Ablenkung vom Leviathan

Ich habe mich weiter um notwendige Konzentrationsübungen bemüht, also z.B. wieder dem Münklerbuch über eine Stunde beim Spaziergang zugehört, seiner „Welt in Aufruhr.“ Ich bin daran aber diesmal eher gescheitert, denn auf einmal geht es im aktuellen Kapitel unfassbar lange um den Leviathan und um Behemoth. Eine astreine religionswissenschaftliche Abhandlung wird mir auf einmal vorgelesen, und sie hört gar nicht mehr auf. Die ist zwar auch interessant, aber ich habe keine Ahnung, warum das da so elaboriert und endlos aufgedröselt wird.

Ich habe den Einstieg ins Thema also komplett verpasst. Vermutlich hat mich beim Herumgehen wieder irgendwas in einem Schaufenster interessiert oder, wer weiß, ein Mensch an einer Ampel.

Maximilian ist leicht abgelenkt und notorisch unruhig“, es stimmt leider immer noch, was einst in den Zeugnissen stand.

Aber ich höre immerhin, und das freut mich dann, eine Bibelstelle, die mir zur Feier beim Amtsantritt des nächsten US-Präsidenten zu passen scheint, in der nächste Woche wird das leider schon stattfinden. Sie haben es da drüben doch so sehr mit den Bibelstellen, sie zitieren doch so überaus gerne aus ihrem heiligen Buch.

Ich schlage also Offenbarung 13,4 als feierlichen Sinnspruch des Tages vor: „Und sie beteten den Drachen an.“

Und den Tippfehler eben gerade, als ich versehentlich Offenbraun statt Offenbarung schrieb – den hätte ich fast stehengelassen. Das Unterbewusstsein möchte etwas mehr im Vordergrund mitspielen, und warum auch nicht.

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Außerdem noch gehört, nachdem ich bei Münkler den Faden komplett verloren hatte und gar nicht mehr zurück in den Text fand: Eine Sendung in der Reihe „Das Wissen“ über Thomas von Aquin. Ein Freund des äußerst gründlichen Nachdenkens war der, und was für charmante, erstaunliche Denkansätze da geschildert werden. Es klingt ebenso anziehend wie aus der Mode gekommen, derart tief, selbständig und selbstverständlich konzentriert nachzudenken.

Er würde unsere Zeit einigermaßen befremdlich finden, dieser Thomas, da kann man sicher sein.

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In der gleichen Reihe gab es dann zum Abschluss noch eine Sendung „Die neuen Kriege und ihre tieferen Ursachen.“ Ein Interview mit Franz-Stefan Gady, der über das Thema ein Buch geschrieben hat. Das ist nicht gerade ein aufmunterndes oder erbauliches Hörerlebnis, wie man sich vorstellen kann, aber es nützt ja nichts.

Weil Welt, weil Lage, weil 2025 und alles.

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Abends las ich in den letzten Minuten des Wachzustandes weiter in den Kurzgeschichten der Munro, aus dem Band „Liebes Leben.“ In dem Buch kommt der Krieg vor (der Zweite Weltkrieg), aber keine Politik, es hat mich einen Moment etwas irritiert. Was selbstverständlich Unsinn ist, denn es kommt in vielen Büchern keine Politik vor.

Unsere Gegenwart wirkt aber so, das fällt Ihnen vielleicht auch auf, als müsse es permanent überall um Politik gehen. In jeder Szene, in jedem Gespräch. Als müsse jeder Dialog beliebiger Personen in wenigen Zeilen offenbaren, wer auf welche Seite gehört. Als würde die Einordnung der politischen Ansichten nun zu den besonderen Kennzeichen gehören, die von allen Schreibenden routinemäßig geschildert werden

Es war daher eine sinnvolle Erinnerung für mich, dass dem gar nicht so ist. Es gibt auch noch Familiengeschichten, Liebesgeschichten und dergleichen. Geschichten also, in denen sich etwa die Zuordnungen rechts und links eher auf Bettseiten oder auf das Abbiegen mit dem Auto auf dem Heimweg beziehen.

Man liest es dann auch mit einiger Erleichterung. Also ich jedenfalls.

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Im Bild heute nur ein Stück Straße. Noch im Anschluss an meine Bemerkung zur bunten Osterdeko gestern wollte ich dies dokumentieren. Denn es kommt zwar selten vor, aber ich lege doch mit einem Beweismittel nach, dass man ab und zu Buntes auch im winterlichen Hamburger Stadtbild findet.

Sogar im verlässlich freudlosen Büroviertel Hammerbrook. Und so sieht das dann aus:

Eine Straße in Hammerbrook mit leuchten gelbrotem Graffiti-Tag und bunten Kissen auf den Bänken vor einem Imbiss

Und falls Sie gerade aus Hamburg mitlesen – wir sehen uns dann nachher bei den Demos.

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Deko sehen, nichts fühlen

Frau Büüsker in ihrem Newsletter über das Havariekommando. Weiß man da also auch wieder mehr.

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Die lange Nacht über Hans Albers und seine jüdische Partnerin Hansi Burg habe ich am Nachmittag gehört, 160 Minuten. Es war ein längerer Weg um den Block, um ein paar Blöcke mehr. Eine kaum begreifbare Geschichte ist das, schwer vorstellbare Schicksale und Geschichten.

Das Geburtshaus von Hans Albers steht hier um die Ecke, eine große Gedenktafel für ihn gibt es an der Fassade. Diese Tafel und die Fassade werden immer noch oft von Touristen fotografiert, und nicht nur von älteren Reisenden.

