Was nach vorne geht

Dann der erste Tag im neuen Büro. Welches ich, ein Großstadtluxus, mit der U-Bahn, der S-Bahn, mit dem Bus oder zu Fuß in jeweils weniger als einer halben Stunde erreichen kann. Wie es beliebt und wie die Laune und das Wetter ausfallen.

Ich beginne mit der U-Bahn-Variante. Weil das obligatorische Tunnelfoto so ein mitziehendes Element hat, das einen förmlich in den Werktag saugt. Es könnte der Motivation nachhelfen, so die Annahme. Endstation Elbbrücken, meine ohnehin im Moment liebste U-Bahn-Station.

Die Tunnelröhre der U4 in der Station Hauptbahnhof

Die Dachkonstruktion der U-Bahnstation Elbbrücken und das GleisSchon wegen des Blicks, den man dort nach dem Aussteigen hat. Bei dem man das altgediente Bernd-Begemann-Zitat geradezu pflichtgemäß murmeln muss: „In Städten mit Häfen haben die Menschen noch Hoffnung.“ Bei Kettcar wird dieser Satz aufgesagt, bevor sie „An den Landungsbrücken raus“ singen. Bei mir heißt es „Elbbrücken raus“, das gefällt mir bis dahin alles ausgesprochen gut.

Blick über die Elbe von der Station Elbbrücken aus

Das Büro befindet nun in der Hafencity. Ähnlich wie in Hammerbrook also in einer Gegend mit moderner Architektur. Allerdings noch moderner, teils noch im Bau befindlich, nach dem Morgen weisend. Man kann dort sicher mit Fug und Recht Architekturkritik üben, man kann auch Stadtplanung seltsam finden und all das. Aber die Stimmung ist doch grundlegend anders als in Hammerbrooklyn, wo mittlerweile eher abgerissen als neu gebaut wird.

Eine wie auch immer genau geartete positive Stimmung kann man in der Hafencity leichter entwickeln, ich jedenfalls. Wenn man sich etwas bemüht, findet man hier und da auch Aspekte der Gegend, die man ganz okay, fast attraktiv oder zumindest fotogen finden kann.

Blick über den Baakenhafen vom Amerigo-Vespucchiplatz ausDie Versmannnstraße mit Baakenhafen

Vom Büro aus haben wir außerdem einen attraktiven Blick auf das große Hamburger Demotivations-Mahnmal, auf den berühmten kurzen Olaf, den Stummel, den unvollendeten Elbtower. Aus dem nun, wie man gerade lesen konnte, vermutlich und zumindest teilweise ein Naturkundemuseum werden soll, aber das ist im Moment noch Theorie. Ein Gebäudewrack jedenfalls, mit dem man sich stets geistig auseinandersetzen kann, wenn es um große Projekte, hehre Ziele und gewaltige Vorhaben geht.

Blick von oben aus einem Hochhaus auf den Kurzen Olaf, den halbruinösen Elbtower

Man wird zur Not sicher auch in entsprechenden Meetings einfach mahnend aus dem Fenster zeigen können. Das finde ich hervorragend eingerichtet.

Auf der anderen Seite des Gebäudes entsteht gerade das Digital Art Museum. Ich habe daher sicherheitshalber nachgesehen: An unserem Gebäude steht nichts von Museum. Es wird sich also vermutlich bei dem, was wir da tun, noch um echte Büroarbeit handeln, wir üben dort nach meinem Wissen kein Reenactment von aussterbenden Tätigkeiten in Konzernen ein. Aber es ist sicher besser, man durchdenkt auch so etwas ab und zu und bleibt wachsam.

Die Arbeit ist groß, doch Rettung lauert überall, könnte ich zum Feierabend denken. Es bietet sich bildlich unterstützt an diesem Standort an.

Ein Rettungsring am Baakenhafen

Wenn ich zu Fuß nach Hause gehe, durch die Hafencity, am neuen, riesigen Westfield-Einkaufszentrum vorbei, durch die alte Speicherstadt, durch die darbende Innenstadt, komme ich an Motiven vorbei, vor denen Touristen Schlange stehen. Was nicht übertrieben ist, und ich könnte gar nicht benennen, seit wann das eigentlich so ist. Aber es ist jedenfalls noch gar nicht seit so langer Zeit zu beobachten, es ist eher neu.

Der Zollkanal mit Speicherstadtbauten

Unterm Strich habe ich jedenfalls neue Beobachtungs- und Durchmarschgebiete, das kommt mir entgegen. Und wenn es um einige der interessantesten Zonen der Stadtentwicklung geht, so habe ich die durch meinen Arbeitsweg nun alle im Programm. Ich kann hier und da nachsehen, was nach vorne geht, was überhaupt geht, was gar nicht geht. Oder, auch die kommenden Sturmfluten mitdenken, was zwischendurch untergeht.

Das ist der Teil, der sich an Gegenwart und Zukunft orientiert. Ich komme auf meinem Weg aber auch an einem kleinen Kabäuschen vorbei, an einer Art Wachhütte, einer kleinen Zollstation. Die heute Teil eines Museums ist, da habe ich das Stichwort seltsamerweise schon wieder, und an die Zeit erinnert, als die Zollgrenze noch im Hamburger Hafen lag. In dieser kleinen Station hat ein Großonkel von mir damals Dienst geschoben. Er war ein glühender Lokalpatriot, und dass sich unsere Arbeitswege jetzt teils überlagern, wenn auch durch etliche Jahrzehnte getrennt, es wäre ihm sicher eine helle Freude gewesen.

Warum es aber gestern ausschließlich in den 30 Minuten ergiebig geregnet hat, in denen ich ohne Schirm oder geeignete Jacke zu Fuß nach Hause ging … irgendwas ist wirklich immer.

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Ein Kommentar

  1. Hammerbrook ist wirklich deprimierend, der Stadtteil macht den Menschen klein. Die Hafencity gibt ihm ein Stück seiner Würde zurück. In diesem Sinne Glückwunsch zum Umzug!

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