Eine Hose noch, eine Bluse, ein Hemd

Nils Minkmar über die Memoiren von Schäuble: „Schäuble lernt Dutzende oder Hunderte von Menschen besser kennen, aber Porträts haben hier die Tiefe von Smileys. Angela Merkel ein freundliches, Helmut Kohl ein großes und böses Gesicht.

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Nicht erzählt habe ich, fällt mir gerade ein, dass ich neulich, als die letzte Karstadt-Insolvenz-Meldung gerade durch die Medien ging, in einem solchen Kaufhaus war, einen Tag nach dieser Meldung. Es war voll dort, überraschend voll, aber es waren alle, alle, die dort in langen Schlangen vor den Kassen standen, alt. Also noch deutlich älter als ich, weit im Rentenalter. Es waren, nehme ich an, die Menschen, die jetzt den endgültigen und vor allem schnellen Tod der Kaufhäuser antizipierten und also eilig noch einmal einkaufen gehen wollten, bevor diese Möglichkeit für immer aus der Stadt verschwinden würde. Eine Hose noch, eine Bluse, ein Hemd, eine Bratpfanne. Das Bild dieser Warteschlange war wieder eines, das jenseits aller Glaubwürdigkeit war, viel zu überzeichnet sah das aus, eine Karikatur, ein Sketch, so gar kein junger Mensch dazwischen.

Ich stand staunend und reihte mich dann einfach ein, mit meinen grauen Haaren fiel ich sicher kaum auf.

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Eine Album-Empfehlung: The Power of the heart – a tribute to Lou Reed. Unter anderem mit dieser Perle von Mary Gauthier:

Aber auch der Wainwright bemerkenswert:

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Gelesen: Literary love affair – why Germany fell for a windswept corner of Ireland. Über die Nachwirkungen des irischen Tagebuchs von Heinrich Böll. Das ich auch immer noch lesenswert finde.

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Gesehen: Diese Doku über Kant (arte, 53 Minuten). Nicht nur Kafka in diesem Jahr, sagt der Kulturkalender mahnend.

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Was kann Deutschland vom Bildungsweltmeister Singapur lernen? Eine Reportage von Jennifer Johnston. 33 lohnende Minuten für jeden, der intensiven Kontakt mit dem System Schule hatte oder hat, also sicher auch für Sie. Faszinierend anders, was da über Singapur erzählt wird, der inhaltliche Abstand zu Deutschland erscheint riesig, wirkt unüberbrückbar, es ist ein Mentalitätsgraben von beträchtlichem Ausmaß zwischen den Weltgegenden. Man kann es zumindest einmal zur Kenntnis nehmen, man muss gar nicht sofort etwas daraus ableiten. Es sei denn, man möchte dringend.

Es ist sicher kompliziert, aber es ist am Ende wohl ein Ehrgeiz- und also Motivationsproblem. Aller Ehrgeiz in unserem Land bezieht sich auf den Status Quo, der längst erstaunlich vielen Gruppen und auch mehreren Generationen zum anbetungswürdigen goldenen Kalb geworden ist, und das ist eben keine Richtung, die noch in die Zukunft weist. Ob es einem nun passt oder nicht, wir haben uns in der Gegenwart verrannt, scheint mir, die währenddessen zur Vergangenheit wird. Wir wollen nichts mehr werden, nur sein, und das bitte komfortabel.

Ob Ehrgeiz aber überhaupt erstrebenswert ist – das wäre dann eine weitere, viel tiefere Frage. Allerdings eine, die in Singapur für große Verwunderung sorgen würde. „Ich weiß aber, dass alle etwas wollen sollen“ schrieb die deutsche Philosophin Judith Holofernes vor etlichen Jahren (2003), und es war keine freudige Feststellung.

