Von Keyserling zu KI, morgendliches Herumdenken

Ich sollte vielleicht überlegen, ob der gestern auf der Müslipackung präsentierte Slogan „Weniger Inhalt – gleiche Qualität“ nicht in einem gewissen Sinne auch auf Bürostunden, Werktage und Berufsjahre anzuwenden sein könnte. Alles immer möglichst komplett durchdenken! Also zumindest versuchsweise.

Ich sah in einem etwas weiter gefassten Zusammenhang mit milder Heiterkeit einen Artikel über „AI-Workslop“. Ein Begriff, den man demnächst sicher auch in Ihren Teammeetings gut unterbringen kann, falls solche in Ihrem Alltag überhaupt vorkommen. Es geht um das KI-bedingte und ausdrücklich unproduktive Verdödeln von Arbeits- und Lebenszeit:

AI slop is taking over workplaces. Workers said that they thought of their colleagues who filed low-quality AI work as „less creative, capable, and reliable than they did before receiving the output.

Wir klicken uns also einen Wolf und scrollen sinnlos im Kreis, wir installieren mit enormen zeitlichen Einsätzen überkomplexe Softwaregebilde. Die am Ende zu wenig können. Die dabei zu viele Fehler machen und sowieso in drei Wochen von rasenden Neuerungen überholt sein werden. So in etwa.

Ja, ja, so ist das bei technischen Änderungen. So war es auch immer schon und ich nehme an, diese Phase gehört schlicht dazu und lässt sich auch historisch bestens belegt x-fach nachweisen. Bei einem ganzen Katalog von technischen Neuerungen. Man hat sicher schon bei den ersten halbautomatisierten Webstühlen viel zu lange für das Einrichten gebraucht. Wie man dann später wusste. Was allerdings nicht ausschließt, dass bei der aktuellen Entwicklung gar keine anschließende Besserung eintritt.

Es ist unbewiesen, wait and see.

Kreideschrift auf dem Pflaster: "KI macht arbeitslos - wird Zeit!"

Wobei denjenigen, die Künstliche Intelligenz (oder was wir gerade so nennen) aus welchen Gründen auch immer gerade kritisieren oder zumindest mit abwartender Skepsis betrachten, in den deutschen Medien oft mit kölschem Tiefsinn begegnet wird. Also mit „Et hätt noch immer jot jejange“. Nichts gegen Kölner Weisheiten, aber mir ist das doch etwas zu wenig als Einwand gegen die teils bestens fundierte und kaum zu ignorierende Kritik.

Wir sind bei diesem Thema aber ohnehin wieder bei einem kollektiven Definitionsproblem: Was ist wirklich „besser“ und sehen wir das alle gemeinsam so.

Ich hörte in einem Podcast gestern etwa das wilde Statement, dass Smartphones und soziale Medien der Gesellschaft nicht geschadet hätten. Das halte ich für mindestens diskutabel, was noch milde ausgedrückt ist, aber es wäre vermutlich eher schwierig, darüber sinnvoll zu reden. Weil wir uns auf die gedanklichen Grundlagen, die man für solche Befunde braucht, kaum noch einigen können.

Es gibt dazu, aber das ist nur ein kaum noch weiterführender Nebengedanke, einen schönen Satz vom sehr geschätzten Eduard von Keyserling, aus seiner Erzählung „Seine Liebeserfahrung“: „Definitionen stimmen nie, aber sie beruhigen.“

Da ist tatsächlich etwas dran, denke ich. Um auch meinerseits ein wildes Statement beizusteuern, denn das macht man jetzt so: In der Lebensspanne meiner Generation sind enorm viele abstrakte Begriffsinhalte aus der Ethik, Philosophie, Morallehre und Religion, überhaupt aus den Geisteswissenschaften und Deutungslehren, nennenswert unverbindlicher geworden.

Fast im wörtlichen Sinne – sie halten uns nicht mehr zusammen. Siehe Freiheit, Glück, Ausgewogenheit, Wohlstand, Demokratie usw. Und das macht unseren Diskurs, ich bitte um Verzeihung für den gründlich aus der Mode gekommenen Ausdruck mit übrigens interessanter Herleitung, nicht eben einfacher.

***

Zwischendurch aber immer wieder auch die Gedanken aus den USA, auch hier, einen Tag später.

***

Sie können hier Geld in die virtuelle Version des Hutes werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch. Die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

Es folgt Werbung

Banner Erste Hamburger Podcast-Nacht

Ein Kommentar

  1. Puh, jetzt hab ich ganz schön lange darauf herumgedacht, ob man wohl in der Frühzeit des Internets einen Web-Stuhl (wie in World Wide Web) benötigte, um in selbiges zu gelangen…
    Na ja, hab ja Urlaub und damit Zeit.

Schreib einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert