Was wir nicht verstehen

Ich habe die „Lichtjahre“ von James Salter durchgelesen. Ich hatte das Vergehen der Zeit im Roman bereits erwähnt, und da es um eine Ehe und eine Familie geht, bringt dieses Vergehen der Zeit es mit sich, dass nicht alle Personen lebend auf der letzten Seite des Buches ankommen. Was nicht bemerkenswert wäre, hätte es mich in diesem Fall nicht gerührt. Und das ist eine Gefühlsregung, der ich beim Lesen von Romanen sonst eher nicht zuneige. Ich rechne es dem Salter also hoch an, hier irgendetwas anders als andere gemacht zu haben. Ein außergewöhnliches Bemerknis.

Um halbwegs im Genre, in der Richtung und Stimmung zu bleiben, lese ich gleich den nächsten eher dicken Band, und zwar „Die Interessanten“ von Meg Wolitzer, Deutsch von Werner Löcher-Lawrence. Hier Perlentaucher, hier Wikipedia, und wiederum ist es ein Werk mit einem einladenden Anfang.

Der Sommerurlaub wird allerdings gleich noch etwas dringlicher, wenn ich gerade eine Neigung zu dicken Romanen entwickeln sollte. Schlimm.

***

Zur allgemeinen Aufheiterung habe ich zwischendurch einige Folgen von Kranitz gesehen. Deutscher Komödienstoff ist das, ein Improvisationsformat sogar, und ich habe tatsächlich gelacht und bin nicht vor Fremdscham fast eingegangen. Mehr Lob geht für dergleichen kaum.

***

Wir nähern uns ansonsten der Phase, in der es bei der Jugend im eigenen Haushalt, bei deren Freunden und auch bei deren Eltern nun öfter um die Möglichkeiten nach der Schule geht. Und ich stellte fest, dass eine der Vorhersagen, die mir dazu seit Jahren gemacht worden sind, prompt eintraf. Eine dieser scherzhaften Drohungen meine ich, als nämlich vor einiger Zeit jemand sagte, dass sie, also die Kinder, dann vielleicht irgendetwas studieren oder auf andere Art lernen werden, „was wir nicht einmal verstehen“. Wobei man sich das „wir“ als einen ausgeprägt boomerhaften Kollektivbegriff vorstellen muss.

Eine einfache Definition für Boomer übrigens, abseits von Geburtsjahrgängen, eher am Mindset ausgerichtet, so las ich neulich: Alle, die zum Computer noch Rechner sagen. So stellt es sich aus Sicht der Jüngeren dar, stand da, und ich fühlte mich angesprochen.

Gestern las ich jedenfalls zum ersten Mal ein paar Studiengänge nach, um für den etwaigen Smalltalk mit den Söhnen zum Thema streberhaft gewappnet zu sein, und es stimmt. Es gibt Ausbildungsvarianten, da lese ich die Überschrift und habe keinen Schimmer, was denn damit bloß gemeint sein könnte. Auch bei diesem Thema nämlich fällt man allmählich aus der Zeit.

Oder ist schon längst gefallen und hat es nur nicht gemerkt, weil man sich „am Rechner“ um andere Themen gekümmert hat.

***

Man ist selbst der Freak geworden.“

***

***

Sie können hier Geld in die virtuelle Version des Hutes werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch. Die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

One of those days

Wenn Blogger verschwinden

***

Es gibt neue, nostalgieverstärkende Musik für den Freundeskreis des schönen und beruhigenden Themas „Musikgeschichte und die milden Melodien alter Männer“. Aber kein Spott, ich mag den Inhalt dieser Schublade ausdrücklich und es gehört für mich zu den Maßnahmen der Lebenserleichterung, dergleichen zu hören.

Blixa Bargeld und Nikko Weidemann haben ein Album „Blixa Bargeld sings Bowie“ herausgebracht. Mit englischen und teils auch mit deutschen Texten.

Beispiele wie folgend:

***

Außerdem gehört: Eine kurze Radiosendung über den neu herausgekommenen Briefwechsel Ingeborg Bachmann  – Heinrich Böll. 20 Min.

Ein Zeitzeichen über den Baader-Meinhof-Prozess: Showdown zwischen Staat und RAF.

Und noch ein weiteres Zeitzeichen, über die Nazis auf den Kanalinseln: Die vergessene Besetzung.

***

Ansonsten viel Kümmern und Koordinieren, Küche und Klagen auf hohem Niveau. Die Tage vergehen ob der Fülle an Aufgaben und Themen schnell, aber unbefriedigend und unfrei, siehe dazu auch wieder das Nietzsche-Zitat neulich.

In einer überregionalen Zeitung gibt es einen Artikel über den drogenbedingten Niedergang dieses Stadtteils. Ich sehe nur die Überschrift, der Großteil des Textes liegt hinter einer Paywall, dürfte mich aber inhaltlich kaum überraschen.  Ich bin dauerhaft vor Ort, ich bekomme es mit. Und schön ist es nicht, dies mitzubekommen.