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Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

Was liegt in den Stunden

Gesehen: Trintignant über Trintignant auf arte. So schön, das sollte man auch ab und zu sagen, dass es arte gibt, was hat mir dieser Sender nicht schon für Freude bereitet. Andere europäische Sender, aber das nur am Rande, haben längst Schwierigkeiten mit den Faschisten, die Lage ist und bleibt bedrohlich.

Wie schon bei der Simone Signoret neulich wiederum eine Doku mit wunderbaren Bildzitaten aus französischen Filmen, man möchte den Tag danach mit dem passenden Soundtrack fortsetzen und bei jedem Moment des Alltags zumindest kurz überlegen, ob er eine Großaufnahme sein könnte und wer als nächstes ins Bild kommen sollte, von wem gespielt und mit welcher Kameraführung. Die Ranunkeln vor Raufaser, der kritische Blick der Herzdame auf die absinkenden Blüten, mein Griff zum Mantel, ich gehe neue Blumen holen. Wie fängt man das ein, was sagt das aus, was liegt in den Gesichtern, in den Stunden.

Die Söhne sind auf Reisen, wir haben heute Zeit zu zweit. Es ist ein guter Tag für ein Kapitel, für paar Filmminuten. Welche Blumen würde ich holen, wenn Trintignant mich spielen würde. Was ist das für ein Gedanke, was entstehen für Bilder, aber egal, ich kann hier denken und schreiben, was ich will. Vorteil Blog.

Ach, ach. Mal wieder mehr französische Filme sehen, die alten Filme noch einmal sehen. Ich merke doch, es entsteht da ein Bedürfnis, aber was ist das dann für eine kulturelle Mischung in meinem Konsum gerade. Kafka und Lelouch, Chabrol, Truffaut etc., daneben Schiller, so geht es hier zu und folgt gar keinem intellektuellen Interesse, ich kann das unmöglich vorgeben.

Es folgt alles vollkommen ungehemmt lediglich Neigungen und Launen, as my wimsey takes me, um auch eine Frau und ihr Werk in diesem Kontext zumindest anklingen zulassen. Die habe ich auch Ewigkeiten nicht mehr gelesen, fällt mir ein, ob mir ihre Bücher wohl immer noch gefallen würden? Oder jetzt erst recht?

Auch bei ihr ist es interessant, kurz den Lebenslauf nachzulesen.

Wo war ich stehengeblieben? Trintignant jedenfalls. Ein so gutaussehender Neunzigjähriger, und eine wunderbare Schlussszene der Dokumentation, in der die Lyrik einen angenehm hohen Stellenwert hat. Gefällt mir.

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Nichts trifft uns gründlich

AI isn’t useless. But is it worth it? Das ist ein langer, langer Text über die Anwendung von AI, über das Warum und das Wie und den eventuellen Nutzen, den Schaden und auch über die ethischen Fragen. Der Text wird nur kurz knackig technisch, das Durchhalten lohnt sich und das Ende ist treffend.

Hervorragend, und meiner momentanen Meinung zu dem Thema auch noch täuschend ähnlich. Das freut mich, sogar auf eine etwas streberhafte, fingerschnippende Art, ich gebe es zu, denn ich habe ebenfalls viel Zeit mit dem Thema verbracht in den letzten Monaten.

Man muss es der Weltgeschichte aber ab und zu ins Gesicht sagen, wie wahnsinnig enttäuscht man davon ist, dass ethische Fragen überhaupt keine Rolle mehr spielen, bei nahezu keinem Thema. Was für ein eklatantes Versagen von uns allen.

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Auch gut: Dieser Text von Hedwig Richter. Über den, so schreibt sie, plebiszitärvulgären Volkswillen und die Abwärtsspirale der niedrigen Instinkte. Das hat sie schön und bemerkenswert treffend gesagt, man möchte ihr zu der Wortwahl herzlich gratulieren. Und man kann dann noch in Gedanken eine Linie zum erstverlinkten Text und der Schlussfolgerung darunter ziehen, so unter uns Moralapostelinnen.

