Wäre man angesichts der weltweiten Gesamtlage nicht ohnehin längst Experte im fröhlichen Fatalismus, man würde eventuell ein weiteres Mal kurz über Medienkritik nachdenken wollen. Denn in solchen Zeiten die Schlagzeile „Russische Flugzeuge dringen in litauischen Luftraum ein“ rauszuhauen …
Also, es war sachlich nicht falsch, schon klar. Aber zwischen „Zwei Flugzeuge waren 18 Sekunden im litauischen Luftraum“, was die Realität war, und „Vier Staffeln fliegen auf die Hauptstadt zu“, was eben nicht die Realität war, aber doch für viele Menschen durchaus vorstellbar, liegt für mich entschieden zu viel gedanklicher Raum auf der Ebene unterhalb der Schlagzeile. Das hätte man bereits in der ersten Zeile weiter eingrenzen müssen.
Aber bitte, jeder meint so vor sich hin und die Menschen sollen ja klicken, ich weiß.
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Ich gehe am Nachmittag in den Discounter. Da stehen aufgerissene Kartons hinter der Kasse, aus denen kann man sich etwas mitnehmen. Die Kundinnen vor mir stecken sich auch alle etwas ein. Was gibt es denn da, was nehmen die sich mit? Umsonst? Verpasse ich Am Ende etwas, wenn ich nicht schnell genug bin? Es sind Kalender für 2026 mit dem Aufdruck „Familienplaner“, sehe ich schließlich.
Um Gottes willen, denke ich. Familie habe ich schon, und eine reicht wahrlich aus. Sollen bitte andere Familien planen, ich bin mit dem Thema aber so etwas von durch. Und ich gehe achtlos an dem Verschenkkarton vorbei, wie so ein Mensch, den man mit gar nichts mehr locken kann.
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Memes und lustige Videos auf Instagram, TikTok etc. treffen ab und zu einen wahren Kern, wie wir vermutlich alle wissen. Gestern las ich mit etwas zu viel Verständnis dieses Statement dort: „Honestly, I don’t even play an active role in my life anymore, stuff just happens and I’m like, oh, so we’re doing this now, ok.“
Lesen und nicken. Aber so wird es gewiss allen gehen, bei denen das Leben gerade wieder dazu neigt, Ereigniskarten auszuspielen. Was sich bekanntlich und dummerweise in manchen Jahren oder Phasen auf unerklärliche Weise häuft. Unerklärlich jedenfalls, solange man nicht die vergleichsweise schlichten Erläuterungsmodelle der Religionen nutzt, welche durchweg eine fast schon anziehende Vereinfachung wichtiger Generalfragen beinhalten dürften. Aber dann auch wieder nicht anziehend genug, um sich spontan einem dieser Modelle zuzuwenden.
„Oh, so we’re doing this now” – ich würde es jedenfalls glatt als T-Shirt tragen. Also wenn ich überhaupt so tief sinken würde, jemals betextete Kleidung anzuziehen. Viel fehlt allerdings nicht mehr.

Aber! Denn es wächst immer ein rettendes Aber aus den eigenen Gedanken, wenn man nur lange und gründlich genug denkt, möchte ich glauben. Aber ich denke also kurz über Religionen nach. Dabei fallen mir assoziativ naheliegende Kirchenkonzerte ein, dabei fällt mir ein, dass es längst tiefer Herbst ist, und ich fühle also einen Moment hin, ob mein Klassik-Chakra saisonal korrekt nach der Sommerpause wieder offen ist, dann recherchiere ich kurz und zack, kaufe ich mir eine Karte für eine baldige Bachmesse im Michel.
Denn Glaube oder nicht, sich im November in einer Kirche mit Bach volllaufen zu lassen – wie angemessen ist das denn. Das klar erkennbare Immerhin des Tages habe ich damit wieder gefunden, und ich kann sogar noch „That was easy“ murmeln. Weitermachen.
So we’re doing this now, ok.
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Sie sind mein Lieblingsphilosoph.
Ach Herr Buddenbohm … seufz …. sooo wahr und schön …
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@Dolores Meiner auch ?