Es ist dann wieder einer der sogenannten Zufälle, dass ausgerechnet an dem Tag, an dem ich auf diesen Artikel stoße, ein Rekord gebrochen wird: Sieben, und zwar nicht auf einen Streich, aber in einer Straße.

Sieben zombiehaft heruntergekommene Drogenopfer kommen mir da auf meinem frühen Morgenspaziergang entgegen, und nur sie, sonst niemand. Alle mindestens leicht irren Blickes, wenn nicht mit einem schon als panisch zu bezeichnenden Ausdruck um die Augen. Als sähen sie nicht mich auf sie zukommen, sondern so etwas wie Mumien, Monstren, Mutationen.

Abgerissene Typen. Taumelnd, zitternd und teils kaum verständlich brabbelnd. Vielleicht fluchend, vielleicht bettelnd, vielleicht irgendetwas oder auch irgendwen weiter oben beschwörend. Ich weiß es nicht, ich kann es nicht verstehen.

Beschwörungen werden es jedenfalls sein, die für viele von ihnen ohne erfreuliches Ergebnis bleiben werden, denn es gibt für eine ungeheuerliche Quote der Drogenopfer keinerlei Rettung. Schon gar nicht, wenn es um Crack geht.

Sie haben sich vermutlich alle gerade erst aus Hauseingängen und aus Gott weiß welchen urbanen und seelischen Abgründen erhoben. Sie ziehen in den Tag, halten sich die schmerzenden, krampfenden Körperteile, brauchen dies und das, und wie dringend sie es brauchen. Sehen mich da auf der ansonsten noch menschenleeren Straße kommen und überlegen womöglich kurz.

Siebenmal Blicke wie in einem Krimi und der eine fasst sich, als ich ihn gerade passiere, auch noch auf diese Art in die Jacke, wie man es tausendmal im Fernsehen gesehen hat. Holt dann aber nur Zigaretten heraus, halb aufgerauchte, aufgesammelte, zerbrochene und geknickte Kippen, deren übler Geruch ihn deutlich umweht.

Es gibt jedenfalls Momente, das wollte ich nur eben sagen, da muss man es schon ziemlich dringend wollen, in diesem Bahnhofsviertel zu wohnen.

Kreideschrift auf dem Pflaster: "Warm anziehen"

***

Sie können hier Geld in die virtuelle Version des Hutes werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch. Die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

Einige Anmerkungen zu blassroten Melonenspuren

Nur mit großer Mühe schreibe ich diese Zeilen. Denn ich muss meine Unterarme dabei etwas albern und gekünstelt in der Luft halten, was vermutlich seltsam spitzfingrig und affektiert aussieht. Ich kann sie beim Tippen aber nicht, wie es für mich normal und auch wünschenswert wäre, auf dem Tisch, nicht einmal auf dessen Kante, ablegen.

Dort würden sie unweigerlich festkleben. Der Küchentisch ist, um ein norddeutsches Wort zu benutzen, das ich allerdings schon immer schrecklich fand, backsig, also klebrig. Dergestalt klebrig ist er, dass die Unterarme sogar ein deutliches und überaus unangenehmes Geräusch machen, wenn ich sie wieder anhebe, nachdem sie eine Weile Tischkontakt hatten. Es ist ein Geräusch, das alles in mir triggert, was nur irgend zum Hausmann neigt, und wenig ist das nun nicht. Es triggert außerdem den Widerhall meiner gut erinnerten Lübecker Großmutter, die beim beiläufigen Gang durch die Wohnungen der Verwandtschaft damals stets feststellte, wo man einmal feucht durchzuwischen habe, um einen ordnungsgemäßen und also wünschenswerten Zustand herzustellen.

Ich habe dazu nur einmal eine Steigerung von ihr gehört, fällt mir gerade ein. Das war, als sie mich in meinem ersten WG-Zimmer besuchte. Welches sich dabei gerade in einem Zustand befand, mit dem man auch die Exzesse gewisser Bands mit Drogenhintergrund hätte bebildern können. Ich war damals der Ansicht, dass das so gehörte, in meinem jugendlichen Alter, es kam mir cool vor. Da stand sie also zwischen den herumkollernden leeren Flaschen, den übervollen Aschenbechern, zwischen dem undefinierbaren Zeug, der gebrauchten Wäsche und den Resten aller Art, die sich frei und wild über den Fußboden verteilten, sie sah sich ruhig um. Und sagte dann nach einer Weile mit Bedacht: „Vielleicht mit einem Kehrblech anfangen.“

Sie war ein betont lösungsorientierter Mensch, wie sich mir erst im Rückblick erschließt.

Aber egal, ich war also gedanklich und in den ersten Zeilen dieses Artikels bei dem Tisch, an dem ich hier sitze. Manchmal kommt man gedanklich ohnehin nicht viel weiter, Sie kennen es vielleicht. Und man muss es auch gar nicht, um für einen Tag genug Text zu haben. Es ist immer genug da, wo man auch hinsieht, und das ist sehr gut so.

