Gesenkten Kopfes gegangen

Schon das, was in den Überschriften gerade in sämtlichen Medien angerissen wird, es klingt überaus scheußlich. Die Timelines sind sämtlich voll davon, man ist wieder aufgebracht, empört und verärgert, und man hat sicher auch Recht damit. Aber es kostet eben alles Kraft. Und zwar selbst dann, wenn man in seiner Meinungsgemeinde bleibt und also beständig lediglich dem Chor predigt. Es hat keinen stärkenden oder tröstenden Effekt, es zieht einen nur runter und immer weiter runter – und unten, da sind wir doch eh schon.

Nein, denke ich, das will ich daher alles gar nicht gründlich nachlesen, und ich klappe das Notebook entschlossen zu. Ich greife zum Übergangsmantel, den man in diesem Land stets auch so nennen muss, weil das zu unserem Wertesystem gehört, und ich gehe einfach vor die Tür. Ich sehe mir dort dieses Dings an, von dem da neuerdings dauernd gesprochen wird, dieses Stadtbild.

Weil ich dabei aber den Kopf gesenkt halte, ob all der schlechten Stimmung und der stark bedrückenden Gesamtsituation geht es schließlich kaum noch anders, erschließen sich mir Stadtbild und Lage mittlerweile nur noch durch die Pflasterschriftzüge. Was man eben so sieht, wenn man hinuntersieht. Und dann sogar noch manchmal am Smartphone vorbei.

Mit diesen Fußwegbetextungen wird aber vielleicht, ich habe da so einen Verdacht, die Lage manchmal erstaunlich gut erfasst.

Kreideschrift auf dem Pflaster: Merz muss weg

Kreideschrift auf dem Pflaster: No Kings

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In einem Musikpodcast, den ich hier bereits einmal empfohlen habe, „Interpretationssache“ vom SR Kultur, in dem Songvarianten kundig verglichen werden, geht es passend zu meinen in den letzten Tagen geposteten Musikclips um das Lied der Saison, um die Feuilles Mortes, bzw. die Falling Leaves (36 interessante Minuten). Von Jo Stafford, welche die erste englische Version sang, über Exkurse bis zu Tschaikowski und weiter etwa zu Patricia Kaas. Von der ich nicht wusste, dass sie wegen Burn-Out lange Zeit bühnenfern war. Acht Jahre immerhin.

Ich lege nur noch eben eine Stadtteilnachbarin an. Die in ihrer niederdeutschen Version passend das aufgreift, was gestern hier schon anklang. Die Sache mit dem Winter nämlich: „Schnee fallt bald“. Es beginnt im Text aber jahreszeitlich etwas weiter vorne in der meteorologischen Entwicklung und ist daher noch korrekt mit dem aktuellen Wetterbericht abzugleichen: „Regen geiht nu dal, mi is koolt.

Und was macht der Regen im Stadtbild? Die Kreideschriften spült er fort. Raum schafft er für neue Notizen der bodenständigen Art, für Änderungen der Lage, und hier lege ich wieder die Erinnerung an meinen Chef in der Antiquariatszeit an. Der bei solchen Gelegenheiten und bei solchen Sätzen gerne von seinem Stuhl am Schreibtisch aufstand, zum Regal ging, ein dickes Buch herauszog und damit stumm winkte: „Das Prinzip Hoffnung.“

Es ist sehr schwer zu sagen, wie ironisch oder gar zynisch er es gemeint hat, aber ein Grundverdacht ist allemal angebracht.

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Ein Kommentar

  1. Der Wechsel der Blickrichtung hat mir erst vor einigen Jahren die überraschende Entdeckung beschert, dass es in allen Städten „Grenzpunkte“ gibt.

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