Nicola bloggte wieder. Es ist immer schön, wenn Blogs Pausen überstehen. Und zwar schrieb sie über Sachbücher. Von welchen wenigstens eines hier auch schon eine Rolle spielte, nämlich das mit dem so schwierigen Titel, der vermutlich spontan ganze Kundensegmente noch vor dem Regal im Buchladen vergrault: „Moralische Ambition“ von Rutger Bregman. Denn moralische Ambition, das klingt doch gleich so, als dürfe man da etwas nicht. Das klingt also, haha, gleich so, als dürfe man sich auf keinen Fall darauf einlassen. Irgendwas mit Dürfen und Müssen ist nämlich immer, liebe Gemeinde.
Zur späteren Lektüre ist das Buch hier noch vorgesehen.
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Ansonsten bleibt es bei meinem ausgeprägt seltsamen Beziehungsmuster zum Zufall, wie es sich an einem weiteren Beispiel frisch bewiesen hat. Denn ich ging am späten Nachmittag durch die Stadt und hörte zwei Podcasts, die ich beide gerade nicht wiederfinde, aber egal. Es ging jedenfalls um Themen, zu denen wir alle vermutlich schon recht viel wissen, zu denen wir auch viele mahnende Worte schon gehört haben, bei denen es aber auch nicht schadet, weiter und erneut darüber nachzudenken.
Nämlich um digitales und analoges Erleben. Um die Dominanz der Smartphones im Alltag, um parasoziale Beziehungen zu Influencern etc., auch um die immer weiter nachlassende Gedächtnis- und Konzentrationsleistung vieler Menschen. Kurz, es ging am Ende um all das, was es zwischen den Bildschirmen und dem sogenannten Real Life zu bedenken gibt. Wie wir da hin und her wechseln, wie wir was dosieren, woran wir regelmäßig scheitern und wie es besser gehen könnte.
Und während ich das so hörte und zwischendurch den Stream sogar anhielt, um über Aspekte auch in meinem Alltag nachzudenken, was ja ab und zu nützlich sein soll, während ich mich also noch bemühte, meine Situation kritisch hinterfragend zu bewerten, wie es sich für Menschen mit Anspruch und moralischen Ambitionen nun einmal unweigerlich gehört, fuhr ich in einem Einkaufszentrum eine Rolltreppe hoch und sah, dass da gerade jemand die Rolltreppe hinunterfuhr. Es war schon wieder ein wenig wie im Film und wirkte arg gestellt.
Denn lange, lange hatte ich sie nicht gesehen, dabei ist sie doch ein wichtiger Mensch für mich. Digital hatte ich sie aus den Augen verloren, teils auch wieder wegen der allgemeinen Verlotterung unserer langjährig liebevoll gepflegten Beziehungsgeflechte durch die elende Zersplitterung der Plattformen nach dem Tod von Twitter. Noch Nachrichten geschickt, die dann aber ins Leere liefen. Eine Weile abgewartet, man kennt das. Dann kamen etwas Leben und einige Ereigniskarten dazwischen, bei ihr und auch bei mir. Und auf einmal waren schon etliche Monate vorbei, dann ein Jahr, und man sah sich gar nicht mehr.
Aus dem eine Weile noch nagenden „Man müsste mal“ wurde dann bald ein leise zweifelndes „Wie kam das jetzt eigentlich“. Sie kennen das vermutlich, denn so geht es zu und so wiederholt es sich auch, wie man im Rückblick durch die Jahre erkennt.
Man sieht sich gar nicht mehr. Es sei denn, man läuft sich tatsächlich über den Weg. Wofür es in Großstädten aber eine etwas aufwendigere Versuchsanordnung braucht. Die eventuell enorm viele Spaziergänge, die sogar Job-, Beziehungs- und Wohnungswechsel oder dergleichen beinhalten muss, damit die beiden Linien doch einmal wieder sekundengenau zur gleichen Zeit einen präzisen Punkt auf dem Stadtplan kreuzen können. Und dann müssen außerdem, wie in diesem Kontext unbedingt zu erwähnen ist, beide auch gerade nicht auf das Smartphone sehen.
Denn sonst haben sich die Götter umsonst bemüht. Oder die Göttinnen. Wen auch immer man da für zuständig halten mag, und welche Heilige auch immer für die Wahrscheinlichkeitsrechnung und die Zufälle zuständig ist, Sankta Stochastika vielleicht. Ich kenne mich da nicht aus.
Aber es ist jedenfalls ein gutes, altes Prinzip, sich über den Weg zu laufen, das wollte ich nur eben sagen. Und es ist digital vermutlich gar nicht so einfach nachzubilden.
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