Ich hebe langsam einen Fuß an. Auch der Fuß klebt, auch der Boden klebt also. Ich höre wieder ein etwas ekliges, leise schmatzendes Geräusch, während sich meine Haut langsam vom Laminat löst. Und das, was da klebt, es reicht weit. Wie ich jetzt erkennen kann, wenn ich den Boden in einem bestimmten Winkel betrachte.

So etwas passiert, wenn Teenager nachts vollreife Wassermelonen in großen Mengen essen. Was ich auch aus den restlichen Spuren in der Küche, und wenig sind das nicht gerade, absolut sicher schließen kann. Sherlock Holmes nichts dagegen, der Fall kann als gelöst betrachtet werden.

Assoziationen an Wildschweine in der Suhle bieten sich umgehend an. Aber hey, denke ich, um dennoch positiv zu bleiben: Obst, Vitamine, Sommer und Sonnenschein. Außerdem bin ich nicht vollkommen unschuldig, denn ich habe seit Tagen nicht gekocht. Es ist mir zu heiß in der Küche unter dem Dach, um darin am Herd zu stehen. Von irgendetwas aber muss der Mensch in den Hitzemonaten leben, auch und gerade als Heranwachsender.

Wenn ich jetzt anfangen würde, diese blassroten Melonenspuren sämtlich selbst zu beseitigen, es wäre erstens pädagogisch vollkommen wertlos und würde zweitens auch meine Schreibzeit blockieren. Der einzig dafür verfügbare Slot am Tag wäre dann bald verpasst, und da hört es doch wohl auf. Sie wollen schließlich etwas zu lesen haben. Also einige von Ihnen zumindest. Und ich möchte bitte geschrieben haben. Denn so gehört es mittlerweile in mein Selbstbild: Ich möchte meine Tage stets als jemand verbringen, der schon geschrieben hat. Und ich schätze es generell nicht, Dinge anders als sonst zu machen.

In dem hervorragenden Roman, den ich gerade lese, „Lichtjahre“ von James Salter, wird das Vergehen der Zeit durch das Altern des Familienhundes dargestellt. Vom übersüßen Welpen bis zum greisen Tier, grauschnäuzig und halbblind, so geht es langsam und unerbittlich durch die Kapitel. Mit diesem Hund altern die Kinder, die Ehe, die Liebe und auch die Ambitionen der Eltern, ihre Lebensentwürfe. Ebenso verändern sich die Gegend und die gesamte Stimmung des Buches. Sehr gekonnt wird es eingesetzt, dieses Hilfsmittel der Zeitvermittlung. Gar nicht aufdringlich, eher dezent.

Man könnte als Autor, überlege ich, aber umgekehrt auch das Dauerhafte am Familienleben, das gefühlt ewig Gleichbleibende und die endlosen Wiederholungen der Alltäglichkeiten als Leitmotiv durch sämtliche Kapitel darstellen. Man könnte dieses Beständige etwa durch Variationen der Klebrigkeit in die Passagen und Szenen einfügen, denke ich mir.

Und zwar über die diversen im Laufe der Jahre flächig verteilten Körperflüssigkeiten hinweg. Unter Beachtung all der zerspeichelten Breizubereitungen aus der Kleinkindzeit, dazu noch mit Erwähnungen von zertretenen und verstreuten Kindergeburtstagskuchenresten. Mit den heimlichen und längst untrennbar mit dem Stoff verbundenen Bettschokoladen. Auch mit den unzähligen vergossenen Limonaden und dem auf jedem Quadratmeter der Wohnung in jedem Sommermonat immer wieder vertropften Eis aus Waffeln und Bechern. Mit den vergessenen Bonbons in den Hosen- und Jackentaschen und den ungeschickt versteckten Lollis unter Kissen und Decken. Mit den nachlässig und nur vermeintlich kurz geparkten Kaugummiresten unter Tischen und Stühlen. Und mit diesen so schwer zu deutenden Unaussprechlichkeiten in den leergeräumten Ranzen nach jeglichen Ferien.

Quer durch sämtliche in Frage kommenden Untergruppen von Lebensmitteln, es sind nicht eben wenige. Bis hin zu den erst am Ende der Jugendzeit auftretenden Pfützen von alkoholhaltigen Mixgetränken der zuckersüßen und bunten Art:

Klebejahre.

Na ja. Vielleicht ist es auch ganz okay, dass ich keine Familienromane schreibe.

Die Boxen mit den Kleinpreissüßigkeiten in einem Kiosk

***

Sie können hier Geld in die virtuelle Version des Hutes werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch. Die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

Montag, unfrei

Frau Novemberregen macht etwas, das ich ebenso korrekt wie nachahmenswert finde. Zwar komme ich gerade nicht zur Nachahmung, nicht einmal ansatzweise, aber loben und preisen und sich ebenfalls vornehmen kann man es ja dennoch, was sie da macht, nämlich das Lesen von Primärquellen. Etwa hier gerade erwähnt im Zusammenhang mit dem Sudhoff-Bericht, also mit der Masken-Affäre.

Schön fand ich aber auch ihre Bemerknisse in Sachen Lanz und Kerner, mit äußerst wohlwollender Schlussfolgerung. Ich lachte.