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In den Dekoläden in der Innenstadt ostert es währenddessen schon offensiv heran. Grellbunte Hasen in den Fenstern, quietschniedliche Küken und dergleichen, Plastiktulpen in geradezu hysterischer Farbigkeit. Unpassend wirkt das alles in dieser betont grauen Stadt und Szenerie, äußerst unpassend, ein peinlicher Affront.

Ich weiß noch nicht einmal, wann Ostern in diesem Jahr ist, Ostern ist noch im Keller. Niemand hat das Wort oder damit verbundene Pläne bisher erwähnt, ich sehe diese Deko und fühle nichts. Vor den Blumenläden im Hauptbahnhof stehen auch schon Bündel von Forsythienzweigen in den großen Eimern. Frühlingswedel, ich weiß ja nicht.

Auf dem Spielplatz vor dem Haus dagegen fällen sie Bäume. Leider auch den Nistbaum der geschätzten Ringeltauben, wie entsetzt werden die sein. Das passt emotional aber deutlich besser in die etwas schwierige Saison und in die kollektive Januarverstimmung. In dieses 2025 so deutlich verstärkte Empfinden eines Wintertiefs, das aber auch in normaleren Jahren im Februar meist nicht besser wird, wir kennen das.

So viel zu unseren Aussichten. Keep buggering on.

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Eine naheliegende Alternative zu Instagram ist Pixelfed. Es ist die nicht kommerzielle Variante, wie Mastodon für Twitter (wenn Sie glauben, dass eher Bluesky das ist, haben Sie vermutlich irgendwo nicht aufgepasst). Pixelfed kann also nicht nebenbei von verrückten Milliardären, bei denen man wohl auf die weibliche Form verzichten kann, in finsterer Absicht übernommen und verdorben werden.

Aus naheliegenden Gründen melde ich mioch dort an, siehe die Nachrichtenlage. Ich klicke mir auch gleich eine Handvoll Kontakte zusammen. Dann gucke ich, wen diese Kontakte als Kontakt haben, und ich sehe mir außerdem die Kontakte der Kontakte an. Ich finde Menschen und Menschen finden mich.

Ich weiß nicht, zum wievielten Mal ich das auf diese Art mache. Auf welchen Plattformen und Seiten in den letzten beiden Jahrzehnten ich das nicht schon überall und wie oft wohl durchgespielt habe. „Wir bringen die Band wieder zusammen“, immer noch einmal.

Es liegt vielleicht an meiner seelischen Schlichtheit, dass ich diese ersten Momente gerne mag. Es hat sich nie ganz abgenutzt. Jedes Mal ist es so, als würde ich auf eine Party bei fremden Leuten gehen, was für mich eher herausfordernd ist. Ich gehe dort an lauter Unbekannte vorbei, ich weiß nicht, was ich wem sagen soll, worüber ich mit denen reden könnte, und da in der Küche – Gott sei Dank! – sitzen zehn, zwanzig meiner alten Bekannten in vertrauter Runde beisammen. Da kann ich mich dazusetzen und der Abend ist gerettet, denn wir werden reden, was wir immer reden. Und das ist auch gut so.

Währenddessen ist meine Timeline bei Pixelfed noch etwas spärlich besiedelt, wie es in Anfangszeiten üblich und erwartbar ist. Das letztes Update von jemandem wurde dort vor sechs Stunden eingestellt. Es entschleunigt also auch, sich auf neuen Seiten umzusehen. Es erinnert ein wenig an alte Zeiten, als man noch den ganzen Vormittag auf die Briefpost gewartet hat. Ich finde das alles angenehm.

Sie finden mich dort wenig originell unter dem Namen Buddenbohm. Falls Sie auch noch einmal mitspielen wollen.

Ein kleiner Sticker an einem Regenabflussrohr: You cannot vote your way out of tyranny

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Zwischen Game und offener Feldschlacht

Früher begann der Tag mit einer Schusswunde.“ Das ist ein Buchtitel von Wolf Wondratschek, den ich seit meiner Zeit im Antiquariat damals kenne, also lange schon. Ich habe das Buch nie gelesen, wenn ich mich richtig erinnere. Ich habe es immer nur von Regal zu Regal verräumt, das aber oft. Und es fällt mir auch nur gerade ein, weil der Montagmorgen damit begann, dass ich von Russland angegriffen wurde.

Über achtzig Spam-Kommentare mit Verweis auf russische Seiten in nur einer halben Stunde hagelten hier herein. Bin ich auf einmal ein interessantes Ziel oder was.

Egal. Stoisch alles weglöschen. Eine repetitive Beschäftigung für die Finger ist das, ein wenig wie Stricken. Nur nicht so konstruktiv, am Ende hat man keinen warmen Pullover, nur eine aufgeräumte Seite. Oder immerhin eine aufgeräumte Seite. Und noch während ich löschte, brandete schon die nächste Welle heran, es begann sogar, mir zu gefallen. Es war irgendwas zwischen Game und offener Feldschlacht, und noch gewann ich immerhin. Kein Kommentar erschien öffentlich.

Ein Erfolg, ein Erfolg, und das am Montagmorgen. Immer das Gute beachten, ich sage es ja. Ich suchte mir passende Musik dazu heraus, denn stimmige Soundtracks sind mir bei allem wichtig. Ich löschte den letzten Spam-Kommentar der Welle, startete das Home-Office und stieg auf den Bürostuhl wie ein Cowboy auf das Pferd vor dem Saloon. Und ich rollte lässig in die endlose Weite der Excel-Welt.

