Am Sonnabendmorgen wache ich bei 12 Grad und Regen auf. Heimattemperaturen, Herbststimmung und klischeekorrektes Hamburgwetter. Man kann wieder atmen, man kann sich bewegen und alles, sogar in Dachgeschosswohnungen. Außerordentlich schön ist das. Ich genieße den Moment nach Kräften an der weit offenen Balkontür, intensiv Frischluft ziehend.
Die Ringeltauben klingen auf einmal ganz anders, wenn es regnet. Irgendwie septembriger klingen sie, gemütlicher. Auf den Gehwegen unten sehe ich zu früher Stunde nur einzelne Personen, die unter schwarzen Schirmen und Schauern lautlos um Ecken hasten, Hunde hinter sich her schleifend. Keine wankenden, grölenden Partyrestfiguren aus allzu lauen Sommernächten mehr, die sich vor unserer Haustür zum Abschluss der Feierei noch einmal in die Haare kriegen. Die sich dort lauthals bepöbeln oder auch direkt an die Wäsche gehen. Vorkommnisse, von denen es, warum auch immer, in diesem Sommer eine rekordmäßige Anzahl gab.
Es hat immer auch etwas Befreiendes, wenn das Sommertheater in der Großstadtmitte gegen Ende August wieder aufhört. Der Wechsel der Jahreszeiten ist eine feine Sache, ebenso unterhaltsam wie anregend.
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Die Herzdame fuhr mit einem Sohn nach Berlin, in die noch größere Stadt. Es wird gerade die ganze Strecke auf dem Weg dorthin saniert, weswegen alles etwas länger dauert. Mindestens 45 Minuten sind es, die man nun jeweils mehr im Zug verbringt. Es wird auch eine längere Zeit etwas länger dauern. Geplant sind die vielfältigen Bauarbeiten immerhin für neun Monate.
Man fährt da also schon mit der Erwartung los: Es könnte gewisse Probleme geben. Die Herzdame sah von ihrem Sitz aus ab und zu auf die digitale Anzeige mit den Informationen zur Fahrt, und sie schickte mir dann irgendwann ein Foto und etliche Ausrufezeichen: Die Ankunft in Berlin, so stand es nämlich da, sollte sich von 12:02 auf 20:46 verschieben. Da sieht man doch zweimal hin.
Das sind dann nämlich Dimensionen, die man nicht mehr wie nebenbei veratmen kann. Ausmaße sind es, die einen wieder überlegen lassen, ob eine Postkutsche mit frischen Pferden für diese Kurzreise nicht doch geeigneter gewesen wäre. Wozu haben wir eigentlich diesen ganzen Technikklimbim erfunden, entwickelt und mühsam in die Landschaft verbaut … Tand, Tand, ist das Gebilde von Menschenhand.
Es war dann aber nur ein Anzeigefehler. Der als Test immerhin gut geeignet war, weil sich vermutlich sämtliche Menschen im Zug kurz gefragt haben, ob das wirklich und ernsthaft so möglich sei. Ob alles tatsächlich so schlimm sein könne, ob also das Land, die Bahn, die Schienen und alles längst derart vor die Hunde … Und die Antwort darauf, was man durchaus beunruhigend finden sollte, war vermutlich in den meisten Fällen ein klares Ja.
Ja, man hält das mittlerweile alles für möglich. Und gut ist das wahrhaftig nicht. Na, das ist dann so die Nebenbei-Erkenntnis bei kleinen Anzeigefehlern.
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In diesem arte-Filmchen (YouTube-Link) über das mich stets interessierende Thema Zufall mochte ich besonders die Stelle (14:37), bei der eine Geschichte berichtet wurde, die ich noch nicht kannte. Dass nämlich die erste Shuffle-Funktion von Apples iPod von den Programmiererinnen damals nach einer Weile überarbeitet und dabei ausdrücklich weniger zufällig gemacht wurde, um für die Kundinnen zufälliger zu wirken. Weil der „echte“ Zufall dem Publikum dann doch allzu seltsam vorkam.
Aber auch die nachfolgende Lincoln-Kennedy-Geschichte ist schön.
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In der Podcastreihe „Alles Geschichte – der History-Podcast“ gibt es drei neue Folgen, in denen es um das Reisen geht, gerade noch saisonal passend: Einmal über die „Grand Tour“ der Eliten, einmal über den Bau der transsibirischen Eisenbahn und einmal über das Unterwegssein im Mittelalter. Je rund 20 Minuten, gerne gehört.
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Leider hält das vermutlich jede_r im Zug für realistisch … Wann sind sie denn angekommen?