***

Ich habe außerdem gemerkt, dass Walther Ziegler einige seiner Vorträge auf Youtube hat. Ein praktisches Format, das man gut in den Alltag einbauen kann. Eine Stunde schafft man vielleicht hier und da.

Ich sehe mir die Folge über Nietzsche sogar zweimal an, ich denke dann allerdings, ich sollte vielleicht auch mal Nietzsche lesen. Von wegen Primärquellen, siehe oben. Aber das, so steht wieder zu befürchten, wird dann mehrere Stunden verlangen.

“… denn wer von seinem Tage nicht zwei Drittel für sich hat, ist ein Sklave, er sei übrigens, wer er wolle: Staatsmann, Kaufmann, Beamter, Gelehrter.“

So schrieb Nietzsche und meinte uns. Man fühlt sich gleich noch etwas unfreier, wenn man dieses Zitat von ihm erst verinnerlicht hat. Wir sind damit erneut bei der bewährten alten Regel: Kein Tag ohne Demütigung.

Davon abgesehen gab es am Wochenende den Schlagermove in Hamburg, es war im Zentrum ein wenig belästigend. Mit Hunderttausenden von, ich schreibe es nach empirischer Erkundung rund um den Hauptbahnhof, sturzbesoffenen Gästen. Die Veranstaltung wird, falls Sie erneut das Verrinnen der Zeit spüren möchten, seit nun 28 Jahren aufgeführt, und der allmähliche Wandel des Publikums über die Jahre wäre eine soziologische Untersuchung wert, mit zahlreichen Belegen und Bildbeweisen.

Denn dass da massenhaft Tagestouristen im Rentenalter oder kurz davor in neonbunten, aus dem Versandhandel bestellten Plastikkostümen anrollen und schon mit deutlicher Schlagseite aus dem Zug steigen, der sie in die große Stadt und zum riesigen Fest brachte, das war nicht immer so. Dass sie sich, ein längst warmgewordenes Piccolöchen oder eine Bierdose aus dem Zug noch in der winkenden Hand, den grölenden, singenden Massen anschließen und dann vermutlich nur noch ein, zwei Stunden bei halbwegs nachweisbarer Zurechnungsfähigkeit vor sich haben, das war auch nicht immer so.

Also zumindest nicht in diesem Ausmaß. Es ist doch ein Wandel hin zum noch entschlosseneren Trinken eingetreten.

Zeiten, Sitten, dies und das.

Ein Aufkleber an einem Laternenmast: Suff statt SUV

***

Sie können hier Geld in die virtuelle Version des Hutes werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch. Die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

 

Schnitzler, Ernaux, Stendhal, Rühmkorf

Gehört: Ein sehr kurzes Hörbuch habe ich angefangen, nachdem ich Schnitzlers Traumnovelle unwillig fast vorgespult hätte, da sie mir zu lang wurde und ich das Erwartbare diesmal wider Erwarten nicht genießen konnte.  Nicht alle Bücher eignen sich also für den wiederholten Genuss.

Aber egal, es ist immerhin interessant festzustellen, welche da für einen in Betracht kommen. Welche auf diese Art als literarische Heimat gelten können. Herr Fontane ist bei mir etwa auf diese Art von Dauer, dito Joseph Roth oder Eduard von Keyserling. Deren Werke gehen problemlos mehrfach. Auch die eher allgemein ungeliebten Bücher von ihnen, siehe Effi Briest, um nur ein Beispiel zu nennen. Ich könnte schon wieder, merke ich beim Notieren, denn schon der Anfang von Effi Briest etwa, er ist sehr gut. Man hat es nur damals in der Schule nicht verstanden.

Mit dem Stechlin könnte und möchte ich alt werden, mit den in seinen Büchern so dekorativ aussterbenden baltischen Baronessen des von Keyserling auch. Für mich sind es therapeutisch wirksame Werke. Beruhigend und kullturell erdend, ohne dabei sedierend zu sein.

Angefangen habe ich danach ein Buch, kaum hat es allerdings Buchlänge, einer modernen Frau, Annie Ernaux. Von der es etliche Hörbücher gibt, fast durch die Bank sind sie eher kurz, das ist zwischendurch auch willkommen. „Der junge Mann“ hörte ich, übersetzt von Sonja Finck, gelesen von Maren Kroymann. Es geht um die Liebe einer älteren Frau zu einem deutlich, also sichtlich jüngeren Mann. Nur in wenigen Sätzen übrigens geht es dabei um den Vergleich mit älteren Männern und jungen Frauen. Vielleicht weil sich dieser Vergleich allzu sehr, allzu platt anbietet.

Beim Deutschlandfunk fand ich eine Rezension dazu. Das Hörbuch bekam ich diesmal über die App der öffentlichen Bibliotheken, die man gar nicht genug loben kann. Das Büchlein beginnt mit dem Satz: „Wenn ich die Dinge nicht aufschreibe, sind sie nicht zu ihrem Ende gekommen, sondern wurden nur erlebt.“ Als Daily-Blogger hört man es und nickt dabei überaus verständnisinnig.

