An einem Wochenendmorgen die schrillen Schreie der ungewöhnlich tief jagenden Mauersegler über dem Spielplatz. Laut ihres Wikipedia-Eintrags rufen sie „sprieh“, „srriü“ oder „sisisisi“. Der letzte Ruf erinnert vielleicht etwas an italienische Sprachkursdialogbeispiele.
Wie immer freue ich mich über diese seltsam schönen Wörter, mit denen die Vogelsprache so kunstvoll dargestellt wird, wundere mich dann aber viel zu lange, wie man denn bloß auf das p in „sprieh“ gekommen sein kann. Ich gehe ans Fenster, ich höre noch einmal hinaus, ich erkenne kein p. Aber was weiß ich schon, am Ende ist mein Ohr nur nicht geschult genug.
Räumlich unter den Mauerseglern, aber geräuschmäßig doch genau gleichauf, ist Flohmarkt auf dem Spielplatz. Eltern verkaufen an improvisierten Ständen oder auf Wolldecken im Sand Spielzeug und Kleidung an andere Eltern. Früher, als die Teenager noch handlich waren und nicht über uns hinweggucken konnten, haben wir das dort auch gemacht. Wir haben all das Zubehör nach und nach rund durch den ganzen Stadtteil getauscht und gehandelt, und manchmal kamen Dinge nach ein, zwei Runden sogar wieder.
Stimmengewirr und das helle Lachen der Kinder. Ein ausgesprochen munteres Lachen, unbeschwert klingt das. So lachen Erwachsene nicht mehr, fällt mir nebenbei auf, oder zumindest nicht so laut und meist nicht ohne Hilfsmittel, siehe dazu etwa Aperol und anderes auf den Tischen vor den Lokalen ein paar Meter weiter, gleich hinter der Kirche.
Die Sonne scheint an diesem Morgen. Es ist warm und die Kirchentüren stehen weit auf. Auch die Orgel hört man dadurch zwischendurch, an- und abschwellende Melodienbögen. Manchmal werden sie sacht verweht, meist sind sie mit dem Lachen der Kinder, dem Reden der Eltern und dem Rufen der Vögel verwoben.
Wenn wir älter werden und hier einmal nicht mehr wohnen sollten, können wir uns an so etwas erinnern und es wird dann sicher seltsam romantisch klingen: Mauersegler, Musik und munteres Lachen. Obwohl mir jetzt, in dem Moment, in dem ich dies akribisch notiere, nicht einmal ansatzweise romantisch zumute ist. Es fällt mir nur gerade auf, was zu hören ist, in aller Sachlichkeit.
Eine Krankenwagensirene schneidet jäh aufjaulend durch diese Geräuschkulisse. Die Köpfe auf dem Spielplatz drehen sich kurz und in schön synchroner Bewegung dem blinkenden Blaulicht nach: Man sieht nach, wo das wohl halten wird. Am Ende kennt man jemanden in dem Haus. Das könnte ja sein, es ist ein sehr kleiner Stadtteil. Aber dann biegt der Wagen schon um die Ecke und ist weg.
Wie auch die Mauersegler. Die werden erst am späteren Abend für einige abschließende Kreise über dem dann menschenleeren Spielplatz wiederkommen und die letzten Fliegen und Mücken abräumen. So lange werden sie woanders jagen, ich weiß nicht wo. Nie habe ich gesehen, wohin sie von hier aus verschwinden, nie habe ich gesehen, woher sie wiederkommen. Man hört sie, man hört sie nicht. Immer sind sie einfach irgendwann weg, irgendwann wieder da.
Wie die Sommererinnerungen aus vergangenen Jahren. Erinnerungen an was weiß ich, an so etwas wie heranwehende Kirchenmusik vielleicht, an Stimmengewirr vom Spielplatz oder an dieses muntere Lachen von den Schaukeln.
Munterer jedenfalls, als es einem beim Erinnern dann meist zumute ist.
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