Nachtrag: Direkt nach diesem Notat sah ich kurz in die lokalen Nachrichten, und es verwundert den Freundeskreis Fiktion und Realität nur begrenzt, dass gleich um die Ecke, zwei Gehminuten vielleicht entfernt von mir, in dieser Nacht ein Mann angeschossen wurde. So etwas wie Bandenkrieg, nimmt man an. Der mutmaßliche Täter war erst 15 Jahre alt.

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Am Wochenende gesehen: Berit Glanz empfahl eine ARD-Doku, an der sie auch beteiligt war. Es geht um Influencerinnen auf Island, um den Tourismus dort und seine Folgen, um eskalierende Selbstinszenierungen. In der Sendung werden sich für Instagram oder Tiktok inszenierende Influencerinnen fürs deutsche Fernsehen inszeniert, während sich die Einheimischen aus dem Bild verdrücken.

Wir leben in einer fortgeschritten verrückten Welt, aber das wird Ihnen mittlerweile auch bereits aufgefallen sein.

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Am Wochenende gelesen: Ein Buch aus dem öffentlichen Bücherschrank, eine der zufälligen Zuteilungen also. Ich werde da weiter recht anspruchsvoll versorgt, erstaunlich gut eingerichtet ist das, es gibt keinen Mangel an Nachschub. Heinrich Böll: „Und sagte kein einziges Wort.“ Ein Roman aus der stark katholisch geprägten Nachkriegszeit im Rheinland.

Mir ist das vollkommen fremd, was da gut nachvollziehbar geschildert wird, aber ich weiß, dass meine Mutter aus dieser Zeit, aus dieser Gegend und auch aus so einer Szenerie stammt. Ich habe also Überlieferungsverbindungen in dieses Romangeschehen hinein, wie fern es von meinem eigenen Erleben auch ist.

Und die bis heute deutlich nachglühende Aversion meiner Mutter gegen diese Kirche ihrer Kindheit, sie lässt sich aus solchen Büchern vollkommen mühelos ableiten.

Das Buch war allerdings schmal und nicht tagesfüllend. Danach las ich noch etwas Alice Munro, den Band Liebes Leben (ein Leserinnengeschenk), Deutsch von Heidi Zerning. Hervorragende Geschichten, aber das erwartet man bei Munro auch nicht anders.

Es war gut, lange gelesen zu haben. Es war gut, Bücher gelesen zu haben, das hatte noch einen deutlichen Bezug zu meinem gestrigen Text. Vor der langen Internet-Phase habe ich mehr Bücher gelesen, wie so viele von uns. Vielleicht werde ich wieder mehr und vor allem länger Bücher lesen.

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Am Montagnachmittag brachte ich meiner Mutter noch Lebensmittel vorbei. Bei starker Kälte und Eis auf den Wegen sollte sie nicht mehr rausgehen. Sie sah mich aus der Kälte hereinkommen, sie sagte: „Kind, mach die Jacke zu.“

Auf einmal wieder jung sein, sogar Kind sein. Wieder unachtsam und unvernünftig sein. Alles Erwachsene hinter sich lassen, den ganzen Ballast der so mühsam erlernten Vernunft, doch wieder wild und gefährlich leben. That was easy!

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Im Bild der Rathausmarkt. So sieht das bei uns aus, wenn Weihnachten abgewickelt wurde. Und da ist er also, der Platz für Neues.

Der Hamburger Rathausmarkt. leer im Wintersonnenlicht und im Weitwinkel

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Ach, vergeblich das Posten

Gehört: Ein Podcast-Gespräch mit dem Titel „Kollektive Katharsis“, von Carolin Emcke mit Katja Kipping geführt. Es geht um Solidarität, um soziale Projekte und soziale Arbeit, es geht um Wohlfahrt. Eine Sendung aus der Reihe „In aller Ruhe.“

Ein angenehm entspannt geführter Austausch ist das, bei dem ich auch vieles über den Paritätischen Wohlfahrtsverband gelernt habe. Also über eine seltsame Begriffskombination, die ich in den Nachrichten seit Jahrzehnten stets halb ratend hingenommen habe. Egal, es ist nie zu spät, etwas profundere Kenntnisse zu erwerben, das fand ich gut. Interessant waren auch die Abstecher in die Haushaltspolitik und in die Prozesse der Finanzierung von sozialen Projekten.

Auch wenn es, ich weiß, zunächst nicht wahnsinnig interessant klingt. Es kommt eben darauf an, wer gefragt wird.

Außerdem gehört: Eine Sendung beim Deutschlandfunk Kultur über die von mir verehrte, vielgelesene und oft zitierte Mascha Kaléko. Ihr dichterisches Gesamtwerk steht hier griffbereit. Quasi lyrische Hausapotheke, aber damit verbindet man einen anderen Namen. In der Sendung kommen auch die Vertonungen von Dota Kehr vor, und wenn Sie die noch nicht kennen sollten, holen Sie das nach.

Quasi kultureller Imperativ.

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Und sonst ist es kalt. Zum ersten Mal in diesem Winter ist es richtig kalt, eiskalt sogar. Zweimal schon habe ich beim Spazierengehen meine Winterjacke geschlossen, das kommt sonst kaum vor. Auf den Pfützen am Straßenrand und auf dem Spielplatz sehe ich im Vorbeigehen das erste Eis der Saison. Schwarzspiegelnd am Wochenendmorgen, und kurz darauf schon von kleinen Kindern mit Feuereifer zerhackt und zertreten, mit Steinen beworfen und abtransportiert.