Dieses Buch reicht allerdings nicht einmal für einen Abendspaziergang, man muss dann schon wieder weitersehen. Weswegen ich noch bei Stendhal landete. In der ARD-Audiothek gibt es ein mir bisher unbekanntes Werk: „Das Leben des Henri Brulard –  Erinnerungen eines Ichmenschen“. Deutsch von Friedrich von Oppeln-Bronikowski, was ein wenig wie ein Name aus einem Fontane-Roman klingt, gelesen von Hans Helmut Dickow.

Beim Lesen des Buchtitels muss ich fast zwanghaft das zitieren, was hier sicher mindestens einmal im Jahr im Blog vorkommt. Nämlich die folgende Stelle aus einem meiner liebsten Rühmkorf-Gedichte, „Phönix voran“: „Wenn ich mal richtig ICH sag, wie viele da wohl noch mitreden können?

Das einzige Gedicht übrigens, das ich jemals irgendwo öffentlich vorgetragen habe. So etwas merkt man sich. Ich finde es mit jedem Jahr besser, falls Sie es aber versehentlich noch nicht kennen und auch in diesem Blog nicht schon fünfmal gesehen, gehört oder gelesen haben, es gibt eine Aufnahme von ihm:

Die Rühmkorf-Bände mit den sämtlichen Gedichten auch mal wieder in die Hand nehmen. Der repetitive Genuss, ja, ja.

Im Bild das inhaltlich halbwegs passende Firmament von Stephan Huber und Raimund Kummer. Kunst im öffentlichen Raum, in diesem Fall im U-Bahntunnel.

Das Firmament-Kunstwerk im U-Bahntunnel, Beschreibung siehe Link.

***

Sie können hier Geld in die virtuelle Version des Hutes werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch. Die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

 

Wie eine Figur von

Ein Bild sei noch nachgereicht, ein Bild aus den Hitzetagen. Als ich an einem dieser Nachmittage doch einmal draußen war, bei, was weiß ich, 65 Grad oder so. Also gefühlt jedenfalls war es so warm, und ich ging überhaupt nur vor die Tür, um etwas für die Herzdame zu besorgen. Denn es treibt uns bekanntlich zu Taten, das Gentlemanhafte, an die wir ohne Ladies nie denken würden.

Da kam mir jedenfalls in einer ruhigen Nebenstraße – in einer immerhin ruhigen Nebenstraße, was aus Gründen, die gleich einleuchten werden, betont werden muss – ein Radfahrer entgegen. Auf einem Herrenrad, das entweder nur alt oder schon vintage war, ich kenne mich da nicht aus. Formell bürotauglich angezogen war der Mann, bei der Hitze recht auffällig. Der Anblick erinnerte mich vage an jemanden, ich kam zunächst aber nicht darauf, an wen. Stunden später fiel es mir erst ein. Die Erinnerung bezog sich auf die Anfangssequenz eines Videos von Max Raabe, den ich doch gerade erst hier gehabt hatte. So hängt also wieder alles zusammen, es ist sehr schön.

Siehe unten.

Der Mann jedenfalls fuhr nicht nur Fahrrad, er sah dabei auch auf einen Bildschirm und tippte. Was noch nicht ungewöhnlich wäre. Smartphones etwa benutzen hier sämtliche Verkehrsteilnehmerinnen längst vollkommen enthemmt und in absolut allen Fahrsituationen, da es niemanden mehr gibt, der ein Verbot durchsetzen würde.

Dieser Mann vor mir allerdings tippte auf einem Notebook, und das hatte ich bis dahin so noch nicht gesehen. Freihändig musste er dafür fahren, und das aufgeklappe Notebook auf der linken Hand balancieren, während er mit der rechten Hand tippte. Konzentriert wirkte er, und da die Straße verkehrsarm war, wenn auch nicht verkehrsfrei, fühlte er sich auch nicht genötigt, allzu oft hochzusehen und die Lage um ihn herum zu prüfen.

Vielleicht ein Fall von Home-Office mit belebendem Fahrtwind. Vielleicht auch ein weiterer Dachgeschossbewohner mit Neigung zu Verzweiflungstaten. Oder mit bereits zerschmolzenem Gehirn und nur noch bedingt zurechnungsfähig. Womöglich hätte ich kumpelhaftes Verständnis haben sollen.

Daran dachte ich aber nicht. Ich war vielmehr spontan und fasziniert damit beschäftigt, über erzählerische Mittel in diversen Medien nachzudenken. Wie man diese kurze Szene, nur eben diesen Mann auf dem Rad, mit dem stark StVO-widrigen Verhalten, einmal so hätte darstellen können, dass ihn jede zur Symbolfigur gewordene Karen oder auch jeder krückstockfuchtelnde Nörgelrentner keifend und pöbelnd am liebsten vom Rad gestoßen hätte. Man hätte es leicht so schildern können, dass man diese Aggression als Zuschauerin, Leserin, Hörerin verstanden hätte, kopfschüttelnd und knurrend ob all der eskalierenden Entgleisungen auf den Straßen und überhaupt in der Welt. Entropie und Empörung, Sie kennen das.