Gibt es den Begriff Apostelin überhaupt, das Wort sieht doch etwas seltsam aus, schon gar im Plural? Selbstverständlich nachgesehen und zack: Junia. Es gibt sogar eine Apostelin-Junia-Kirche. In Augsburg. Guck an!

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Noch ein Longread, über die Kabel auf dem Meeresboden und die Männer, die sie reparieren (gefunden via hotelmama auf Bluesky).

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Der jüngere Teil der Welt hört gerade wieder Taylor Swift, ich höre etwas seniorigeren Herren zu, die auch neue Musik liefern. Es ist alles gut verteilt und für jeden etwas dabei: Black Tie Job.


Oder hier, man kann ihnen auch bei der Arbeit zusehen:


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Und Reinhard Repke hat Eva Strittmatter vertont, „Anfang der Liebe“ – Nichts trifft uns gründlich, alles ist leicht. Erst wenn man weiß, dass sie enden kann, hat man den Anfang der Liebe erreicht.

Es gibt von Reinhard Repkes „Club der toten Dichter“ eine ganze Reihe Alben, wenn Sie das nicht kennen, da gibt es einiges zu entdecken. Den Schiller habe ich damals live gesehen, Dirk Darmstädter als Sänger, es war ein großartiger Abend. „Der allein besitzt die Musen, der sie trägt im warmen Busen, dem Vandalen sind sie Stein.“

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Konstruktive Kartofffeln

Ich finde die Nachrichten am Morgen zusehends unangenehm, fast schon körperlich unangenehm. Dieses fortwährende Fremdschämen ob all der Dummheiten, Frechheiten und Schrecklichkeiten. Dabei finde ich mich selbst ausreichend peinlich und unerträglich und habe mit eigenen Problemen genug zu tun. Aber all diese zusätzlichen, entsetzlich abstoßenden Menschen, diese furchtbaren, belastenden Themen und Ereignisse, die ich lieber nicht zur Kenntnis nehmen möchte, sie aber doch immer wieder alle beflissen und teils sogar in der Tiefe studiere. Als sei es die erste und wichtigste Bürgerinnenpflicht, sich mit der FDP zu befassen, mit den Ansichten von Merz, von Trump, auch mit Nazis, mit grauenvollen Kriegen, mit der Klimakrise und der Apokalypse und immer so fort. Dabei immer den Poisel im Ohr, wie soll ein Mensch das ertragen.

Aber nur ironisch, versteht sich, denn andere ertragen doch viel mehr, viel Schlimmeres, daran kann es überhaupt keinen Zweifel geben. Sich immer gleich zurückpfeifen und relativieren. Das ist allerdings auch so ein Pflichtding, und am Ende ist es eng verwandt mit der protestantischen Arbeitsethik, Hauptsache, man macht sich nieder und klein und funktional.

Lindner hat gesagt … Um Gottes willen, was ist das für ein Niveau, worüber reden wir da. Lieber vom Bildschirm hochsehen und den Blick ins Regal vor mir lenken, da keimen Kartoffeln in Eierkartons vor, sie kommen demnächst ins Beet. Bizarre Triebe tastend in den Raum gestreckt. Das ist etwas Konstruktives, das ist der Zukunft zugewandt und gleichzeitig dermaßen traditionsverbunden. Gartenbau als geteilter Wert quer durch die Generationen, meine Großmutter hätte diese Kartoffelsache sicher gemocht. Kartoffeln ansehen und weiteratmen, Kartoffeln sind okay.

Gleich neben den Kartoffeln steht der Lehmann, das Bukolische Tagebuch 1927 – 1932. Der Herr hat auch woanders hingesehen, wie konsequent er das gemacht hat, und es war keine Biedermeier-Attitüde bei ihm. Ich habe mich eine Weile mit Nature Writing befasst, dieses Buch blieb mir aus der Zeit in Erinnerung und steht für mich zum gelegentlichen Wiederlesen bereit. Wie ich überhaupt meine Bücher nach und nach auf die reduziere, bei denen ein Wiederlesen noch in Betracht kommt.

Im Sommer wird das Buch in die Laube gestellt, um im Garten verfügbar zu sein, es ist passende Draußenlektüre. Wenn Sie in der Richtung Interesse haben, ich empfehle es erneut, wie schon vor längerer Zeit einmal.

Aber unterm Strich, das wollte ich eigentlich nur sagen, und Sie wissen eh schon, dass es mich beschäftigt, ist die Themenwahl, unsere Themenwahl, selbst ein großes, ein immenses und manchmal tagesfüllendes Thema.

Womit vergeht die Zeit, die mir auf Erden gegeben ist, kleiner muss man es nicht denken.

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Kafka, Schiller etc.

Vorweg noch einmal ein herzlicher Dank – es kamen die weiteren beiden Bände von Reiner Stachs Opus über Kafka. Das Trio der dicken Bände sieht auf dem Nachttisch ganz hervorragend aus, ich freue mich.

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Ein Sohn räumt sein Zimmer um, nur wenige Wochen nachdem der andere Sohn das in seinem Raum gemacht hat. Bei ihm sieht es jetzt ebenfalls deutlich weniger nach Kinderzimmer aus, auch wenn noch ein paar Gegenstände, Spiele, Deko etc. aus früheren Zeiten in den Regalen stehen, einfach nur, weil niemand das alles spontan wegwerfen will und auf den ersten Blick nirgendwo ein anderer Platz frei ist. Man könnte das Zeug vielleicht später verkaufen, doch noch einmal benutzen, an die etwaigen und höchst theoretischen Enkelinnen weitergeben, verschenken, was auch immer.

Kinderzeitreste also, auf unbestimmte Zeit zwischengelagert, und dann wahrscheinlich auf lange Zeit nicht mehr angerührt. Wir hatten alle oder fast alle einmal solche Zimmer mit solchen Regalen, nehme ich an. Dicker Staub auf Brettspielschachteln und Stofftierglasaugen.

Der Schreibtisch steht jetzt anders im Raum, weswegen ich, der ich in den Kinderzimmern Home-Office mache, während sie in der Schule sind, also hoffentlich in der Schule sind, weil mir hier sonst Raum und Tisch fehlen, mich fühle, als hätte ich ein neues Büro bekommen.

Sehr nett, eine Abwechslung, und ich musste gar nichts dafür tun.

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Am Montagabend weiter in der Kafka-Biografie gelesen, weiter zufrieden gewesen. Wenn ich in der Geschwindigkeit von gestern weiterlese, brauche ich allerdings eine Ewigkeit für das Buch, ich werde die Lektüre nicht mehr jeden Tag erwähnen. Setzen Sie bitte einfach Kafka als Grundnote meiner Abende in der nächsten Zeit voraus, es passt schon. Er wurde im aktuellen Kapitel gerade erst geboren, es musste auch erst ein paar Seiten lang Wallenstein abgehandelt werden, der Prag-Hintergrund etc.; es entwickelt sich angenehm langsam, das Werk.

Ich bin etwas in Versuchung, von diesem Buch aus alles Mögliche nebenbei zu lesen, so erinnere ich mich etwa an Schillers Wallenstein nur vage, da könnte man doch noch einmal hineinsehen, wenn das Stichwort schon fällt … Na, mal sehen.

Dicker Staub übrigens liegt hier nicht nur auf den Brettspielschachteln, sondern auch auf der Schiller-Gesamtausgabe, sehe ich gerade. Auch eines der Werke, die ich damals in der Antiquariatszeit statt Lohn mitgenommen habe.

„Spät kommt Ihr – doch Ihr kommt!“ Gleich der erste Satz ein bekanntes Zitat. Verlockend.

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Den Meisen nacheifern

Vorweg ein herzlicher Dank in die Schweiz, es kamen per Post die Aufzeichnungen der Kaschnitz in antiquarischer Ausgabe – wunderbar!

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Schnatterkalt geht es am Dienstagmorgen weiter, auch der Regen auf den Dachfenstern fehlt nicht, ebenso wenig der schneidende Wind ums Haus. Unbill aller Art da draußen. Mit Murren und Knurren in den Tag. Die Vögel allerdings singen vom Wetter gänzlich unbeeindruckt, als sei es ein herrlicher, strahlender Frühlingsmorgen mit allen Möglichkeiten des milden Monats Mai. In Bezug auf die morgendliche Stimmung vielleicht doch mehr den Meisen nacheifern, sie haben den Menschen da eindeutig etwas voraus.

Versuchsweise vor dem Badezimmerspiegel sich selbst eins pfeifen. Na ja.

Wobei ich zu den Menschen gehöre, die ausgesprochen gerne aufstehen, auch früh. Ich bin dabei aber nicht zwingend gut gelaunt. Gute Laune wird doch etwas überschätzt, glaube ich, man kann auch suboptimal gelaunt reibungslos funktionieren und, nur als Beispiel, Texte schreiben wie immer oder anders tätig werden. Ich wache ausgesprochen arbeitsam auf, nicht unbedingt vergnügt. Und es ist auch in Ordnung so.

Zum wilden Herumflirten, wie es mir die Meisen vorleben, neige ich am frühen Morgen gewiss nicht. Das ist bei Menschen generell keine gute Uhrzeit für die Partnerinnenwahl, glaube ich, und außerdem habe ich schon eine. Was ein Glück.

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Dann ein Vormittag im Home-Office ohne blogbare Highlights. Nur der Buntspecht besucht immerhin zwischendurch den Balkon. Er hält sich dort sogar länger direkt vor mir auf und lässt sich bestaunen, das ist nicht nichts. Ich kann vom Balkon aus, Moment, ich zähle eben im Geiste nach, etwa 25 Vogelarten identifizieren, die hier regelmäßig zu Besuch kommen oder vorbeifliegen. Im Garten werden es einige mehr, werden es etwa 35 sein und ich weiß gar nicht, ob das für Stadtmitteverhältnisse nun viel oder wenig sind. Man müsste etwas vergleichen, Sie können ja auch einmal zählen.

Es sei denn, Sie sind passionierter Vogelbeobachterin und wohnen im Naturschutzgebiet, dann würde mich Ihr Ergebnis vermutlich nur frustrieren.

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Gelesen: Beim Redaktionsnetzwerk Deutschland gibt es einen Newsletter „Demokratie-Radar“. Ich nehme an, er könnte auch einige der Leserinnen interessieren.

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Fast final hinweggefegt

Gesehen: Die Landlebenbloggerin verlinkte hier im Text das folgende Video über ihre Arbeit für den SWR, und wer sie schon länger liest, erkennt zwei, drei Sachen wieder:

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Gehört: Eine Folge von Radiowissen über Romeo und Julia. Nicht nur über die Shakespeare-Version, auch über die Vorlagen (22 Minuten).

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Gelesen: Angefangen mit dem Reiner Stach, Kafkas frühe Jahre. Es ist wie erwartet hervorragend erzählt, es ist ein überaus anziehendes Buch, und der Abend ist zu früh zu Ende. Ich hätte gerne noch mehr Zeit dafür gehabt, aber Nachtschichten mache ich nicht mehr. Demnächst weiter.

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Am Montag Home-Office bei bescheidenen vier Grad am Morgen, dann doch mit etwas Heizbedarf, bei allem Geiz. Die Weltlage ist schlecht, der Wetterbericht ist schlecht, es ist sehr Montag und auf dem Weg zum Bäcker motzen mich zwei Amseln an, als würde ich mit jedem Schritt etwas falsch machen. Empörtes Gezeter begleitet mich in die Woche.