Die müssen sich auch ranhalten, um diese elementaren Erfahrungen in aller Eile mitzunehmen. Denn es taut bald wieder und das Nassgrau kommt in Kürze zurück, um uns dann bis etwa Ende März zu belästigen.

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Ich sehe am Wochenende zwischendurch immer wieder gewohnheitsmäßig aufs Smartphone, muss aber allmählich einsehen, dass dies keine gute Idee mehr ist. Zumindest dann nicht, wenn ich auf Bluesky oder Mastodon nachlese, was dort geschrieben wird. Threads habe ich ohnehin gerade gelöscht, es war kein schmerzhafter Verlust.

Es ist dermaßen runterziehend, gallenbitter und bis zum Erbrechen repetitiv apokalyptisch, was dort zu lesen ist … und es werden mit einem solchen, pardon, famosen Dressurerfolg die von den Rechten aus dem Hut gezauberten Themen aufgeschnappt und immer wieder enthusiastisch im Kreis weitergereicht, dass ich das Gerät jeweils nach ein paar Blicken schon an die Wand werfen möchte.

Stattdessen lieber Bilder oder Filmchen ansehen, denke ich mir irgendwann. Das kann auch entspannen. Etwa auf Instagram, denn Tiktok habe ich vor Monaten schon aussortiert – aber nein, mit Instagram war auch gerade etwas. Und viele, denen ich folge, posten deswegen dort schon nicht mehr. Einige Accounts sind bereits komplett verschwunden, es ist auch verständlich.

Auf den News-Seiten, auf den guten, alten News-Seiten von einst qualitativem Kaliber, sehe ich gleichzeitig ein unfassbar flächiges, unreflektiertes Versagen gegenüber den radikalen Rechten. Ein Versagen, mit dem sich vielleicht irgendwann die Geschichtsbücher beschäftigen mögen, ich aber gerade nicht mehr.

Die Welt „meines“ Internets scheint in diesem Jahr nach langer, schwerer Krankheit endgültig zu sterben und Geschichte zu werden. Ich muss es mir eingestehen. Ein Kapitel Kulturgeschichte wird diese Zeit, die immerhin recht lang war, wenn wir es nur wohlwollend genug betrachten. Und warum sollten wir es anders halten.

Es ist alles nur eine Phase, man landet wieder bei fundamentalen Wahrheiten. Wo aber bleibt das Positive, Herr Buddenbohm – Blogs gibt es noch hier und da. Vielleicht werden es sogar wieder ein paar mehr, in den Zeiten der galoppierenden Verelendung, Verblödung und Nazifizierung der großen Seiten und Plattformen. Vielleicht gibt es noch eine späte Blüte in meinem Biotop?

Man darf sich ab und zu mit Möglichkeiten aufheitern. Man darf sich auch jederzeit Illusionen hingeben, und die Unterscheidung dazwischen kann uns auch erst einmal egal sein.

Ich mache noch einmal Bluesky auf. Ich lese den ersten Eintrag, es geht um irgendwas, was ein radikaler Rechter gesagt hat. Was auch sonst.

Ach, vergeblich das Posten!

Spät erst erfahren Sie sich:

Bloggen und stille bewahren

Das sich umgrenzende Ich.

So oder so ähnlich stand es schon damals bei Gottfried Benn. Über dessen Lebenslauf man aber auch um Gottes willen nicht weiter nachdenken darf.

Ich weiß, ich weiß.

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Im Bild heute ohne jeden Zusammenhang, die alten Bilder müssen nur raus, die Treppen im Levante-Haus in der Innenstadt. Wobei Levante – da ist man dann geistig schon wieder im Strom der Nachrichten. Kein Entkommen nirgends.

Schlimm.

Das historisierend ausgeführte Treppenhaus im Levante-Haus

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Bewertung von hier aus

Ich kann es selbstverständlich nur von hier aus bewerten, und von hier aus sehe ich durchaus nicht alles. Ich habe auch nicht sämtliche Informationen, wie könnte ich die haben. Aber doch, soweit ich es eben vernünftig und nach sorgfältigen Abwägungen beurteilen kann, aus persönlicher Sicht und auch versuchsweise darüber hinaus einigermaßen sachlich und bemüht neutral hochgerechnet – diese ersten beiden Wochen des Jahres waren eher nichts.

Die brachten es nicht, die taugten nichts. Die waren vielmehr schadhaft und im Grunde ein Fall für durchaus berechtigte Beschwerden, für ernsthafte Reklamationen und grantige Mangelbewertungen. Und wenn ich es richtig verstehe und mitbekomme, denn ich versuche noch mehr als sonst, besonders gut aufzupassen, ist diese Einschätzung deutlich mehrheitsfähig.

Aber, liebe Gemeinde, aber! Wir haben noch 50 weitere Wochenversuche allein in diesem Jahr. Was für ein Reichtum an Möglichkeiten. Und danach haben wir womöglich sogar noch mehr, wer kann es wissen, und auch das wollen wir nicht geringschätzen. Das wollen wir vielmehr ausdrücklich und in Dankbarkeit würdigen und schon am nächsten Montag also erneut voller Schwung und Tatkraft … ja, ist gut.

Ich höre schon auf.

[Der Autor sieht seltsam blass und angestrengt aus, er wippt im Stuhl vor und zurück. Vor und zurück, und dann wieder vor und zurück. Womöglich macht er es auch noch etwas länger, es sieht ganz danach aus, wir brechen das hier erst einmal ab.]

Egal. Musik, wir alle brauchen viel mehr Songs zum Mitsummen.

