Am Sonntagmorgen synchronisiert sich das Gefüge meiner Wahrnehmung zu einem zumindest herbeibehaupteten Jahreszeitenwechsel: Ich trete zum ersten Spaziergang aus dem Haus und denke kurz: „Frost“. Denn so fühlt es sich zum ersten Mal in dieser Saison an, der erste Atemzug da draußen, in der etwas scharfen Kälte, er hat ein Winter-Feeling. Gleichzeitig sehe ich, dass der erste Nachbar, vielleicht ist es auch eine Nachbarin, einen Fensterrahmen schon komplett mit trauten Blinke-Lichtlein umwoben hat. Da geht also das bereits dezemberhaft anmutende Lichterkettenwettrüsten bereits los, es wird wie immer schnell eskalieren.
Dazu berichtet mir punktgenau die Erzählerin im Gösta-Berling-Hörbuch in meine Kopfhörer hinein, dass es auf Ekeby im fünften Kapitel ein großes Weihnachtsmahl gab. Und dann zählt sie die Folge der Gerichte auf, so dass ich noch vor meinem Frühstück plötzlich Hunger auf Festtagsbraten bekomme. Zu allem Überfluss poppt schließlich noch, kaum zehn Schritte weiter, die Meldung einer Wetter-App auf, die mich über die phänologischen Anzeichen des Winterbeginns informiert. Blattfall der Stieleiche, langjähriges Mittel allerdings erst am 7.11..
Vier auf einen Streich, denke ich mir. Immerhin, das kommt mir deutlich vor. Da übertreibt es doch wieder jemand und trägt besonders dick auf. Jemand, von dem oder der ich allerdings nicht weiß, wer es sein könnte. Und wir sind mit dem Herbst auch noch gar nicht fertig, befinde ich dann, und vermutlich befinde es auch in Ihrem Sinne. Es wird wohl noch etwas goldener Oktober für uns alle übrig sein?
Ich sehe die Eiche auf dem Spielplatz im Vorbeigehen skeptisch an: Da kann von Laubfall gar keine Rede sein. Ich weise das mit dem Winter also vorerst entschieden zurück, auch wenn man mich noch so aufdringlich mit Hinweisen bewirft.
Sollte es morgen schneien, schieben Sie es also ruhig auf meine Renitenz. Die Wirklichkeit und ich, wir haben hier wieder Meinungsverschiedenheiten. Am Ende aber, man kennt das, gewinnt sie doch irgendwann und setzt sich durch. Sie hat Mittel, sie hat Wege, sie hat keinen Begriff von Fairness. Ein harter Gegner.
Erst einmal gehe ich aber davon aus, mich noch weiter an diesen Herbst zu gewöhnen. Mich auch mit dem demnächst einsetzenden Regen zu versöhnen, so wie Michel van Dyke.
Im Text des Songs heißt es: „Noch im Dunkeln bin ich aufgewacht, hatte wild von dir geträumt.“ Da warnt mich YouTube doch glatt vor Explicit Lyrics. Was mir bei diesen Zeilen etwas arg tantenhaft und überbemüht vorkommt.
Denn von wilden Träumen kann man auch Kindern erzählen, denke ich. Wilde Träume kennen die.
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