Wie man es andererseits, und das ist grundsätzlicher, als Sie vielleicht zunächst vermuten wollen, so hätte darstellen können, siehe auch Max Raabe, dass dieser Mann ein liebenswerter Sonderling in unserer Wahrnehmung geworden wäre. Ein Kauz, wie man früher einmal gesagt hat, eine Komödienrolle. Ein liebenswerter Sonderling, Hauptsympath des Filmabends.

Was wäre, so kann man sich bei vermutlich vielen menschlichen Ärgernissen, die man ohne viel Kontext geliefert oder eher vorgeworfen bekommt, fragen, wenn Heinz Rühmann diesen seltsamen Typen spielen würde. Wenn Maggie Smith diese verrückte Alte wäre. Wenn es sich um eine Szene aus einer Geschichte von (hier Lieblingsautorinnen mit eher heiteren Werken einsetzen) handeln würde.

Ich habe mich also nicht weiter mit meiner Wertung befasst, ich habe nur fasziniert hingesehen und mir einige Notizen gemacht, zur späteren Verwendung. Wie eine dieser Figuren von … Na, von wem auch immer.

***

Sie können hier Geld in die virtuelle Version des Hutes werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch. Die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

Summer Nights

Falls Sie sich auch für Musikgeschichte interessieren, und zwar mehr für den nicht als klassisch bezeichneten Teil, mir lief gestern bei der Suche nach dem Song von Townes van Zandts das Blog von Michael Miller über den Weg. In welchem jeden Tag ein alter Song vorgestellt wird, mit den historical facts, Videos etc.

Ich lese darin etwas rückwärts. Was ich vermutlich auch noch länger machen werde, und ich stoße auf den nächsten passenden Song zu den Sommernächten. Zu diesen Nächten also, die wir gerade haben. Und die wir in den Nachrichten nun Tropennächte nennen und nicht mehr ganz so arglos verleben können.

Kreideschrift auf dem Pflaster: Frei Knutschen

Ein faszinierendes Stück Geschichte, auch dieser Clip. Eine feine Huldigung an pastellfarbene Strickwaren und schwarze Lederjacken. Mit einer Leichtigkeit in Bezug auf die Betrachtung des Themas vermittelt, die mir mittlerweile tendenziell abgeht.

To say the least.

Und apropos Olivia Newton-John, noch einmal eine Wiederholung für neuere Leserinnen, die nicht alles hier schon kennen. Aus der Reihe Lieblingsvideos diesmal der Jamming-Clip mit Andy Gibb, den Damen und Herren von ABBA und indirekt sogar mit einer Würdigung Brian Wilsons, wie passend. Zu und zu schön, die Szene.

Wenn dieses Video die Laune nicht hebt, spätestens bei der Frage „Do you have any musical brothers or sisters, Andy?“, dann hilft womöglich gar nichts mehr.

Oder, wie in den Kommentaren drüben jemand schreibt: “I feel like my spirit is cleaning from something.”

***

Nebenbei stelle ich mit nur milder Irritation fest, dass feierliche, philosophische, wehmütige oder auch entschlussfreudige Gedanken zum sich nun abspulenden zweiten Halbjahr bei mir diesmal komplett ausbleiben, das lief früher anders in mir ab.

Tomorrow is another day, und gleich ist eh schon das nächste Halbjahr und eine Zahl wird erneut weiterdrehen, man muss vielleicht nicht lange darüber nachdenken. Oder, das mag sein, dieses Aufladen der Jahre, Halbjahre, Monate oder Jahreszeiten mit Bedeutung und Pathos legt sich auch irgendwann im Leben. Wie so vieles.

Siehe dazu auch „Silvester verschlafen“, womit ich ebenfalls kein Problem mehr habe. Eine eher entspannende Entwicklung.

***

Sie können hier Geld in die virtuelle Version des Hutes werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch. Die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

Die Möglichkeit der Meere

In den Calls im Brotberuf merke ich an manchen Hitzetagen, wie vorteilhaft es sein kann, in einer großen Firma zu arbeiten. Man spricht mit Kolleginnen, die Gott weiß wo im Home-Office oder in irgendeinem Bürogebäude sitzen, und immer ist es irgendwo heißer als bei einem selbst. Also noch heißer, viel heißer! Oder aber die Welt geht dort schon unter. Ein Unwetter tobt bereits, Starkregen, Hagel, Sturm und alles. Und man hört im Hintergrund des Gesprächs einen Vorgeschmack auf das, was hier erst in mehreren Stunden ankommen wird.

Die relative Home-Office-Hitze also. Man hat immer nur begrenzt Grund, laut herumzujammern und Gradzahlen zu nennen. Irgendwer meldet garantiert höhere Werte, irgendwer leidet auch sichtbarer und mehr oder ist sogar bereits Opfer geworden, abgemeldet ohne Kreislauf, dahingesunken.

Immerhin, so denke ich dann, und tröste mich wieder erfolgreich selbst, weil der Rest der Welt auch einfach nicht so gut darin ist, wie ich ab und zu kritisch anmerken muss, immerhin sind wir hier nicht im tiefsten Binnenland. Wo tagelang kein Lüftchen geht. Wo also, wie meine Mutter zu sagen pflegt, die aus dem Rheinland kommt und es also wissen muss, im Sommer alle ersticken.

