Da ich gestern gerade das analoge Leben bzw. analoge Beschäftigungen erwähnte: Ich habe eher erfreulich selten materielle Wünsche. Im Moment wäre mir aber sehr nach einer vernünftigen, altmodischen Ausstattung, um wie damals Musik hören zu können. Mit einem guten und angenehm designten Plattenspieler und mit all den mir sympathischen Alben im Regal daneben. Selbstverständlich in beträchtlicher Auswahl und bestens gepflegt.
Mit einem urgemütlichen Sessel vor diesem Plattenspieler und mit bereitliegender Mittagsschlafdecke. Mit einer üppig besetzten Bücherwand neben mir, gerne auch mit noch glühendem Kamin in der Nähe. Alte Teppiche und antike Möbel im Raum, dazu Blick auf den Park, also auf welchen Park auch immer. Sowie mit einem attraktiven Hund, um den ich mich aber, sonst ist es keine Wunschvorstellung mehr, nicht kümmern muss, der vielmehr einfach nur dekorativ da ist und ab und zu im Schlaf wohlig stöhnt. Dito Katzen, die dort ab und zu und nach unergründlichen Katzenrhythmen unverbindlich vorbeikommen. Ansprechende Schnurrvisiten, aber bitte ausdrücklich ohne nachfolgende Katzenklo-Pflichten, ohne Kotze auf dem Teppich, Tierarzttermine und dergleichen. Been there, done that, got the t-shirt etc., mein Bedarf ist bei diesen Themen fürs Leben gedeckt. Siehe auch Hunde, die bei Unwettern aller Art vor die Tür gezogen werden müssen.

Das sind jedenfalls Wunschbilder, mit denen sich die übliche Jahresenderschöpfung bei mir deutlich ankündigt. Was auch in Ordnung ist und terminlich immerhin passend. Es ist nun allmählich gut, eine längere Pause ist längst überfällig, ach was, ein Sabbatical, wenn nicht sogar mehr, aber egal. Wir wollen nicht übertreiben.
Es gibt dort, um gedanklich in den oben skizzierten Raum zurückzukehren, ein Regal mit letzten Alben. Mit all den Werken, welche die von mir geschätzten Musikerinnen und Musiker final eingespielt haben, mit ihren abschließenden Aufnahmen. Was vielleicht etwas morbide klingt, aber auch eine Art ist, stattgehabtes Leben, Meisterschaften und Feinheiten zu feiern. Denn auf diesen Aufnahmen, das berühmteste Beispiel ist wohl das Spätwerk von Johnny Cash, hört man die Erfahrung, den Reifegrad, oft auch eine gewisse Ruhe und Abgeklärtheit.
Vor allem aber hört man ein manchmal anziehend lässig wirkendes Können, das sich so nur aus Jahrzehnten des Schaffens ergeben haben kann. Es gibt daher Songs auf diesen Alben, die eine manchmal mildernde Wirkung auf überbordende Alltäglichkeiten haben können, und das eben kommt mir nicht morbide vor. Eher lebensratgebend, auf eine erfreulich subtile Art.
Ich kam erneut darauf, als ich gestern das letzte Album von Shirley Horn hörte. Bei dem ich auch wieder merkte, dass es sich doch auszahlt, ganze Alben zu hören, nicht immer nur geshuffelte Streaming-Fragmente und selbstmontierte Playlists. Die allerdings auch ihren Reiz haben, so ist es nicht.
„May the music never end”, aus dem Jahr 2003 jedenfalls. Zwei Jahre später ist sie dann gestorben. Darauf zum Beispiel eine Version von Yesterday, die sich von den üblichen Covern unterscheidet. Auf eine betont novembrige Art, ganz passend zu diesen Tagen. Was sich schon am Anfang zeigt: Wer steigt denn so in diesen Song ein und wie langsam kommt er daher. Wie kann man dafür zwei Minuten mehr als die Beatles damals brauchen.
Nun, bei älteren Menschen kann es etwas länger dauern, man kennt das, und manchmal ist es auch gut so. Am Klavier sitzt bei diesen letzten Studiobesuchen nicht sie selbst, sie konnte zu dieser Zeit nicht mehr, was man ihrer Stimme allerdings überhaupt nicht anhört. Es spielt George Mesterhazy.
Man kann das auf YouTube oder bei einem anderen Streamingdienst hören, auch das ganze Album ist dort verfügbar, und es lohnt sich auch. Aber in dem Sessel, vor dem Kamin und dem Plattenspieler, auf dem alten Teppich, neben dem Hund und dem Regal mit den letzten Alben, mit den vorbeikommenden Katzen – also es würde sich dort vielleicht noch ein wenig mehr lohnen. Könnte sein!
Aber, und auch das ist dann ein Glück, es reicht mir als Gelegenheitswunschtraum vollkommen aus. Mehr Energie muss ich in dieses Thema nicht investieren. Sonst wäre es auch nur ein weiteres To-Do, und wer könnte freiwillig noch eines haben wollen.
Ich gewiss nicht.
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