Nachdem die Woche nun ein paar Tage läuft und ich also mittlerweile etwas gründlicher hingefühlt habe, wie Sie vermutlich auch, werde ich einen gewissen Verdacht nicht los, dem man eigentlich nachgehen müsste. Weil da doch etwas nicht stimmt, und man müsste, man sollte mehr darüber wissen.
Denn es ist ja so, und es haben immerhin auch andere bemerkt, wie ich aus Gesprächen weiß, dass die Tage in dieser Woche nicht in der üblichen Länge ausgeliefert worden sind. Was man leicht daran merkt, dass auf einmal nicht mehr alles hineinpasst, was man so macht, wie auch daran, dass es dauernd etwa zwei Stunden später ist, als man denkt. Dass also fortwährend weniger Tag übrig ist, als übrig sein müsste, ginge es hier noch mit rechten Dingen zu. Aber uns wird Zeit entzogen, so sieht es aus.
Vielleicht hätten wir am Montag schon damit anfangen sollen, die Stunden nachzuzählen und genauer im Auge zu behalten, um der Sache auf die Spur zu kommen. Aber was soll man noch alles machen, nicht wahr.
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In der Bäckereikettenfiliale bestelle ich das Brot, das ich immer dort bestelle. Dieses Brot gibt es in den Ausprägungen bio und normal, wobei normal besser schmeckt, warum auch immer. Also bestelle ich das auch. Das normale Brot.
Die Verkäuferin greift zum teureren und schlechter schmeckenden Biobrot, ich sage nein, normal. Sie sagt, bio sei doch normal, und da sind sie auf einmal wieder, diese stechenden, spontan auftretenden Kopfschmerzen bei mir. Nein, bio sei bio, sage ich im Versuch, mir einen Rest Logik in Standardsituationen zu bewahren.
Ja, sagt sie, das sei bei mir doch normal, das bio. Welches ich in dem Fall vielleicht großschreiben müsste, das Bio, es klingt aber dennoch seltsam und sieht komisch aus.
Nein, sage ich jedenfalls, bei mir sei wie immer normal normal, und zwar jeden zweiten Tag, bei jedem Broterwerb, nun seit Jahren schon. Also nicht bio, fragt sie noch einmal in betont skeptischem Tonfall und sieht mich an, als wüsste sie es entschieden besser, was bei mir normal sei. Und zwar viel besser, mit einem ein wenig unangenehm mütterlich anmutenden Gesichtsausdruck der kompetenten Einschätzung: „Ich weiß doch, was du magst.“
Normal, sage ich mit allerdings schon schwindenden Geisteskräften, das normale Brot, bitte. „Also normalerweise …“ murmelt sie dann noch, führt den Satz aber nicht zu Ende. Sie nimmt nur das Brot, immerhin das normale, geht damit rüber zur Schneidemaschine und fragt routiniert: „Wie geschnitten? Normal?“
Ich überlege, ob es am Ende auch Bioschnittvarianten gibt. Es wundert einen ja nichts mehr, und im Hirn multitaskend überlege ich auch, ob ich das Brot künftig nicht selber backen könne. Komplexen Situationen konsequenter ausweichen! Alles muss einfacher werden, Verwicklungsmöglichkeiten drastisch reduzieren. Normales Brot backen. Aber in welchen Stunden, wo doch, siehe oben, uns gerade welche abgezogen werden. Was übrigens nicht normal ist.
Denke ich so.
Währenddessen steht die Verkäuferin vor mir und macht nichts. Warum steht die da, warum sieht die mich so an. Fragend sieht sie mich an, und dann redet sie auch schon wieder: „Also wie jetzt. Normal?“
Im Zweifelsfall, so denke ich dann noch beim Jasagen, im Zweifelsfall bitte immer alles normal. Zumindest im Alltag, beim Bäcker und auch etwa im Büro. Am besten aufs T-Shirt drucken lassen: „Für mich bitte normal.“
Als würde ich jemals T-Shirts mit Botschaften tragen, das wäre doch irgendwie nicht normal bei mir.
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Immerhin hat sie nicht „Junger Mann!“ gesagt … Oder, hat sie?