Ein weiterer Fall von „And so it begins …“. Ein Fall zwar, der ganz und gar nicht unerwartet kommt. Den ich aber dennoch als stets bemühter Chronist hier verzeichnen möchte, gerade weil man in Norddeutschland damit gerechnet hat und nur der Zeitpunkt bisher nicht genauer definiert war. Man hat es jedenfalls dann erwartet, wenn man nicht etwa seit zwanzig Jahren alle Nachrichten weiträumig vermieden hat. Der erste Artikel also, zumindest der erste, den ich mitbekomme, in dem es um die Aufgabe deutscher Küstenregionen geht.
Dann wollen wir mal sehen, wie schnell wir im Laufe der nächsten paar Jahre da noch ein „That escalated quickly“ dranpappen können. Also zumindest quickly in einem geschichtsbuchmäßigen Sinne.
Passend dazu regnete es gestern beim Schreiben dieser Zeilen sintflutmäßig und ganztägig. Was mich daran erinnerte, dass in Gebieten wie etwa auf der Halbinsel Eiderstedt keineswegs nur das Meer etwas vom Land will, sondern auch die Starkregenmengen auf dem Land ein nahezu unlösbares Problem darstellen können. Denn was nicht abfließen kann, das ist erst einmal da und füllt dann eben aus, was es vorfindet. Man kennt es auch aus Badewannen.
Später am Tag kamen die ersten Sturmflut- und Orkanwarnungen der Saison auf den diversen Apps dazu. Dazu sah ich vor dem Balkon die jagenden, dräuenden, dunkelgrauen Wolken über dem Kirchturm. Die Wetterfahne in wildem Umschwung, die pfeilschnellen Möwen im Wind. Es fügte sich alles wieder passend und schon fortgeschritten oktobrig zusammen.
***
Ansonsten trägt das Laub unten auf dem Spielplatz nun eindeutiger und bald auch schon mehrheitlich und wie immer den ganz großen Trends verpflichtet die gewohnten Herbstmodefarben. Immer öfter kommen in diesen Tagen auch Vögel diverser Sorten auf unserem Balkon vorbei, um sich kurz über die Nusssituation zu informieren. Es sind routinemäßige Revierprüfungen.
Es gibt bei uns bisher allerdings noch keine Nusssituation. Das stellen sie dann auch schnell und kopfschüttelnd fest und fliegen mehr oder weniger dezent schimpfend (im letzteren Fall sind es Elstern) weiter. Vermutlich um die Sache auch bei unseren Nachbarinnen und Nachbarn einmal kurz anzugehen: „Wir möchten mit Ihnen über Nüsse sprechen.“
„Wird Herbst da draußen“, sang die Knef damals, und das kann man sich auch in jedem Jahr wieder anhören, finde ich, wenn es doch passt. Hier der YouTube-Link.
„Und Fenster blicken ernst, entschlossen,
als sähe keiner rein noch raus.
Ein Pudel schüttelt sich verdrossen,
ein Unbekannter hat beschlossen:
Wird Herbst da draußen, und in mir.“
Für meine bewährte Playlist mit den 65 Variationen zu „Les feuilles mortes“ ist es allerdings noch etwas zu früh im Jahr. Das Laub hängt noch zu fest an den Bäumen und am abgelaufenen Sommer. Es wird erst in zwei, drei Wochen mitsamt den alten Erinnerungen und dem vielleicht neu dazugekommenen Bedauern zusammengeharkt und entsorgt werden können. Aber ich spiele doch schon einmal auf einem Spaziergang durch die regendunkle Stadt die stildefinierende Version von Montand an, um zu prüfen, ob ich den Prévert-Text noch kann.
Der Text kommt mir jedes Jahr etwas anders vor, stelle ich dabei fest. Aber das liegt nur an den vergehenden Jahren und an den stattgehabten Erfahrungen, das liegt nicht etwa an variabler oder upgedateter Lyrik. Ich kann eine ansprechende Menge vom Text noch mitsingen, also in aller Dezenz, versteht sich.Das habe ich gar nicht erwartet, ich gönne mir daher eine winzige Dosis Selbstzufriedenheit und Stolz, einen ganz kleinen Moment nur. „Alles mit Maß und Ziel“, wie mein Vater zu sagen pflegte. Ich weiß nicht, ob er wusste, dass es ein Statement von Goethe war, welches er häufig zitierte. aber das ist ja auch vollkommen egal. Beide jedenfalls, sowhl mein Vater als auch Goethe, haben sich eher nicht daran gehalten, haben es nur gesagt oder geschrieben. Vielleicht haben sie es aber immerhin gesagt, also gedanklich parat gehabt, so könnte ich es auch sehen.
Kennen Sie die Talkshow-Version dieses Liedes von den toten Blättern? In der Yves Montand einfach so singt, ganz unvermutet, aus dem Stand, oder nein, aus dem Sitzen. Ohne Begleitmusik jedenfalls, ohne alles. Und es ist fantastisch, es ist eben Montand.
Vielleicht lesen Sie hier noch nicht lange genug mit, um diese Version zu kennen. Das wäre in diesem Fall sehr gut, es wäre fast beneidenswert. Denn dann können Sie die Aufnahme jetzt kennenlernen, das muss schön sein. Beachten Sie bitte auch die Frau im Publikum direkt links hinter dem Sänger – so guckt man also im Moment der Epiphanie.
“Et la mer efface sur le sable
Les pas des amants désunis.”
Schon dafür hat sich dann das Schulfranzösisch gelohnt, nicht wahr.
Hier der Weg zum Chanson als Link, nachfolgend eingebunden:
***
Sie können hier Geld in die virtuelle Version des Hutes werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch. Die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.
Es folgt Werbung