Dennoch Brot holen. Alles immer dennoch machen. An der Ampel wäre ich dann fast von einer Kehrmaschine überfahren worden. Es wäre ein Tod mit feiner Pointe gewesen, so final hinweggefegt zu werden, es hätte auch etwas gehabt. Man hätte das einerseits gut verbloggen können, hätte es andererseits aber nicht mehr gekonnt. Letzte Pointen sind oft ein spezielles Problem, glaube ich. So etwas vielleicht lieber nicht anstreben, es ist zu kompliziert.

Nachmittags, nach dem montäglichen Großeinkauf, endlich den Kühlschrank saubergemacht. Ich möchte nicht darüber reden, jedenfalls nicht ohne seelsorgerischen Beistand. Aber ich gehe jetzt jedenfalls gerne wie zufällig in die Küche, mache die Kühlschranktür auf und sehe einen Moment hinein. Es sind die kleinen Freuden.

Die Herzdame fuhr währenddessen erst zur Werkstatt und dann in den Garten. Sie übte sich dort im sportlichen Rasenmähen bei heranrauschendem Regen, die letzten Meter bei den ersten Tropfen. Viel Gras, wenig Zeit. Wir scheinen beide gerade keinen Sport zu brauchen, der Alltag gibt ausreichend Betätigung und Bewegung her. Schön, schön.

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Weißes Wirbeln

Gelesen: Es gibt eine neue Monatsnotiz von Nicola. Immer lesenswert.

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Gesehen: Diese Dokumentation auf arte über Simone Signoret. „Das ist Luxus: Nichts zu tun, was mich langweilt.“ Es sind mehr, es sind viele Sätze darin, die man zitieren möchte, zu viele, und es gibt dazu noch großartiges Bildmaterial. Sie werden es selbst ansehen müssen und es wird sich lohnen. Nehme ich an. Mit großem Interesse gesehen.

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Manchmal ist es interessant, wenn man bei irgendetwas richtig lag –so schrieb ich neulich in dem Text „Spiegelungen des Verfalls“ über Schlaglöcher und Schäden an der Infrastruktur, jetzt sehe ich beim NDR: „Deutlich mehr Unfälle durch Schlaglöcher in Hamburg.

Denn, wie immer wieder festzustellen ist, es ist aufgrund der eingeschränkten Stichprobe eben nicht selbstverständlich, dass man richtig liegt.

Eine Beobachtung kann ich ergänzen, wenn auch noch nicht recht deuten. Hier wurde gerade an einer Straßenecke etwas gearbeitet, die Verkehrsführung leicht geändert, und die Qualität und Ausführung dieser Arbeit ist im Ergebnis seltsam. Sie ist eher so, wie man es per Klischee früher südlicheren Ländern zugeordnet hätte, merkwürdig improvisiert und ungenau, etwas unbeholfen und unfertig aussehend. Vielleicht gehört das zu diesem Infrastrukturthema dazu, dass wir, also wir als Gesellschaft, auch die Reparaturen jetzt nicht mehr so können und ausführen, wie wir es früher einmal konnten. Vielleicht ist es aber auch nur Zufall, was ich da sehe.

Und vielleicht gibt es in ein paar Wochen einen Bericht im NDR dazu. Ich kann nicht mehr tun, als das zu beobachten, was vor der Haustür passiert, und das ist merkwürdig genug.

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Am Sonntagmittag fahren wir in den Garten, nachdem ich mit einem Sohn noch etwas über das Grundgesetzt gesprochen habe, für die Schule. Dabei immer die alte Degenhardt-Zeile im Ohr: „Ja, Grundgesetz, ja, Grundgesetz, ja, GrundgesetzSie berufen sich hier pausenlos aufs Grundgesetz – Sagen sie mal, sind sie eigentlich Kommunist?“ Aus der Befragung eines Kriegsdienstverweigerers war das, sehr damals. Ich halte an mich, den Sohn nicht mit Geschichten aus grauer Vorzeit zu belästigen, aber es ist nicht einfach.

