Marx, Mann

In der Hamburger Innenstadt gibt es erfreulich viele Plaketten, Inschriften und Gedenktafeln an Häusern und Wänden. Immer noch, nach all den Jahren des Intensivflanierens, entdecke ich neue Exemplare dieser Hinweise. So sah ich gerade erst den Hinweis an einem Haus, dass dort einmal der Verlag war, in dem der erste Band des Kapitals von Karl Marx erschien. 1867 war das, Otto Meissner war der Verleger. Der Verlag war sogar noch bis in die Gegenwart existent, lese ich nach. Er wohnte hier um die Ecke, der historische Herr Meisner. Auch an seinem ehemaligen Wohnhaus im kleinen Bahnhofsviertel ist natürlich so eine Gedenktafel.

In dem Haus, vor dem ich dort in der Innenstadt nahe des Jungfernstiegs stand, in der Bergstraße, ist längst kein Verlag mehr. Normale Innenstadtgeschäfte findet man nun dort, wie man sie in jedem Zentrum ab mittlerer Stadtgröße erwarten kann, und an den Schaufenstern sieht man gerade große Aufkleber: „Alles muss raus!“ Dazu großgedruckte und fröhlich bunte Prozentwerte, welche die möglichen Rabatte für die Kundschaft angeben.

Die Ironie der Geschichte kommt manchmal nicht eben subtil daher. Aber man hat es in diesem Gebäude jedenfalls immer noch mit dem Kapital und seinen seltsamen Gesetzen zu tun.

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Kaum bin ich mit dem Felix Krull in der ARD-Audiothek durch, legen sie dort den Tod in Venedig nach. Als ob man dafür Zeit hätte. Allerdings wird er verlockenderweise vorgelesen von Matthias Brandt, wozu ich kaum nein sagen kann.

Auch wenn ich gerade gar keinen weiteren Thomas Mann im Sinn hatte. Der bei mir ohnehin ein schwieriges, heikles Thema ist, denn ich bin, wie viele aus meiner Heimatstadt, früh einer Überdosis seiner Werke ausgesetzt gewesen, ging auch auf seine Schule, saß in seinem Klassenzimmer, hatte eine Weile lang auch den Schulweg aus den Buddenbrooks etc. Weswegen ich bis heute zwischen wohlverdienter Aversion und angebrachter Verwunderung oszilliere. Pardon, Sie merken, man wird den Felix-Krull-Tonfall nur mit einiger Mühe wieder los.

Das Buch ist übrigens eher schlecht gealtert, denke ich, denn die affektierte Wortwahl des Hochstaplers wirkt heute durch die Veränderung der Sprache unschön verstärkt. Ganz so albern, wie es für uns fast unweigerlich klingt, war das Werk dann doch nicht gemeint, glaube ich.

Bei der Lesung in der Audiothek ist das sogar nachweisbar. Thomas Mann liest da live vor Hamburger Publikum („Es muss nicht immer Lübeck sein, Hamburg tut es auch“, sagt er einleitend), und die Leute, Studentinnen und Studenten sind es, lachen gelegentlich wohlwollend – aber selten und an anderen Stellen, als man es bei einer gegenwärtigen Lesung annehmen müsste.

Aber egal. Das mit der übersteigerten Heiterkeit wird sich dann mit dem Tod in Venedig ohnehin  in Kürze erledigen. Was immerhin gerade schön zum Wetter passt.

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Eine wehende Flagge mit dem Hamburger Stadtwappen, von unten fotografiert vor blauem Himmel mit weißgrauen Wolken

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