Schön hier. Aber ein Palais wäre mir lieber.

Das neue Büro ist in einem neuen Gebäude. Erstbezug, alles topmodern, state of the office-art. In den Beschreibungen kriegen sich Entwickler, Architekten etc. entsprechend gar nicht mehr ein. Man sollte dieses große Gebäude eigentlich jauchzend vor Glück betreten, wenn es mit rechten Dingen zugeht: Dass man das noch erleben darf.

Also denken die, nicht ich. Es ist tatsächlich nicht unbedingt das, was ich empfinde oder auch nur ansatzweise nachvollziehen kann. Aber gut, ich bin auch altmodisch und weiche vom Geschmack her stark ab. Ich würde lieber in einem kleinen Stadtpalais aus dem 19. Jahrhundert arbeiten, mit Stuck an hohen Decken, attraktiv bekachelten Öfen, mit gepflegtem Parkett und sinnlosen Türmchen an der ehrwürdigen, efeuüberwucherten Fassade. Mit überdimensionierten Treppen für die großen Auftritte und außerdem mit einem geheimnisvollen Dachboden, einem melancholisch anmutenden Park drumherum und allem. Ich bin also gewiss kein Maßstab in Sachen Architektur oder Office-Design. Nein, ich bin raus, und ich sehe es auch ein.

Nicht alles, was heute dazugehört, erschließt sich mir sofort, merke ich außerdem. Wobei ich auch, das steht mir altersmäßig mittlerweile sicher ebenfalls zu, nicht mehr allen Neuerungen wohlwollend genug begegne. Die Idee etwa, Türen per App zu öffnen, statt per Schlüssel oder Chip – der Vorteil erschließt sich mir nicht, die Nachteile fallen mir aber sofort und reichlich ein. Wie sie eben jedem und jeder einfallen, bei denen eine App schon einmal nicht ging, hing, nicht lud usw. Oder bei denen das Handy schon einmal keinen Akku mehr hatte. Also, man kommt da auf Situationen, die eher ungünstig sind, nicht wahr.

Wohingegen so ein Schlüssel, ein schlichter metallener Schlüssel, seit Jahrtausenden bewährt und nahezu unverwüstlich … es gibt doch Bereiche und Themen, da verorte ich mich als eher rabiat konservativ und zum Krückstockfuchteln früh bereit. Etwa bei diesen vielen, wahnsinnig lästigen Verschlimmbesserungen des Alltags, also immer aus meiner Sicht, versteht sich. Siehe dazu auch Touchpads an Stellen, bei denen andere, mechanisch anmutende und vor allem auch wirkende Bedienelemente deutlich sinnvoller wären.

Die Beispiele dazu werden mittlerweile alle parat haben, die vielleicht schon einmal an einem modernen Herd gescheitert sind oder an einem Mietwagen der neuesten Generation. Man steht davor, versteht zu wenig und zweifelt grundsätzlich an der Möglichkeit weiteren Fortschritts.

Wie es in modernen Bürogebäuden üblich ist, gibt es auch alle denkbaren Formen von Arbeitsmobiliar, dazugehöriger Raumaufteilung und Office-Elements, oder wie auch immer man das alles gerade nennen mag. Von Chill-Zones bis Co-Working-Spaces. Es gibt also auch diese Flächen, die von der Ausstattung her aussehen wie eine therapeutisch interessante Mischung aus Spielplatz und Konferenzraum. Nur das gute, alte Einzelbüro mit blickdichter Tür, das für – siehe oben – konservative Menschen wie mich selbstverständlich und unbedingt stets die erste Wahl wäre, das findet man eher selten. O tempora, o mores.

Und sogar solche Interieur-Elemente sind dabei, die ich auf den ersten Blick gar nicht recht deuten kann. Es ist wieder einer dieser Momente, in denen man gefühlt ruckartig altert, wenn man vor so etwas steht. Etwa vor diesen grün berankten Metallkonstruktionen um ein oder zwei Sitzgelegenheiten herum, was ist das eigentlich. Und vor allem, was soll das. Man kann dort im vermutlich künstlichen und dabei privat anmutenden Grünen sitzen, hat Blätter und Blüten vor und über sich und kann dabei arbeiten, deuten wir dann schließlich im Kollegenkreis. Vielleicht hilft es der Seelenlage, vielleicht nützt es der Fantasie oder dem Ehrgeiz? Ich weiß es nicht, aber vielleicht finde ich es noch heraus.

Mein Chef jedenfalls benennt diese seltsam begrünten Office-Elemente angenehm bodenständig als „Gestrüppwürfel“ und rettet mir schon dadurch diesen Tag der Erstbegehung. Denn ich kann mich intensiv und auch lange über großartige Begriffe und passende Bezeichnungen freuen. Sie sind für mich eindeutig und stark welt- und launeverbessernd.

Ich meine, wer möchte nicht in einem Gestrüppwürfel arbeiten, wie anziehend klingt das denn? „Wir treffen uns um zehn zur Besprechung der Lage, wir nehmen uns jeder einen Gestrüppwürfel.“

Ich möchte fast sagen, ich finde es äußerst motivierend.

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Das unten abgebildete Türmchen, Lighthouse Zero heißt es wohl, gehört nicht zum Office. Es hätte mich als Rückzugsort aber durchaus interessiert. Schade.

Das Lighthouse Zero in der Hafencity

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Ein Kommentar

  1. Es geschieht nicht so häufig, dass ich beim Lesen eines Podcasts laut lachen muss – aber der „Gestrüppwürfel“ war so ein Fall.
    Glückwunsch zu diesem Chef!
    (Hoffentlich ist er auch sonst so originell.)

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