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Aber wo ich gerade seltsam die Rollen vertausche und den Autor schreibend beobachte, aus welcher Position auch immer – ich sah vorhin, dass es ein neues Buch von Wolf Haas gibt. Ich nehme an, es wird die eine oder den anderen hier interessieren, jedenfalls merke ich es mir vor. Er macht in diesem Roman auch Späße mit Rollen, las ich in der Zusammenfassung, womöglich ist es also auch etwas für den Freundeskreis Fiktion und Realität.

Die Rezensionen zum Roman, ich habe die Suchergebnisse eben kurz überflogen, haben bemerkenswert enthusiastische Überschriften, fast einheitlich fallen sie so aus.

Nicht so gut dagegen ist die gleich verlinkte Rezension bei The New Republic über den neuen Roman der ebenfalls von vielen hier gerne gelesenen Elizabeth Strout: Tell me everything. Da geht es auch, und ich lese es so zum ersten Mal, glaube ich, um die Frage, wie Trump und Konsorten im Text vorkommen. Wie sich die Autorin also dazu verhält:

Olive reviles Trump, but the Trump supporters she gets to know are invariably the salt of the earth …“

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Kurz zurück zur Chronik, ich hänge etwa hinterher. Für den Freitagvormittag zitiere ich eben den geschätzten Christian Fischer: „Es liegt eine große Unlust über all dem.“

Und für den Freitagnachmittag übernehme ich noch eben eine Formulierung der ebenso geschätzten Kaltmamsell, denn man kann seine Tage auch mit geraubten Sätzen vollständig abbilden: „Zu Hause Häuslichkeiten.“

Beides trifft es sehr gut.

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Im Bild heute ohne jeden Zusammenhang der Kirchturm vor der Haustür, mit immerhin attraktiv beleuchtetem Treppenhaus.

Ein Kirchturm am frühen Abend mit beleuchtetem Fenster, hinter dem man eine Treppe erkennt

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Im Freizeitpark bei Nacht

Gehört: Ein Zeitzeichen zum Geburtstag von Rio Reiser.

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Um es vorwegzunehmen, die Antwort auf die vorgestern so hoffnungsfroh gestellte Frage, was die Maus am Donnerstag macht, sie fiel doch eher ernüchternd aus. Man hätte beim vollständigen Memorieren des Gedichtes gewarnt sein können, ich weiß.

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Es kommt am Vormittag eine Mail an meinen Abi-Jahrgang-Verteiler. Das jährliche Update der Adressen etc. Es wird darin vorausschauend darauf hingewiesen, die beruflichen Mail-Adressen vielleicht einmal gegen private Varianten auszutauschen, rechtzeitig vor Eintritt des Rentenalters. Und guck, da war das Thema wieder.

Im Büro passend dazu der Smalltalk mit den Kolleginnen, die noch wenige Wochen vor sich haben, noch einige Monate, noch ein Jahr …

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Der Deutsche Wetterdienst meldet währenddessen den Blühbeginn der Hasel in Norddeutschland. Wird sind damit, ob es heute noch einmal schneit oder nicht, im Vorfrühling angekommen. Früher als gewöhnlich, aber wer würde sich noch wundern. Die Nordsee ist warm wie nie und LA brennt ab, das ging auch durch die Nachrichten. Man liest es so nebenbei oder schon nicht mehr, wie die anderen Meldungen aus dieser Rubrik.

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Mehr Positives müsste man finden. Wir merken es alle, wir reden ja auch alle immer öfter davon, online und offline. „Was ist eigentlich gut?“ Vor ein paar Tagen erst habe ich genau diese Frage wörtlich in einem eher beiläufigen Gespräch gehört. Und man wird dann auch noch fündig.

Ich habe es einfach. Ich muss für das Gute nur einschlafen, denn ich träume sensationell. Richtig gut träume ich. Wobei ich sonst nicht zum Selbstlob neige, aber träumen kann ich, so viel steht fest. Auf äußerst angenehme Art unterhaltsam träume ich. Manchmal auch im genau richtigen Ausmaß anspruchsvoll. In jedem Fall aber wahnsinnig interessant und auch mitreißend, um das von mir so sehr gehasste Wort spannend zu vermeiden. Mitunter auch auf eine faszinierende Art seltsam, abgedreht und abstrakt. Und selbstverständlich auch nicht ohne explicit content. Für den ich nicht einmal nachweisen muss, dass ich wirklich mindestens achtzehn Jahre alt bin, für den ich auch nicht erst Warnungen wegklicken muss, es ist komfortabel eingerichtet.

Vor allem aber, wenn man die Lage der Wirklichkeit bedenkt, träume ich insgesamt verblüffend erbaulich. Ja, das ist im Ernst das treffende Wort. Ich komme gestärkt aus meinen Träumen heraus, ich stehe frühmorgens auf wie seelisch frisch betankt. Und das fast vollkommen verlässlich. Wie bestellt also, wie per Abo und gerne wieder.

Am Ende wird es so etwas wie eine seelische Inversions-Wetterlage sein. Ich nehme doch an, die andere Variante wird üblicher sein. Dass also die Nächte noch schlechter sind als die Tage, dass man unter Albträumen leidet und sich nachts an seinen quälenden Ängsten, Sorgen etc. abarbeitet. Dass man von den zahllosen Problemen der wach verbrachten Stunden bis weit in den unruhigen Schlaf hinein belästigt und verfolgt wird.

Ich dagegen habe die heile Welt bei Nacht. Freizeitpark nichts dagegen.