Im Garten (was dann übrigens ein Liedtitel von Hannes Wader ist, aber das nur am Rande). Alle Obstbäume blühen, die Tulpen auch, sogar schöner denn je, die Magnolie gerade eben noch, dazu einige frühe Blumen in den Beeten, Beinwell, Vergissmeinnicht und andere. Das Gras steht üppig hoch, denn der Rasenmäher ist zur Reparatur, und das saftige Gras ist geradezu unglaubwürdig grün im Mittagslicht. Die Sonne scheint und der Garten sieht fantastisch aus, maien- und märchenhaft, aber während wir noch begeistert hinsehen, kommt mehr und mehr Wind auf, und der wird kälter und kälter. Bald fliegt es um uns weiß wie Schnee wirbelnd durch die Luft, es sind die ersten abgefetzten Apfelbaumblüten, die Kirschbaumblüten. Die Kaltfront rollt schon heran und wird zehn Tage oder länger bleiben, ein ungebetener Gast. Fisch und Besuch riechen nach drei Tagen, pflegte meine Mutter zu sagen, aber was kümmert das eine ausgewachsene Kaltfront.

Nur in der Laube ist es noch warm, zu warm sogar, es wird einem heiß beim Schreiben am Tisch. Noch etwa zwei, drei Stunden lang wird es so sein, dann wird sich auch das für eine Weile erledigt haben.

Auf dem Weg zurück zur U-Bahn später sportliches Gehen, sonst wird es schon zu frisch.

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Es geht immer noch etwas

Am Sonnabendmorgen frühes und allgemeines Aufstehen, es gibt Gemeinschaftsarbeit im Schrebergarten, eine jährliche Pflicht. Außerdem ist ein Sohn, wiederum dank Deutschlandticket, ausflugsorientiert und reist zeitig los, ein ungewohnter Schnellstart ins Wochenende für alle.

Für die Gemeinschaftsarbeit, einige Stunden Unkrautbeseitigung vor dem Vereinsheim, können die Herzdame und ich uns, wir man an dem Wortteil Gemeinschaft schon sieht, einen Demokratiepunkt vergeben, von denen man als Grundgesetzultra im Laufe des Jahres nach Möglichkeit einige sammeln sollte, wie ich finde. Zwei haben wir uns in den letzten Monaten schon für Elternabende gegeben, denn auch die zählen, da sind sogar Wahlen dabei. Wobei ich mir praktischerweise die Regeln für dieses Spiel selbst mache und allein entscheide, was zählt, das ist manchmal ein Vorteil.

Nach der Gartenarbeit, wie immer nach der ersten Großaktion im Grünen im Frühling, ein überwältigendes Erschöpfungsgefühl, wie nach einem gerade gelaufenen Marathon, vollkommen unangemessen für ein wenig Herumwühlen in der Erde. Die Herzdame und ich hängen stöhnend und ächzend in den Seilen, und ich gehe im Geiste schon die mir bekannten Orthopäden durch, welchen nehme ich denn diesmal.

So ist es allerdings stets, wenn die Saison beginnt, nach den ersten Stunden denkt man, dass man in diesem Jahr vielleicht einfach nicht mehr kann, aber das gibt sich bald. Ein Garten ist ein äußerst effektives Fitnessstudio.

Zu dieser Gemeinschaftsarbeit gehört auch verlässlich die Erkenntnis, dass es ältere, auch viel ältere Menschen gibt, die deutlich fitter sind als man selbst. Man sieht aus dem Augenwinkel etwa, wie sie sich nach einem Gartengerät bücken, als sei Bücken ganz einfach. Machen die seit dreißig Jahren Yoga oder was, sie sind gar nicht der Typ dafür.

