind. Und der Artikel, in dem sich die Zahl fand, befaßt sich mit der Epigenetik und ihren Auswirkungen. Deswegen setze ich das auch noch dazu.

    http://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/radiowissen/mensch-natur-umwelt/epigenetik102.html

    Dieter

  3. Ich würde gern noch zwei Sachen hinzufügen. Erstens sind in Israel die Nachwirkungen des Holocaust bis in die dritte und vierte Generation in zahlreichen Studien nachgewiesen worden. Aus nachvollziehbaren Gründen ist das Trauma der Judenvernichtung dort sehr viel früher in systematischen Untersuchungen in den Blick genommen worden als hier. Inzwischen, auch das eine sehr spannende Entwicklung, gibt es dort Comedy über den deutschen Schuldkomplex und den israelischen Umgang damit – einer meiner Mitbewohner in Jerusalem war Schauspieler und hat so Sachen für’s Fernsehen gemacht, das ist zwar nicht für alle politically correct, aber doch sehr viel entspannter als der in aller Regel verkrampfte, und wenn „lustig“ doch immer erstaunlich emotionslose Umgang mit dem dritten Reich hier. Und zweitens noch eine persönliche Anmerkung und ein Versuch der Erklärung für späte Erkenntnisse: Ich weiß nicht, wie es in Deiner Familie ist, in meiner war und ist es für meine Eltern ein regelrechtes Unding, ihre Kindheit als schwierig darzustellen. Der Krieg war vorbei, da hatte man froh zu sein, egal, wie die Umstände waren. Erst jetzt können sie den Gedanken überhaupt mal zulassen.

  4. Wenn ich mit „Suna“ auf Lesungen bin, ist das immer der Moment, wo das Publikum völlig innehält. Wenn ich diese Generation anspreche und ihren Nicht-Platz in der Familienerzählung, besonders explizit die Gruppe von Menschen, die keine Flucht oder Vertreibung erlebt haben, sondern „nur“ den Krieg in ihrem Zuhause.
    In den Nachkriegserzählungen gibt es diese Kinder schlicht nicht, erst jetzt, wenn sie alt werden, beginnen sie zu erzählen, und ihre Geschichte und ihre Traumata bekommen langsam Raum.
    Inne halten alle, die die eigenen Eltern wiedererkennen, und diejenigen, die zu dieser Generation gehören.
    Sie sind Kinder gewesen, und die Sprachlosigkeit und das planierraupenartige „wir schauen nach vorn“ der 50er-Jahre, mit denen ihre Gefühle negiert und nicht selten schön isoliert wurden (was sich wiederum fatal auf die Nachfolgegeneration auswirkt), das scheint dann fast fühlbar im Raum zu stehen, wenn ich das Thema anspreche.
    Die „Kriegskinder“-Bücher sind nach der Lesung die meist notierten….

  5. Pingback: Kriegskinder | DENKDING
  6. Der Beitrag erinnert mich stark an Sebastian Haffners „Geschichte eines Deutschen“ – auch er differenziert zwischen historischen Ereignissen, die am „eigentlichsten, privatesten Leben der einzelnen Menschen fast unregistriert bleiben“ und Ereignissen, die „ein Erdbeben“ in der ganzen Bevölkerung auslösen und das Leben aller verändern. Über solche Ereignisse erfährt man in Geschichtsbüchern kaum, nur in Biographien – wie der von Haffner: Eindrucksvoll macht er deutlich, wie 1933 alles anders wird. Jeder kämpft mit seinem individuellen Schicksal, hält seine Empfindungen, Ahnungen, Ängste für etwas Eigenes, nur um (Jahre) später in Gesprächen festzustellen, dass all dem ein kollektives Gefühl zugrunde lag, das jeden erfasst hatte, wodurch auf einmal Schicksale einer ganzen Generation einander ähnelten, gelenkt von den selben Ahnungen, Gefühlen, Intentionen, Erfahrungen.

  7. Ja, da ist was dran. Ich bin dankbar für diese Lesetipps! Amazon bekommt dieser Tage eine Menge Geld von meinem Konto. Seltsam dass auch ich darauf noch nicht selbst gekommen bin. Die Tabuisierung der Kriegstraumata meiner Großeltern, Eltern und männlichen Verwandten, die zur eigenen „Gestörtheit“ und der des Partners beigetragen haben, hat sehr lange nachgewirkt.

  8. Ich kenne die beiden Bücher von Sabine Bode und kann sie nur empfehlen. Umgekehrt danke ich für den Tipp mit Frau Fröhlich.

    Ja, und Hans-Ulrich Treichel. Sowieso und immer. Aber auch, weil er insbesondere seit „Der Verlorene“ das Thema immer wieder aufgegriffen hat.

    Frau Ziefle, Ihr Buch ist per Amazon auch schon im Zieleinlauf bei mir.

    Tja, da mussten auch erst mal 50, 60 Jahre ins Land gehen, bis sich auch das Thema in die Sach- und belletristische Literatur vorgearbeitet hat (z.B. auch in Ulla Hahns „Das verborgene Wort“ oder Christoph Heins „Landnahme“).