Die Nacht ist da, das was gescheh‘“, so sang Gustav Gründgens einst. Über den ich lieber nicht lange nachdenken will, sonst bringen mich die Assoziationen zu seinem Lebenslauf erneut in Gefahr, da muss ich im Geiste schnell eine Kurve nehmen.

Sonst lande ich am Ende doch bei den aktuellen Themen und also auch bei dem Elend mit den Rechten. Sonst müsste ich noch einmal eine Stunde schlafen, um die Belastungen des Wachzustandes erneut auszugleichen.

Plötzlich wieder so müde. Dermaßen müde.

Ein Aufkleber "Nie wieder Faschismus" auf der Rückseite eines Verkehrsschildes

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Mittwochsmeldung

Eine Blog-Nachricht aus Österreich und eine aus Los Angeles.

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Am Mittwochmorgen habe ich so ausgeprägt wie selten ein ausgesprochen unangenehmes Gefühl, für das es dieses berühmte Comicbild aus Tim & Struppi gibt, welches in den sozialen Medien wieder und wieder ritualisiert geteilt wird. Es kann und kann an diesem Tag nicht erst die Wochenmitte sein. Unmöglich ist das, es ist auszuschließen und sollte keineswegs Bestandteil meiner Wirklichkeit sein. Es müsste mindestens Donnerstag sein, eher aber Freitag, und morgen also frei, endlich frei.

Wie es auch schon auf das Monatsende zugeht, und sicher nicht erst der 8. Tag sein kann.

Der Januar war doch bereits vollkommen ausreichend mit allem befüllt, wir werden uns darauf doch sicher einigen können. Übervoll ist er längst, let’s call it a month. Immer wieder das Drosten-Zitat im Sinn und auch auf den Lippen, am liebsten aber auch als Autoresponder in Outlook, als probate Antwort auf alles: „Ja, ist gut jetzt.

Wenn man das so weiter rechnet – wir werden am Jahresende vermutlich etwa ein Jahrzehnt mit dem Jahr 2025 zugebracht haben. Und das ist in einer ohnehin stark alternden Bevölkerung womöglich etwas ungünstig.

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Ansonsten ein Tag in Hammerbrook, das Office-Office. Zu Fuß gehe ich am frühen Morgen dort hin, durch die Dunkelheit, durch die Kälte, durch den Sturm auch, schon wieder durch den Sturm. Ein wilder Südwest weht um mich herum, in Spitzen bis 9 Bft und meine Winterjacke flattert wie das Cape von Batman im Wind. Die Frisur aber sitzt, der Noise-Cancelling-Kopfhörer hält mir Haare und Hirn zusammen.

Der Mittelkanal in Hammerbrook an einem dunklen Januarmorgen, Licht aus den Fenstern der Bürogebäude an den Ufern

Ich höre unterwegs weiter Münklers „Welt in Aufruhr“, während eine ruppige Böe gerade ein größeres Bauzaunteil quer über eine Kreuzung vor mir verschiebt. Das passt wieder schön zusammen, es wirkt wie für mich inszeniert, und ich nicke der Realität also anerkennend zu. Auch würdigen, was geboten wird.

Im Coffee-Shop hole ich mir vor der Arbeit noch das richtig gute Zeug to-go. Ich werde dort mit einem freundlichen „Da bist du ja wieder“ begrüßt, und es klingt fast ein wenig so, als hätte auch ein „endlich“ in diesen Satz gepasst. Mit einiger Sicherheit ist dies im Offline-Teil der Welt der netteste Satz der Woche bisher, ach was, des Jahres sogar. Stets sollte man sorgsam auch auf so etwas achten, damit die Stimmung ebenfalls weiterhin sitzt.

Der Rest des Tages aber … fragen Sie nicht, nein, fragen Sie nicht.  Fragen wir uns lieber, was die Maus am Donnerstag macht, das ist zielführender und verweist immerhin auf neue Möglichkeiten.

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Dieses eine Spielzeug

Ich betreibe Konzentrationssport, es ist ungemein anstrengend. Und zwar höre ich ein Sachbuch als Hörbuch. Ein Sachbuch, bei dem der Inhalt eher nicht fluffig aufbereitet ist, also nicht bewusst unterkomplex angelegt ist, wie es heute modern ist. Wobei dann schon unangenehm auffällt, wie schnell und wie oft ich geistig abdrifte, auch weit abdrifte. Oder dass ich einem etwas längeren, komplizierteren Satz nur mit Wiederholungen zu folgen vermag. Es ist womöglich also an der Zeit, Konzentrationssport zu betreiben.

Jedenfalls: Welt in Aufruhr von Herfried Münkler, gelesen von Wolfgang Wagner. Ungekürzte 15 Stunden, das reicht diesmal für ein paar Spaziergänge mehr. Ob es einen an irgendeiner Stelle vom allgemeinen Fatalismus abbringen kann, das muss sich erst noch erweisen, nach den ersten beiden Stunden sind Zweifel daran angebracht. Es wird also für die seelische Verfassung am Ende gar nicht besser sein als das Doom-Scrolling, obwohl doch so viele gerade zum Lesen von Büchern raten, um dem entschlossen zu begegnen.

Ich habe den Verdacht, ich doomscrolle hinterher nur qualifizierter.

Aber die Lage ist nun einmal, wie sie ist. Und wenn das Nachrichtengemisch sich auf dem Niveau der letzten Tage weiterentwickelt, woran ich leider kaum Zweifel haben kann, dann werden wir schon bald zeitlich nicht mehr hinterherkommen. Selbst dann nicht, wenn wir uns auf wenige Quellen beschränken. Es wird zu viel sein, an zu vielen Fronten und zu viel zu vielen Themen. Und auch damit wird man dann irgendwie umgehen müssen, auch dazu muss man erst noch eine Einstellung suchen und finden, auch Werkzeuge, Methoden etc.

