Das graue Wölklein, der Mondenschatten

Am Montag war ich noch einmal im Büro in Hammerbrook. Die Anzahl meiner noch ausstehenden Besuche dort wird allmählich einstellig, wenn ich weiter von einem Tag pro Woche ausgehe. Ein Ende ist absehbar, es wird im Herbst eintreten. Und der kommt dann auch bald, ja, ja. Einer muss schließlich damit anfangen, ihn endlich herbeizureden. Eine Aufgabe, die ich gerne und freiwillig übernehme.

Auf dem Weg zur Arbeit kaufte ich in einer Kaffeerösterei einen Latte Macchiato, denn wozu lebe ich in einer Großstadt, und ich will Spaß, ich will Spaß. Der Kaffee kostete, das kann ruhig auch einmal einen Platz in der Chronik finden, 5,10 Euro. Ich weiß noch, wie er dort, wo ich ihn erwarb, einmal 2,50 gekostet hat. Was so lange gar nicht her ist.

Da mal lieber nicht zu lange drüber nachdenken, denn mein Gehalt im Brotberuf hat sich in diesem Zeitraum bedauerlicherweise nicht verdoppelt.

Die S-Bahnstation Hammerbook und die Straße darunter, nass vom Regen

Ein trockener Tag war es jedenfalls, dieser Montag. Zumindest im Vergleich mit den dauerdurchnieselten Tagen davor. Es regnete kaum. Genau genommen regete es nur etwa 20 Minuten lang, nämlich während ich nach absolvierten Bürostunden zu Fuß wieder nach Hause ging. Es regnete, ich muss es präzisieren, exakt so lange, wie ich für diesen Weg benötigt habe.

In der Wohnung guckten sich die drei anderen dort herumhängenden Familienmitglieder meinen durchnässten Zustand dann einigermaßen verblüfft an, denn es hatte direkt über unserem Haus nicht geregnet. Und es hatte, wie ich später feststellte, auch über dem Büro nicht geregnet. Es zog also nur ein graues Wölklein über mir her und als mein Gefährte mit mir mit. Als Wegbegleiter gewissermaßen, wie der Mondenschatten damals bei Müller/Schubert im Lied „Gute Nacht“. Das könnte man auch mal wieder hören, das Stück, auch wenn es am frühen Morgen noch nicht recht passt.

Aber man kann ja Menschen wie die Herren Quasthoff und Barenboim heutzutage jederzeit auf die Bühne bitten, ungeachtet der Uhrzeit. Das ist recht angenehm eingerichtet.

Ein nicht nur treuer, sondern auch ungemein ergiebiger Wegbegleiter war es mir jedenfalls, dieses Wölklein. Und es stellte dann, kaum dass ich den Schlüssel zog, um meine Haustür aufzuschließen, den Dienst für diesen Tag umgehend wieder ein. Meine Ankunft läutete offiziell den Wolkenfeierabend ein.

Man muss sich manchmal doch etwas anstrengen, das wollte ich nur eben feststellen und mitteilen, das alles nicht persönlich zu nehmen. Besonders an den Tagen, an denen man keinen Regenschirm dabeihat, und selbst dann, wenn man die alte und so verlässliche Regel „Kein Tag ohne Demütigung“ längst verinnerlicht hat.

Ein Räderwerk, wo alles ineinandergreift“, sagte Harald Lesch kundig wie immer in einem Video zum Thema Zufall, über das man an solchen Tagen vielleicht noch einmal nachdenkt. Und er wird es doch wahrhaftig wissen, nicht wahr.

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Ein Kommentar

  1. Danke einmal mehr für den Text, und besonders für die Herren Barenboim und Quasthoff, das weckt Erinnerungen an eine Aufführung von Schuberts Winterreise im hiesigen Jugendknast, einstudiert von den Häftlingen, mit Choreinlagen und einem profesionellen Sänger. Gänsehaut pur, besonders bei „Gute Nacht“. Und am Ende tosender Applaus, das halbe Gefängnis und die auswärtigen Gäste außer Rand und Band.

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