  9. Auf Grund einer schwierigen Familiensituation beschäftige ich mich schon länger mit dem Thema. Der Großvater ging als sehr junger fröhlicher Mann in den Krieg, warf Bomben auf Europa. Zurück kam ein anderer Mann, der -wie eigentlich alle seiner Generation – dieses Thema nie verarbeitet hat. Sein Trauma wurde das seiner Frau und seiner Kinder, meiner Mutter, geb. 1945. Und sie gab ihren Teil an uns weiter. Verstanden habe ich all diese Zusammenhänge erst nach dem Tod des Großvaters, als er seine Aufzeichnungen und Bilder hinterließ. Diese waren bis dahin unter Verschluss. Das Thema Krieg wurde mit dem großen Schweigen belegt. Jugendliche Fragen nach der großelterlichen Verantwortung in dieser Zeit mit Ohrfeigen beantwortet. Es gibt innerfamiliär viele ungeklärte Fragen zur einigen Themen, die leider nicht mehr beantwortet werden können, weil die Großeltern nicht mehr leben. Auch 2013 wirft die Kriegszeit noch ihre Schatten.

  10. Vor mehr als zehn Jahren hat eine Therapeutin mich darauf aufmerksam gemacht, wieviel Kriegsfolgeschäden noch in meiner Generation (der von Anfang der sechziger Jahre) wirken. Meine Eltern sind beides Kriegskinder, mein Vater ist als junger Jugendlicher, mit 12, mit der vom Vater übertragenen Verantwortung für 5 jüngere Geschwister und seine Mutter aus Ostpreußen ins Ruhrgebiet geflohen und hat auf dem Weg drei seiner Geschwister, verhungert und erfroren, eigenhändig begraben müssen. Seine Angst vor Krieg, Gewaltherrschaft und Flucht hat uns alle tief geprägt. Wir reisen alle vier mit leichtem Gepäck, haben verstärkte Sicherheitsbedürfnisse und fühlen uns selten irgendwo wirklich zu Hause. Das Trauma meiner Mutter, die 1940 geboren ist, erstreckt sich (zum Glück) nur auf Geräusche- sie verlässt bis heute an Silvester nie das Haus, wegen des Geruchs nach Schießpulver und des Lärms. Ich erlebe meine Eltern heute noch als sehr zerrissen zwischen dem Wunsch, dass ihre Kinder es „besser haben sollen“ (und, damit verbunden, dem Wunsch nach Fürsorge und Kümmern, auch heute noch) und der Sorge, dass wir an ihren real erlebten Geschichten scheitern würden, stießen sie uns zu. Dies sind sicherlich Einzelschicksale, die ihre lang wirkende Relevanz nur daher haben, dass sie hunderttausendfach geschahen. Was aber bedeutet es für eine Gesellschaft, wenn eine ganze Generation weitgehend ohne Vater aufwächst? Wieviele Männer, die in den dreißiger und vierziger Jahren aufgewachsen sind, hatten keinerlei Rollenvorbilder für ihre eigenen Väterverantwortlichkeiten? Meine Mutter hat bei meinem Vater bemerkt, dass er mit niemandem von uns „Kindern“ noch viel anfangen konnte, nachdem wir das Alter erreicht hatten, in dem er selbst seinen Vater verloren hatte. Bei seinen Enkeln konnte ich das selbst beobachten, obwohl er viel gelernt hat in den letzten Jahrzehnten. Besonders schrecklich finde ich aber, dass seine Alzheimererkrankung ihn zunehmend in diese furchtbaren Jahre zurückkehren lässt und er immer mehr darin gefangen ist.

  11. Danke für den Beitrag, ein spannenden und relevantes Thema. Ich habe die Bücher nicht gelesen, mich aber – natürlichauch aus gegebenen Anlass – mit dem Thema Angst der Kriegskinder beschäftigt. Die seelische und moralsiche Enge, mit der diese Kinder ihr Trauma im Griff zu halten versuchen, ist Teil unserer Sozialisation, meine ich. Meine Mutter und meine Schwiegermutter sind sich dessen inzwischen bewusst, können aber kaum drüber sprechen. Die Männer der Familie dringen bis zum Bewusstsein ihrer Angst gar nicht vor. Ein Bewusstsein über Spätfolgen von Kriegserlebnissen ändert sicher nichts an ganz individuellen Ausprägungen, Macken, Defiziten und Rollenmustern, aber es hilft doch, diese einzuordnen, Und manches Vergeben fällt vielleicht doch etwas leichter. Also mir. Also mnachmal.

