Von hier aus gut

Ich lese weiter in Simenons „Pedigree“, seinem mehr oder weniger autobiografischen Roman. Die darin beschriebene Familie, seine Familie oder eine, die seiner zumindest stark ähnelt, ist arm. Nicht gerade bitter- oder bettelarm, aber doch eindeutig unterhalb der Mittelschicht. Man hat also nicht viel, abgesehen von Sorgen, und wie immer bei Simenon wird es gut vorstellbar geschildert, wie der Alltag abläuft, wenn man nicht viel hat und wenn auch nicht viel passiert, diese leeren Stunden. Simenon schafft es bei mir immer, dass der innere Film ohne zu ruckeln und außerdem stets in Farbe, scharf und mit allem läuft. Es gibt gar nicht so viele Schreibende, bei denen das so ist. Ich lese viele Bücher, ohne dabei ein interessantes inneres Bild zu entwickeln. Oder zumindest kein allzu deutliches.

Auch darin übrigens unterscheiden sich Menschen erheblich voneinander, in dem, was sie beim Lesen wie von selbst sehen oder aber sich bemüht vorstellen. Das fällt vermutlich viel diverser aus, als man zunächst denkt. Ich habe es schon einmal irgendwo geschrieben, dass ich etwa Räume und Gebäude, die Kulissen aus den Romanen also, meist präzise und detailreich vor mir habe, Personen und Gesichter aber nicht. Bei anderen ist es andersherum usw.

Aber das nur am Rande.

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Auf arte läuft die Serie „Patrick Melrose“ mit Benedict Cumberbatch, und ich bin zwar erst am Anfang, aber ich denke, die ist gut.

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Ich hörte einen Podcast über das Alter beim SWR, 29 Minuten,  in dem es um unser Altersbild ging. Um unsere Vorstellung vom Älterwerden, wie diese Vorstellung den Verlauf beeinflusst. Mit der markanten Formel: „Menschen, die positiv auf diese Lebensphase blicken, leben länger.“

Beim Hören fiel mir auf, worüber ich vermutlich noch nie nachgedacht habe, weil es mir so lange schon selbstverständlich ist, nämlich dass ich bezüglich der angenommenen späteren Seelenlage durch mein Schreiben ein ausgesprochen positives Altersbild habe. Schreiben kann ich im besten Fall fast immer. Beim Schreiben kann ich mich zumindest in der Theorie auch immer weiter verändern, vielleicht sogar noch verbessern, in jedem Fall aber angenehm und tagesfüllend beschäftigen. Und dazu noch mit immerhin gefühltem Sinn betanken. Auch dieses Immerhin ist gar nicht so klein.

Sogar Kontakt zur Außenwelt kommt dabei, wenn man das denn möchte, auf die eine oder andere Art zustande.

Zum Schreiben braucht man außerdem, siehe Spitzweg und sein „Armer Poet“, weder viel Geld noch viel Komfort. Es scheint mir also, zumindest von der Gegenwart aus betrachtet, eine ausgesprochen günstige Beschäftigung für die seniorigeren Jahre zu sein. Es ist auf jeden Fall einer der entscheidenden Gründe, warum ich das Alter nicht als drohende Zone der Verelendung im Kopf habe, zumindest bisher nicht.

Das kann auch anders kommen, ich weiß, aber nun. Ich kann es nur von hier aus betrachten, und von hier aus sieht es jedenfalls noch gut aus. Da es aber so viel gar nicht gibt, was von hier aus betrachtet gut aussieht, will ich mich daran erfreuen, solange die Aussicht das hergibt.

Und wenn es sich ändern sollte: Na, ich werde nach Möglichkeit berichten.

Kreideschrift auf dem Pflaster: Be Happy

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