Dagegen wäre ich immerhin in nur ein, zwei Stunden an einem von zwei Meeren.

Ein Pappschild mit der Aufschrift "Bin gleich zurück" liegt auf dem Boden

Ja, ich habe sogar Auswahl an Meeren, ich muss es leider betonen, denn wie posh ist das denn. Auch wenn irgendwer in den Kommentaren gleich erwartbar meinen wird, die Ostsee abwerten zu müssen, da sie kein richtiges Meer sei usw. … Ich kann so weit hellsehen, aber bitte. Tun Sie sich keinen Zwang an.

Ich müsste jedenfalls nur in unser Auto oder in einen Zug steigen. Sie fahren stündlich oder öfter, diese Züge, es ist Nahverkehr. Genug Entschlusskraft, Spontaneität und Aufrafffähigkeit vorausgesetzt – et voilà, la mer. Pfeifend könnte ich dort aus dem Zug steigen, am Zielort mit dem frischen Wind, und Minuten später den Schiffen winken.

Ich weiß selbstverständlich, dass es in meinem Fall dazu keinesfalls kommen wird. Ich werde nicht in zwei Stunden an einem Strand stehen, mit den Füßen im Nord- oder Ostseewasser, ringelnatzmäßig im Muschelkalk oder im feinen Sand, nein. Heute nicht und morgen nicht.

Aber Sie machen sich vielleicht keinen Begriff, wie ungemein beruhigend und erleichternd man es dennoch finden kann, dass es jederzeit so sein könnte. Selbst wenn man diese Möglichkeit monatelang, jahrelang nicht nutzt, wenn man sie über ganze Lebensphasen nicht einmal mehr ernsthaft in Betracht zieht … die Option beruhigt dennoch.

Und zwar sehr.

***

Davon abgesehen ist es sowohl Summer als auch Thursday, und was haben wir da – genau, noch ein Lied, ein passendes, und zwar von Townes van Zandt. Aus dem Jahr 1969, von seinem zweiten Album „Our mother the mountain“. Der Text so gut, wie es bei ihm nun einmal zu erwarten ist:

If only she

Could feel my pain

But feelin‘ is a burden

She can’t sustain

So like a summer Thursday

I cry for rain

To come and turn

The ground to green again.


***

Sie können hier Geld in die virtuelle Version des Hutes werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch. Die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

 

Wer auch immer

Bevor die Temperaturen auf Rekordhöhen steigen, sehe ich am frühen Morgen ringsum überall die weit aufgerissenen Fenster und Balkontüren. Als würde man in jeder Wohnung noch einmal tief einatmen. Als würden alle Nachbarinnen und Nachbarn die gerade eben noch als kühl zu bezeichnende Morgenluft gierig einziehen. Etwa so, wie ein starker Raucher nach einem Langstreckenflug an der ersten Zigarette vor dem Zielflughafengebäude saugt, so wirkungsdurstig, mit so drängender Lust am Effekt auf die Nerven.

Sauerstoff, auch ein geiles Zeug.

Gegenüber, wo immer noch gerade die Häuser abgerissen werden, damit, wie wahnsinnig originell für diesen Stadtteil, noch ein Hotel gebaut werden kann, steht von einem ganzen Block mittlerweile nur noch eine Wand. Wenn sie die auch noch einreißen, und es kann sich nur noch um Stunden handeln, haben wir aus dem einen Kinderzimmer auf einmal freien Alsterblick. Pardon, aus dem einen Teenagerzimmer. Von Kindern kann hier keine Rede mehr sein.

Ich überlege, ob der Alsterblick die Lage verändert. Vielleicht sollte ich den entsprechenden Sohn eine Weile aus seinem Raum werfen. Ihn bei seinen Kumpels unterkommen lassen, die schlafen immerhin auch oft genug bei uns, und sein Zimmer für Unsummen untervermieten? Mit bestem Blick? Die Beute könnten wir uns immerhin hinterher teilen.

Es wäre eine erzieherische Maßnahme von Wert und Dauer, meinen Sie nicht? Der Jugend das System nahebringen, das ist doch etwas. Die Wirkungsweisen der Wertschöpfung vermitteln, tanz den Kapitalismus. Aber diese dezente Anspielung auf die jüngere deutsche Musikgeschichte im letzten Satz würde er leider auch schon wieder nicht verstehen, wie ich annehmen muss.

Ich finde es manchmal etwas herausfordernd, was da alles von Jüngeren nicht mehr verstanden wird. Eigentlich möchte ich andauernd den Drosten mit seinem so markanten „Bilden Sie sich fort!“ zitieren. Aber das gilt, wie hier ehrlicherweise zu ergänzen ist, nicht nur gegenüber meinen hauseigenen Teenagern. Auch andere jüngere Menschen verstehen meine Anspielungen, meine Pointen und Bezüge nicht oder nur noch teilweise, gucken manchmal ratlos, wenn ich gerade einen nach eigener Einschätzung spitzenmäßigen Scherz gemacht habe. Weil ihnen komplett der Kontext fehlt, den meine Generation irgendwann gelesen, gelernt oder wie auch immer abgespeichert hat. Es geht bis tief runter im Niveau, bis zu alten Werbe-Jingles und den Sprüchen aus eher mäßigen Fernsehserien, Spielshows und dergleichen.

