And in between we do a lot of standing around

Auf gedanklichen Umwegen, die sich jeder Nachvollziehbarkeit entziehen, lande ich am Wochenende bei Warren Zevon (Wikipedia-Link) und trage dann nach engerem Kontakt mit seinem leider überschaubarem Gesamtwerk einen Empty-Hearted-Town-Ohrwurm davon. Es gibt Schlimmeres, kann man sich da immer noch sagen, und man hat mit Sicherheit Recht dabei.

Es ist zwar nur dirty old Hamburg, dessen verregnete Wege ich im aufziehenden Unwetter beschreite, aber zum innigen Mitsummen reicht in einem anständigen Oktober vermutlich jede beliebige Großstadt aus:

“I’m walking down the sidewalks of LA
Wishing I had a warmer jacket
And the leaves are falling down.”

***

Jemand sitzt unter einem Schirm an Anleger Jungfernstieg und sieht auf die Binnenalster

***

Im Regen und im Sturm sehe ich, und es wird wohl ein sogenannter Zufall sein, während eines Spaziergangs fünf Menschen aus unterschiedlichen Altersgruppen, die an unterschiedlichen Stellen des Stadtviertels trotz der äußerst ungünstigen Wetterbedingungen Eicheln, Kastanien und vielleicht auch anderes Zeug unter Bäumen aufsammeln. In einem Fall sogar aus einem Rollstuhl heraus, mit einem langen Greifer. Das ist keine leichte Übung, sehe ich im Vorbeigehen, da gibt sich jemand viel Mühe. Ein anderer Passant bietet Hilfe an, das wird freundlich abgelehnt. Nur Selbstgesammeltes zählt vielleicht.

In einem anderen Fall wird trotz offensichtlich heftiger Rückenschmerzen der sammelnden Person etwas zusammengeklaubt, lautes Stöhnen beim Aufrichten und Bücken. Und dann sehe ich noch eine Sammelnde, die ist längst so nass, wie man im stundenlangen Hamburger Herbstregen nur nass werden kann, wenn man weder geeignete Outdoorkleidung noch einen Schirm dabeihat.

In den Kitas wird also wieder gebastelt, denke ich. Thoughts and prayers für das Betreuungspersonal, mich hat es damals nicht begeistert, dieses Basteln mit den Kindern. Wobei die Söhne erfreulich wenig ambitioniert waren, weiß ich noch. Das kam mir entgegen in jener Zeit.

Wenn man nun aber fremd hier wäre, denke ich dann weiter und sehe den Sammelnden noch eine Weile zu, wenn man unsere Gebräuche nicht kennen würde, die Sitten nicht und auch nicht die Traditionen, was würde man sich dann wohl zusammenreimen. Wenn man die Menschen in dieser Stadt da so sieht, wie sie unter dem nassen, herumwehenden Laub ausgerechnet bei diesem Wetter nach den Kastanien suchen, die da zwischen der Hundekacke, den Scherben und den Kippen unter den großen Bäumen liegen.

Wie sie Plastik- und Leinenbeutel mit den seltsamen Früchten, Nüssen oder was sie nun genau sein mögen, füllen, und wie sie das alles emsig wegschleppen. Würde man sich fragen, ob man die am Ende nicht doch essen kann? Und ob bei Regen und Sturm vielleicht aus irgendeinem Grund die besten Exemplare fallen, die größten, die leckersten dieser Kugeln? Oder würde man sich fragen, ob man die womöglich verkaufen kann, diese immerhin ganz hübschen braunen Dinger, an die Anhänger des Kunsthandwerks oder gar an Touristen. Die kaufen eh alles. Hamburger Herbstkastanien im Präsentkörbchen oder so, ein beliebtes Mitbringsel, fast klingt es plausibel.

Man stellt sich doch nicht einfach so in den Regen. Wobei … wie es bei Wolfgang Borchert hieß, dessen Denkmal nicht weit von hier steht:

„Stell dich mitten in den Regen,

glaub an seinen Tropfensegen,

spinn dich in das Rauschen ein

und versuche, gut zu sein.“

Aber davon abgesehen: Nein, man stellt sich doch nicht einfach so mitten in den Regen und sammelt irgendwas auf. Oder doch?

Man kann sicher auch zu Schlüssen kommen, deren Denkmuster wieder bei Asterix belegt sind: „Die spinnen, die Hamburger.“

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Ein Kommentar

  1. Weiter südlich ist die Kastanien(sammel)zeit schon wieder fast vorbei. Ich hebe aber auf dem Weg zur Arbeit jedes Jahr zwei oder drei ganz frische, glänzende Kastanien einfach nur für mich auf. Und trage sie dann ein paar Tage mit mir durch die Gegend oder hab sie auf dem Schreibtisch liegen, bis sie ganz verschrumpelt und matt sind. Das muss irgendwie sein – quasi der phänologische Kalender zum Anfassen… 🙂

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