In den Calls im Brotberuf merke ich an manchen Hitzetagen, wie vorteilhaft es sein kann, in einer großen Firma zu arbeiten. Man spricht mit Kolleginnen, die Gott weiß wo im Home-Office oder in irgendeinem Bürogebäude sitzen, und immer ist es irgendwo heißer als bei einem selbst. Also noch heißer, viel heißer! Oder aber die Welt geht dort schon unter. Ein Unwetter tobt bereits, Starkregen, Hagel, Sturm und alles. Und man hört im Hintergrund des Gesprächs einen Vorgeschmack auf das, was hier erst in mehreren Stunden ankommen wird.
Die relative Home-Office-Hitze also. Man hat immer nur begrenzt Grund, laut herumzujammern und Gradzahlen zu nennen. Irgendwer meldet garantiert höhere Werte, irgendwer leidet auch sichtbarer und mehr oder ist sogar bereits Opfer geworden, abgemeldet ohne Kreislauf, dahingesunken.
Immerhin, so denke ich dann, und tröste mich wieder erfolgreich selbst, weil der Rest der Welt auch einfach nicht so gut darin ist, wie ich ab und zu kritisch anmerken muss, immerhin sind wir hier nicht im tiefsten Binnenland. Wo tagelang kein Lüftchen geht. Wo also, wie meine Mutter zu sagen pflegt, die aus dem Rheinland kommt und es also wissen muss, im Sommer alle ersticken.
Dagegen wäre ich immerhin in nur ein, zwei Stunden an einem von zwei Meeren.
Ja, ich habe sogar Auswahl an Meeren, ich muss es leider betonen, denn wie posh ist das denn. Auch wenn irgendwer in den Kommentaren gleich erwartbar meinen wird, die Ostsee abwerten zu müssen, da sie kein richtiges Meer sei usw. … Ich kann so weit hellsehen, aber bitte. Tun Sie sich keinen Zwang an.
Ich müsste jedenfalls nur in unser Auto oder in einen Zug steigen. Sie fahren stündlich oder öfter, diese Züge, es ist Nahverkehr. Genug Entschlusskraft, Spontaneität und Aufrafffähigkeit vorausgesetzt – et voilà, la mer. Pfeifend könnte ich dort aus dem Zug steigen, am Zielort mit dem frischen Wind, und Minuten später den Schiffen winken.
Ich weiß selbstverständlich, dass es in meinem Fall dazu keinesfalls kommen wird. Ich werde nicht in zwei Stunden an einem Strand stehen, mit den Füßen im Nord- oder Ostseewasser, ringelnatzmäßig im Muschelkalk oder im feinen Sand, nein. Heute nicht und morgen nicht.
Aber Sie machen sich vielleicht keinen Begriff, wie ungemein beruhigend und erleichternd man es dennoch finden kann, dass es jederzeit so sein könnte. Selbst wenn man diese Möglichkeit monatelang, jahrelang nicht nutzt, wenn man sie über ganze Lebensphasen nicht einmal mehr ernsthaft in Betracht zieht … die Option beruhigt dennoch.
Und zwar sehr.
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Davon abgesehen ist es sowohl Summer als auch Thursday, und was haben wir da – genau, noch ein Lied, ein passendes, und zwar von Townes van Zandt. Aus dem Jahr 1969, von seinem zweiten Album „Our mother the mountain“. Der Text so gut, wie es bei ihm nun einmal zu erwarten ist:
If only she
Could feel my pain
But feelin‘ is a burden
She can’t sustain
So like a summer Thursday
I cry for rain
To come and turn
The ground to green again.
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Sie können hier Geld in die virtuelle Version des Hutes werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch. Die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.
Und dennoch …
Wir sollten diese Pläne ab und an in die Tat umsetzen (natürlich NICHT MIT DEM AUTO!). Die Tante und ich hatten diesen Plan. Da der Zug von Hamburg nach Sylt sowieso in Itzehoe hält
Dann war Corona und nun ist die Tante bereits seit zwei Jahren tot.
Ich würde so gern mit ihr in der Sansibar nen Kaffee oder einen IrgendwasSpritz trinken.
Also, wartet nicht zu lange mit Aktivitäten, die ihr jederzeit machen könntet. Alle.
Mein großes Privileg: ich wurde von beiden Meeren sozialisiert. Meine Großmutter stammte aus Neufeld/Dithmarschen und heiratete meinen Großvater. Dieser -ein ehemaliger Marinesoldat auf U-Booten in Norwegen unterwegs – war Kurdirektor von Timmendorf und Niendorf/Ostsee. Sie wohnten im Haus der Kurverwaltung (Sydowstrasse 1). Ich dufte viele Sommerwoch dort als Kind verbringen. Einfach über die, in den 70er Jahren, wenig befahrene Straße schon im Sand an der Ostsee. Der Hafen war auch nicht weit. Die See mit ihren schönen möglichen Farben. Meiner Großmutter reichte ein Blick aus dem Küchenfenster, um mich zu sehen. Der Strandkorbvermieter passte ebenfalls auf. Heute steht auf dem Areal ein Komplex aus Eigentumswohnungen. Gegenüber das Meerwasserhallenbad, in dem ich vor Eröffnung schwimmen lernte. Opa hatte ja die Verfügungsmacht als Kurdirektor.
Von meinen Großeltern und deren Tochter (meine Mutter, die DLRG -Schwimmerin und Taucherin) lernte ich nicht nur die Liebe zu beiden Meeren, sondern auch Respekt vor deren Naturgewalt und gigantischen Kraft zu haben.
Und heute? Auch ich wohne in Hamburg und kann mich oft nicht entscheiden an welches Meer ich fahren möchte. Oft genug fahre ich sodann gar nicht. Aber -in der Tat- ich könnte! Das ist ein beruhigender Gedanke. Stehe ich dann doch an einem Meer, habe ich in letzter Zeit den Wunsch Abbitte zu leisten. Was haben wir Menschen den Meeren angetan und sie haben es klaglos geduldet und vielleicht irgendwie kompensiert. Die Nordsee holt sich alles wieder, höre ich meine Großmutter sagen. Sie sagte es im Kontext der Nordsee abgetrotzten Landflächen. Aber wer weiß, denke ich, vielleicht zeigt die Nordsee uns einmal ihre ganze Kraft im Zusammenspiel mit den anderen Elementen und tut noch ganz andere Dinge. So wie es die Ostsee auch könnte, wenn sie wöllte.
Ich kann aus dem tiefsten Binnenland (nichtmal ein Badesee, meine Güte!) vermelden, dass in diesem Jahr hier oft Windstärken herrschen, bei denen es mir wahrscheinlicher vorkommt, von herabgewehten Objekten erschlagen zu werden, als zu ersticken. Aber ob das tröstlich ist…?
Ich möchte mich an dieser Stelle mal für die immer interessanten, manchmal überraschenden und ausgefallenen, der Mix innerhalb eines Posts manches Mal auch verstörend (nicht dieser Post jetzt) Musikbeiträge / Links bedanken. Manches kenne ich, manches nicht, manches gefällt mir, manches nicht – aber eben – es ist immer interessant und willkommen.
Und summer thursday – nice 🙂
Also Danke.