Als ob man nicht schon genug zu tun hätte.

***

Es starb Peter Yarrrow, das war der von Peter, Paul and Mary. Wir winken also ein letztes Mal dem Vater von Puff, dem Magic Dragon. Ein wundertrauriges Lied. In dem Video gleich sieht man ein komplett seliges, verzücktes Publikum, die Aufnahmen der Zuhörerinnen sind bei diesem Jubiläums-Auftritt fast interessanter als die der Gruppe. Das ist schön, das ist dermaßen nett und rührend, das gibt es ja heute kaum noch, möchte man beim Zusehen krückstockfuchtelnd murmeln und schon wieder äußerst nostalgisch werden. Als wenn es einen Sinn hätte, als wenn an der Nostalgie etwas Wahres wäre.

Bei diesem Lied allerdings kann die Nostalgie auch recht gezielt sein und vielleicht auch tatsächlich auf eine Wahrheit verweisen. Nämlich bezogen auf dieses eine Spielzeug, welches bei uns damals, also ganz damals, die Rolle von Puff hatte. Wir werden doch alle so etwas gehabt haben, hoffe ich. Es gehört wohl in jeder Kindheit so, dass irgendetwas derart mit einem lebt und mit einem Abenteuer besteht. Diese Abenteuer, von denen andere gar nichts ahnen.

Das entsprechende Stofftier bei mir gibt es sogar noch. Es liegt weitgehend unbeachtet und also auch unbehelligt in einem der Kinderzimmer der Söhne. Ab und zu zwinkern wir uns heimlich und in alter Verbundenheit kameradschaftlich zu, wenn ich beim Staubsaugen an dem Regal vorbeikomme. An diesem Regal, in dem es vermutlich durchgehend an jene Zeiten denkt, in denen es bei uns beiden noch etwas lustiger zuging.

In einer plattdeutschen Version des Liedes, gesungen etwa von Knut Kiesewetter, gab es das Land Honalee aus dem Original natürlich nicht, sondern einen norddeutschen Hinweis für den Freundeskreis Insel:

„Drees, de Wunnerdraken leevte anne Strand
Keem de Harvst mit Stormgebruus flog hej na Helgoland.“

Und dort treibt er sich auch heute noch herum, möchte ich annehmen. Vielleicht sollte ich beim nächsten Besuch der Insel etwas mehr darauf achten. Ja, vielleicht sollte ich mir wieder einmal etwas in dieser Art vornehmen. Etwas, das Sinn hat und schön ist.

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Heute nicht, mit Verzögerung und später

Etwas Geschichtsunterricht habe ich gehört. Natürlich zum Faschismus, damit es sich aktuell und spannend anfühlt, heute muss doch alles spannend sein. Zwei Folgen von „Alles Geschichte“ beim BR zum Ende von Mussolini gab es. Einmal über den italienischen Widerstand, einmal über die Republik von Salò. Letztere wäre mir nicht einmal ein Begriff gewesen, manchmal entdeckt man auch überraschende Bildungslücken. Die kam damals im Geschichtsunterricht wohl nicht vor, diese Republik, und sie ist mir auch danach nicht begegnet. Nanu.

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Ein neues Wort für den Smalltalk habe ich gelesen: Climateflation. Damit kann man dann im Supermarkt vor dem Olivenölregal mit anderen Menschen ins Gespräch kommen und gemeinsam über die absurd anmutenden Preise lachen. Also wenn man unbedingt mit anderen Menschen im Supermarkt Gespräche führen möchte. Und wenn man außerdem noch lachen kann. Es fällt verschieden aus.

***

Die Nachrichtenlage, die unser Kanzler vielleicht als „irgendwie komisch“ bezeichnen würde, findet im Moment nur in meinem Computer und auf meinem Smartphone statt. Nichts aus den Schlagzeilen, kein einziges Element aus den aktuellen Debatten und Skandalgeschichten hörte ich in meinem Umfeld als Element des Smalltalks, nicht einmal eine witzig sein sollende Andeutung. Und kein Graffiti wurde hier in der Gegend in den letzten Tagen neu gesprüht. Kein frischer Aufkleber pappt an irgendeinem Laternenpfahl, keine Demos mit neu gemalten Schildern und frisch getexteten Sprüchen starten abends vor dem Hauptbahnhof. Gar nichts dergleichen. Ich kann einfach vom Schreibtisch aufstehen und rausgehen, und da ist dann nichts.

Also da ist schon etwas, versteht sich. Da sind diverse unübersehbare Probleme, besonders sozialer Natur, aber auch bezogen auf den Verkehr, auf die Infrastruktur etc. Man wird schon fündig und sieht die Zeichen der Zeit, wenn man etwas aufpasst und halbwegs informiert ist. Man sieht diese Zeichen auch, siehe oben, jederzeit auf den Preisschildern im Supermarkt.

Aber es sind die Spuren einer zeitlich ausgedehnteren, breiteren Gegenwart, das sind alles Themen, die uns schon länger begleiten. Man kann man sich noch, während man durch die Straßen geht und die Szenerie aufmerksam liest, eine gewisse Langsamkeit der Entwicklung einbilden. Einen ruhigen Fluss der Ereignisse, eine gewisse Stetigkeit und Regelmäßigkeit des Ablaufs und auch eine halbwegs überschaubare Gemächlichkeit in der Eskalation.