Machen Sie mal etwa den „Risiko!“-Jingle aus dem Großen Preis von damals in einer Runde von Menschen ohne Kenntnis der Sendung nach – die gucken, als würden sie über eine Einweisung nachdenken.

Es hat also mit Bildung nichts zu tun, recht bedacht, der Begriff ist hier falsch. Es ist nur wieder der Zusammenhang mit dem gesamten, so umfangreichen Assoziationsklimbim, der mit jeder Generation unwiederbringlich verschwindet. Die vor uns haben das auch schon erlebt, man sollte es sich ab und zu aufsagen. Die nach uns werden es auch erleben. Immer fair bleiben, auch beim losen Herumdenken.

Und außerdem, so denke ich, gehen sie immerhin zur Schule, diese beiden Teenager. Sie werden dort schon irgendwas lernen.

Irgendetwas anderes eben.

***

Sohn II: „Was ist das hier eigentlich für eine komische Figur, die wie du aussieht?“

Ich: „Das ist die Playmobil-Jubiläumsfigur, die zum 150. Geburtstag von Thomas Mann herausgebracht wurde. Ein Leserinnengeschenk.“

Sohn II: „Geburtstag von wem?“

Ich: „Thomas Mann. Der Schriftsteller. Aus meiner Heimatstadt.“

Sohn II: „Na, wer auch immer.“

***

Der Adolphsplatz hinter dem Rathaus im Weitwinkel

***

Sie können hier Geld in die virtuelle Version des Hutes werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch. Die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

Hip-Hip

Es wird heiß, es wird sogar sehr heiß. Ich sehe am Morgen bei den Glastonbury-Auftritten nach, ob nicht vielleicht ein Clip der Songs zu dieser anstrengenden Wetterlage passt, und ich entscheide mich schließlich für Weezer – Islands in the Sun. Ein lässiges „Hip-Hip …“, um die Kernzeile der überaus komplexen Lyrics zu zitieren.

Ja, das geht auch bei diesen Temperaturen und zumindest zu früher Stunde noch, da kann ich sogar noch dezent mitwippen.

Der Sänger der Gruppe, Rivers Cuomo, ist vier Jahre jünger als ich, und ich überlege etwas länger, wieso mich das eigentlich neuerdings so interessiert. Ich habe doch sonst nicht darauf geachtet, was soll das jetzt wieder. Vielleicht liegt es daran, dass ich auf die Sechzig zugehe?

Es gibt, so las ich neulich irgendwo, deutliche Sprünge im Alterungsprozess des Menschen. Es ist eher kein gleichmäßiger Ablauf, keine erwartbar regelmäßig ansteigende Kurve. Einer dieser Sprünge soll bei der 60 liegen, der andere bei der 45. Also in etwa, versteht sich, so genau berechenbar sind wir auch wieder nicht.

Und zumindest unterbewusst merkt man es vielleicht, denke ich mir, dass einem da gerade etwas Unheimliches geschieht. Und sieht daher ein wenig öfter nach der Vergleichsgruppe. Ja, vielleicht ist es so. Um sich zu orientieren, wo man in diesem Prozess, in diesem Sprung gerade ist, wer alles mit einem springt und in welchem Zustand. Aber wie auch immer.

„Hip-Hip …“ Ein Kritiker nannte den Song, so lese ich, „… so entspannt, dass es praktisch katatonisch ist“ (Quelle). Wenn das nicht gut passt, an Tagen wie diesen.

***

Ansonsten schreibe ich am Morgen für die Regionalzeitung meiner Heimatstadt eine Sonntagskolumne, in der ich mich – heiterer, unberechenbarer Freigeist, der ich nun einmal bin – über die in Routinen erstarrten, öden Alltagsabläufe meiner Altersgruppe lustig mache.

Dann schicke ich den Text ab, auf die Minute pünktlich wie immer.

***

Gehört: Ein Zeitzeichen über Don Quijote. Ich hatte hier übrigens, fällt mir dabei noch ein, das Buch „Cervantes“ von Bruno Frank empfohlen, das möchte ich der Gelegenheit erneuern. Besonders das Hörbuch, gelesen von Ulrich Noethen. Es war eine gute Sache, auch im Rückblick und mit etwas zeitlichem Abstand.

Währenddessen höre ich weiter den Schnitzler, seine Traumnovelle. Und da ab und zu neue Leserinnen hier mitlesen, wiederhole ich auch noch das Video, welches ich vor Jahren schon einmal gezeigt habe, nämlich die Filmaufnahme vom Schnitzler. Gucken Sie mal, so sah er aus, so lief er herum:


***

Leere Stühle und Tische in der Außengastro am Neuen Wall, im Hintergrund das Rathaus

***

Sie können hier Geld in die virtuelle Version des Hutes werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch. Die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.