Freundeskreis Füllmenge

Ich höre einen alten Podcast über das Album „Breakfast in America“ von Supertramp, ein Album aus dem Jahr 1979. Damals, als ich etwa in dem Alter war, in dem die Söhne nun sind, stellte es noch einen Standard dar. Eine Platte also, die in jeder WG, in jedem Jugendzimmer zu finden war, als Bestandteil des Grundinventars. Der Kreis der Hörerinnen und Hörer reichte noch weit über unsere Altersgruppe hinaus, bis zu denen in den Zwanzigern, sogar bis zu noch älteren Menschen. Eine Auffächerung der Zielgruppen, die heute unüblich geworden ist.

Die Songs werden in dem Podcast alle einzeln besprochen, und man ist sich gerade bei „Casual conversations“ schnell einig: Dieses Lied war bestenfalls eine Art Füllmenge. Das hätte auch gerne wegbleiben können, das war nichts. Seltsam langweilig und uninspiriert, also was sollte das denn, man weiß es nicht.

Ich aber habe „Casual conversations“ immer gemocht. Den Text kann ich auch heute noch und ich fand es damals gelungen, wie die Melodie in freundlicher Ironie zum Thema passte.

Ich sehe danach eine weitere arte-Doku im Filmkontext, diesmal über Robert De Niro: Stiller Antiheld. Ich wundere mich dabei etwas, dass ein gewisser Film gar nicht vorkommt, den ich damals ziemlich beeindruckend fand, als er irgendwann im deutschen Fernsehen lief. Der hat mein Robert-De-Niro-Bild damals mitbestimmt und ausgemacht, das weiß ich noch. Wie hieß der denn bloß noch, dieser Film. Ich weiß noch, wie er da in der einen Szene der Frau nachsah, also der weiblichen Hauptrolle, in einem der tragischen Momente, von denen es etliche gab. Aber sonst weiß ich nicht mehr viel, nur dass es um Liebeskummer ging, der gut und mir plausibel vorkommend dargestellt wurde. Dezent und passend wurde das gespielt, so zumindest in meiner längst vagen Erinnerung.

Ich lese also schon wieder etwas nach: Es war „Falling in love“ mit Meryl Streep. Der Film hatte damals deutlich schlechte Kritiken, sehe ich überrascht, „weitgehend langweilig“, so steht es da. Mit anderen Worten, siehe oben, der hätte auch wegbleiben können und war vielleicht nur eine Art Füllmenge, also was sollte das denn. Man weiß es nicht.

Okay. Ich kann mit Gewalt in Filmen wenig anfangen und sehe mir die entsprechenden Filme meist nicht an. Ich stehe in meiner uninteressanten Harmlosigkeit eher auf Liebesgeschichten, die vielleicht weitgehend langweilig sind, bei denen die Dialoge womöglich nur casual conversations sind. Bei denen mich dann aber irgendetwas, ein Blick von Meryl Streep in einer gewissen Szene vielleicht nur, irgendein ungefähres Abschiedswinken von De Niro ins Leere, eine hilflose, aber doch enorm dekorative Umarmung, eine Melodie im Soundtrack vielleicht auch, nachhaltig beschäftigt.

Mir reicht so etwas oft. Vielleicht ist es eine Art Bescheidenheit, vielleicht ist es aber auch ein banaler, teils ungebildeter Geschmack. Es ist beides möglich und wahrscheinlich.

Nun. Man darf es sich immerhin aussuchen, nicht wahr. Den Freundeskreis kulturelle Füllmengen wird es mit Sicherheit geben, und es können wirklich nicht alle einen durch und durch coolen, in jedem Aspekt feuilletontauglichen, jederzeit trendsicheren und kritikfesten Geschmack haben.

Man braucht zwingend auch Menschen wie mich, schon um sich von ihnen abgrenzen zu können.

Kreideschrift auf dem Pflaster: Die Loser retten die Welt

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Gleich danach gab es für mich noch eine weitere Doku auf arte, nämlich eine über Nicole Kidman: Eyes wide open.  Es gibt also einen Film, lerne ich, in dem sie Virginia Woolf spielt, den habe ich wieder komplett verpasst. Aber 2002, ich sehe eben das Erscheinungsjahr nach, nur um mich vor mir selbst rechtfertigen zu können, hatte ich auch Besseres zu tun. Und zwar ohne alle Ironie.

Na, diesen Film also vielleicht einmal nachholen. Das zugrundeliegende Buch hatte aber auch wieder eher schlechte Kritiken, sehe ich. Ist es dann nichts für mich oder ist es dann gerade etwas für mich?

Es bleibt schwierig.

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