Für neuere Leserinnen wiederhole ich zwischendurch in steter Service-Orientierung einen Link aus den Vorjahren. Einen Link, den ich damals via Kid37 (der saisonal korrekt übrigens gerade Wespen verbloggt) gefunden habe: The Nightly Radio. Dort gibt es nonstop seltsame, getragene, melancholische, abgelegene Musik aus etlichen Genres und Richtungen. „Sad old radio“, so heißt es in der Selbstbeschreibung: “The Nightly is a music appreciation society disguised as a radio station, specializing in the old, the gloomy, and the obscure.”
Gerade gestern war wieder eine fantastische Entdeckung dabei. Es wird dort auch Klassik gespielt, einfach untergerührt unter die anderen Geschmacksrichtungen. Und obwohl ich im Sommer sonst keine Klassik höre und mich dieser Kategorie biorhythmisch vermutlich erst wieder im späteren Herbst annähern werde, wie in jedem Jahr, hörte ich dort ein Stück von Antonio Caldara, der mir noch nicht geläufig war. Überaus passend war das aber für einen regnerischen, seltsam verhangenen und gedämpften, bleichgrauen Wochenendmorgen in einem ins Wasser fallenden Sommer: „In lagrime stemprato il cor“. In Tränen zerfällt das Herz, wenn das denn richtig übersetzt ist.
Und außerordentlich schön zerfällt dieses besungene Herz, da hört man gerne zu. Jedenfalls wenn es von Maria Cristina Kiehr besungen wird, von der ich dann hinterher noch anderes testgehört habe.
Es ist doch immer wieder schön, von allem abzukommen und dabei dennoch irgendwohin.
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Der Tag war ansonsten davon geprägt, dass es anfing zu regnen, sobald ich auch nur daran dachte, aus dem Haus zu gehen. Oder zu schütten, wenn ich nach kühnem Beschluss die Schuhe anzog. Irgendwann war das so lachhaft berechenbar, dass ich versucht habe, intensiv an das Reingehen zu denken, meine Wiederankunft geistig vorwegnehmend, um den Regen damit zu beenden und auszutricksen. Aber es ließ sich so nicht regeln.
Es tat mir etwas leid für die Rekordmenge, die am Hamburger CSD teilnahm. Sie dürfte etwas nass geworden sein. Pardon, ich dachte leider sehr oft daran, aus dem Haus zu gehen. Und die Folgen, sie waren durchaus eindrucksvoll. Sie waren das, was man im Wetterbericht unter „ergiebige Regenfälle“ zusammenfasst. Aber ich entnehme den Bildern in den Medien immerhin, dass man dennoch Spaß bei der Parade und auf der Festmeile hatte.
Ich arbeitete ansonsten weiter die Film-Dokus auf arte ab. Mit deutlich reduziertem Genuss und mehr aus nostalgischen Gründen, die wiederum mit meinem Geburtsjahrgang zu erklären sind, sah ich die Folge über den moralisch ach so wertvollen Terence Hill. Und danach noch die über Tom Cruise.
Zwei Männer, die durch ihre Religion nicht unbedingt sympathischer werden, das war auch wieder etwas seltsam passend.
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Die Kaltmamsell schrieb neulich über eine Sonderform des Cosplays in Bayern, nämlich über das Tragen von Trachten. Ich finde ihre Ableitung zum Cosplay recht sinnig und einleuchtend, gar nicht mal nur als Scherz. Die Wikipedia sagt: „Beim Cosplay stellt der Teilnehmer eine Figur aus einem Manga, Anime, Film, Videospiel oder anderen Medien durch ein Kostüm und Verhalten möglichst originalgetreu dar.“
Ob wir aber überhaupt im Leben etwas anderes machen können, als etwas durch ein Kostüm und Verhalten möglichst originalgetreu darzustellen – ich halte das auf den ersten Blick für diskutabel.
Und gerade die eher unbemühten Varianten des Trachtentragens finde ich aus soziologischer Sicht ungeheuer interessant. Etwa auch in ihren seltsamen Entsprechungen auf dem Hamburger Schlagermove, wo man mit drei, vier Gewandvarianten und einigen standardisierten Accessoires ebenfalls Zugehörigkeit zu einer gesellschaftlichen Inszenierung ausdrückt. Und es sich für alle Beteiligten längst so anfühlt, als sei das immer schon so gewesen. Als habe man das immer schon so gemacht.
Traditionen, so wertvoll. Nun ja.
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