Guckt man dagegen auf Bildschirme, liest man online die wirren Weltnachrichten nach, die roten Eilmeldungen und den ganzen Rest, geht es da um eilige, dringende Entwicklungen und um Einstürze. Man sieht die Geschichte Haken schlagen und die Welt geradezu zusammenkrachen, besonders wenn einem das Herz eher links schlägt.

Oder es kann sich zumindest nach einem Zusammenkrachen anfühlen. Man meint irgendwann, das Bersten zu hören.

Wie auch immer. Ich habe es gut, ich kann jederzeit in den Hauptbahnhof gehen und mich dort zu den anderen Menschen vor die große Anzeigetafel stellen, auf der die Abfahrtszeiten stehen. Ich kann die Zeiten der Züge der nächsten Stunden studieren, wie es da alle um mich herum auch machen. Und genau wie die vielen Reisenden neben mir kann ich all die Verspätungen nachlesen, auch wenn ich gar nicht mit einem Zug fahren möchte, gar kein Reisender bin. Einfach nur so, zur Beruhigung kann ich das machen.

„Verzögerung“, lese ich dann da oben etwa, „heute nicht“, lese ich danach. „Fällt aus“ steht natürlich auch dort und immer wieder das ganz schlichte, das allen Druck und alles Drängeln aus unseren Zeitplänen nehmende „später.“

Probier’s mal mit Gemütlichkeit kann ich dabei leise pfeifen oder summen und wieder nach Hause gehen, wo es warm und trocken ist, mit Ruhe und Gemütlichkeit. Überhaupt soll es entspannend sein und uns zur Ausschüttung von Glückshormone verhelfen, ab und zu etwas zu summen.

Es erdet mich immerhin ein wenig. Es kann beruhigend wirken, diese Zugmeldungen nachzulesen. Und man soll die Verdienste der Bahn auch nicht unerwähnt lassen, denke ich. Die hat es gerade schwer genug und wird viel zu oft heruntergemacht.

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Ein Porträt einer Katze

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Hinnehmen und Bewirken

Falls Sie mindestens kreisstadtmäßig urban wohnen und demnächst 49 Minuten Zeit bei Tageslicht haben, was zugegebenermaßen im Januar etwas anspruchsvoll klingt, habe ich einen unterhaltsamen Vorschlag für Sie. Hören Sie sich den folgenden Podcast vom Deutschlandfunk zum „Überschreiben der Städte“ und zur Grenze zwischen Kunst und Widerstand an. Es geht um Graffiti, hören Sie das, während Sie selbst spazierengehend auf die Graffitis der eigenen Stadt gucken. Ich habe das tatsächlich so getestet, und es hat mir Spaß gemacht. In der Sendung werden an mehreren Stellen auch Graffitis vorgelesen und beschrieben. Man sieht dann unwillkürlich zumindest für einen Moment wieder etwas genauer auf die Tags in der eigenen Gegend.

Laut gelacht habe ich beim Hören, als einer der interviewten Sprayer mit dem gebotenen Ernst des Meisters sagte, dass man es aber von der Pike auf lernen müsse, dieses Verzieren der Häuserwände. Ich möchte wetten, dass er es mit erhobenem Zeigefinger gesagt hat, es klang so. Gleich habe ich die Ärzte dabei im Ohr gehabt: „Geh doch zu Onkel Werner in die Werkstatt.

Es wird außerdem der Song „Rappers Delight“ von der Sugarhill Gang kurz angespielt, bei dem ich eben auf die Talkshow-Version von Sandra Bullock verweisen möchte, falls Sie die nicht kennen:

Es lohnt aber auch unbedingt, sich das Original des Songs noch einmal anzusehen und nebenbei festzustellen – das Ding ist bereits unfassbare 45 Jahre alt. Meine Güte. Dann ist man selbst also auch mindestens … ab und zu trifft es einen doch.

Aber apropos. Gerade las ich bei Heinz Bude, in seinem „Abschied von den Boomern“, dass uns, ich zitiere sinngemäß, um den sechzigsten Geburtstag herum – das trifft auf mich allmählich zu – klar wird, „was man hinnehmen muss und was man noch bewirken kann.“ Und obwohl es Heinz Bude beim Schreiben des Buches nicht wissen konnte, ist auch das ein trefflich passender Satz, bzw. ist es eine passende Frage gerade für die Besinnungsarbeit am Anfang des Jahres 2025.

Schöne Grüße auch an die Leserinnen in Österreich, aber das nur am Rande und ohne jede Überheblichkeit. Wir werden hier früh genug dran sein.

Ein Aufklkeber an einem Ampelmast: Merz muss weg.

Wo war ich. Ach ja, der Song. Noch mit Krawatte dargebracht, das glaubt einem auch keiner, wenn man es nicht gesehen hat. Ruhig etwas lauter machen, ne.

Und bei arte kann man, wenn man sowieso schon bei diesen Themen gelandet ist, passend gerade etwas zu den Wurzeln der Hiphop-Kultur und auch noch etwas weiter zurück, bis zu Funk und Soul und wiederum deren Anfängen etwas lernen.

Nämlich in dieser vierteiligen Doku über James Brown, die mir als Wochenendunterhaltung diente: Say it out loud. Wieder einiges gelernt dabei. Musikgeschichte find ich meist halbwegs entspannend, obwohl nicht gerade wenig Politik in den Folgen vorkommt.

Danach noch etwas James Brown gehört, mit deutlich mehr Kenntnis, das war also ein Gewinn.

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