  12. @Dieter: warte mit dem Nachfragen nicht zu lange, niemand, speziell unserer Eltern, werden jünger. Habe selber auch viel zu lange gewartet, mittlerweile hat mein Vater Altersdemenz und kann sich an sehr vieles eben nicht mehr erinnern.
    Aber sei Dir auch bewusst, dass da unter Umständen Emotionen mit hoch kommen, die unerwartet und unerwartet heftig sein können.
    Musste ich eben bei meinem Vater erleben, als er von dem Ju52-Rundflug wiederkam den ich ihm geschenkt hatte. Da hatte ich mich dann auch erst mal nicht zu fragen getraut, hätte es aber vielleicht besser tun sollen …

  13. Sie schreiben, sie sind therapieerfahren. Ich mache zur Zeit eine. Warum? ich arbeite mich an problemen ab, die nicht meine sind. Sie wurden auf mich projiziert. Von der Großmutter zur Mutter zu mir. Meine Großeletern hatten andere Sorgen. Hunger, kein Dach überm Kopf, eine komplett ausgebombte Stadt. Nachkriegszeit eben.
    Die Eltern haben das nie reflektiert, was da alles auf sie projiziert wurde. Abgesehn davon: In der DDR war Psychotherapie etwas Subervives, da sehr Privates. Privatheit war subversiv. Außerdem waren viele der Therapeuten bei der Stasi. Denen wollte man nix von sich erzählen.
    Ergo sitze ich jetzt beim Therapeuten und arbeite Projektionen von zwei Genartationen auf. Ich vermute mal, ohne es gelesen zu haben, die Autoren haben therapeutisches Schreiben praktiziert.

  14. Dazu auch: Maikäfer, flieg, dein Vater ist im Krieg- Seelische Wunden aus der Kriegskindheit v. Peter Heinl, gibts bei Amazon
    Damals eine Empfehlung der Therapeutin. Ich hab es meinen Eltern geliehen und nie wieder bekommen.

  15. Danke für diesen Beitrag.

    Mir fallen beim Lesen – auch der bisherigen Kommentare – ungefähr 20.000 Schuppen von den Augen. Und das in diesen Tagen, die für mich sowieso schon von einer Reihe von zum Teil sehr schmerzhaften, aber im mehrfachen Wortsinne erhellenden Erkenntnissen geprägt sind. Erkenntisse, für die ich tatsächlich wohl erst gestandene 39 2/3 Jahre alt werden mußte…

    … aber wie dem auch sei.

    Danke.

    (Juxtapositions. „… almost like life is dealing you extra hands.“ Das geht offenbar auch außerhalb von New York City. Gut zu wissen.)

  16. Ja, verschlungen, vor ein paar Jahren. Und fast so etwas wie Antworten gefunden auf die Fragen wie: Warum interessieren sich meine Eltern nicht für mein Leben? Wie können sie so egoistisch sein? Wie schaffen sie es, so vieles zu ignorieren? Warum wollte ich nie eigene Kinder?

    Dass meine Eltern mit einen frühen Mangel an Wertschätzung, mit existenzielle Angst über Jahr hinweg und Überleben durch Verdrängen erwachsen geworden sind, hat sie (und mein Erwachsenwerden) gepägt. Ihr Weg und Ziel war: Die-Glückliche-Familie. Jeder Streit, jede Disharmonie und alles außerhalb der Familie wurde und wird ignoriert. Ich bin 49 Jahre alt und nach zwei Stunden Besuch bei den beiden fix und fertig.
    Das Buch hat mir damals geholfen, meine Eltern auch als Opfer zu sehen. Und nicht mehr ganz so wütend und enttäuscht zu sein.

  17. Heute abend an meine Großmutter gedacht, als es bei Freunden Sekt gab. Vielleucht schreibe ich morgen über die kuriose Ordnung, der meine Großmutter das Sekttrinken unterworfen hat. Dann Ihren Text gelesen und auf einmal meine Oma auf der Sofakante sitzen sehen, wie sie da so sitzt, sechs Monate vor ihrem Tod, und auf einmal sagt „Beim Ariernachweis sind wir ja durchgefallen.“. Das Lustige und Grauenhafte zugleich.

  18. Danke für den Buchtipp, der wird in Kürze mit auf Reise gehen. Bin sehr gespannt, inwieweit es das „Opa war kein Nazi“ von Harald Welzer ergänzen kann, das ich ebenfalls mit großem Erkenntniszugewinn gelesen habe. In der Tat ist das Gespräch über die eigene Kindheit sowohl mit der Eltern- als auch der Großelterngeneration geprägt von Missverständnissen, Misstrauen oder schlichtweg vielfach Unverständnis. Bücher wie diese sind heilsam, wenn man sich darauf einlässt, einfach mal die Scheren im Kopf beiseite zu legen und die ganzen Vorurteilsschubladen einfach mal zu zu lassen.

  19. Pingback: Wir Opferkinder | e13.de
  20. Danke für den Tipp zu “Wir Kinder der Kriegskinder”. Aufgeschlagen irgendwo in der Mitte und gedacht: Oh Mist, da komm ich ja auch irgendwie drin vor. Obwohl es natürlich nicht um mich geht. Jede dieser Geschichten ist eine ganz persönliche und doch gibt es immer wieder Gemeinsamkeiten.

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