Man kann es, mit etwas Fantasie jedenfalls, motivierend finden. Es geht immer noch etwas.

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Nachmittags Treffen mit Menschen aus dem Internet. Wie damals, vor achtzehn Jahren oder so, als dieses Online noch ziemlich neu war und wir uns alle kennenlernten, auch genau so erfreulich, nur dass wir jetzt eben zu dem Tisch gehören, an dem die Truppe mit den grauen Haaren sitzt.

Und dass wir einen ausgesprochen lauen Sommerabend in der Außengastro im April haben – es erwähnt niemand, aber wir hätten es selbstverständlich mehrfach betonen können, dass es das früher so nicht gab, dass früher alles anders war. Aber wir haben uns alle so weit im Griff.

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Kleine Sonnen für den Hausgebrauch

Ich werde mir als neues Lieblingsspezialwissen merken, dass die Wehrmacht Spalier stand, als die ersten Waschbären 1934 in Deutschland ausgewildert wurden (Audio, 5 Minuten). Im Grunde Braunbären.

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Beim Einkauf etwas über die Geschichte der Mode gehört, genauer über die Mode des Empire, bzw. des Directoire (23 Minuten). Dass die Frauen ihre hauchdünnen Musselinkleider damals auch im Winter trugen und deswegen reihenweise krank wurden – in der Kulturgeschichte der Mode könnte ich mich gerne auch längere Zeit verlieren, ein so anziehend abgründiges Thema.

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Weiße, etwas abstoßend leichenhaft wirkende und trostlos hinsinkende Tulpen entsorgt und stattdessen stramme, sattgelbe Ranunkeln gekauft. Mehr Farbe auf dem Wohnzimmertisch. Leuchtfeuer vor Raufaser, kleine Sonnen für den Hausgebrauch.

Und falls Sie auch immer wieder darüber stolpern – man kann auch Rauhfaser schreiben. Rechtschreibreform und so. Wikipedia-Ergänzung: „Die Raufasertapete gilt auch in England als Inbegriff des Kleinbürgertums und zieht sich leitmotivisch durch die 1995 erschienene Single Disco 2000 der englischen Popband Pulp (Your house was very small / With woodchip on the wall).“

Woodchip, die Vokabel hätte ich nicht gewusst. Nun gründlich abgespeichert.

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Mit einem Sohn über eine Kurzgeschichte von Wolfgang Borchert gesprochen, zur Vorbereitung auf eine Deutscharbeit. Die Küchenuhr heißt die Geschichte, bestimmt vielen aus der Schulzeit bekannt, es geht um das, was bleibt, wenn ein Haus in Trümmern liegt, zerbombt wurde, mit den Menschen darin, es geht um einen Überlebenden, was er noch hat und was es ihm bedeutet, nämlich einzig die titelgebende Küchenuhr, aus dem Schutt geborgen.

Man müsste kein einziges Wort ändern, um diese Geschichte heute in der Ukraine oder einem anderen Kriegsgebiet spielen zu lassen, kein einziges Wort. Die Geschichte ist durch Zeiten und über Grenzen hinweg gültig.

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Abends im Bett dann noch mehrere Liebesgeschichten von Adolf Muschg gelesen und gut gefunden. Texte aus den frühen Siebzigern des letzten Jahrhunderts. Ich bilde mir ein, dass man in denen noch eine Ruhe des Nachdenkens und Schreibens liest, die wir mittlerweile beim Lesen und Verfassen von Texten verloren haben. Das auch schon so bei der Kaschnitz neulich gedacht. Man kann es anhand der Grammatik nicht oder kaum beweisen, aber die Sätze hatten damals entschieden mehr Zeit, sich Wort für Wort aufzubauen.

Vielleicht lässt es sich auch schlicht mit der Entwicklung der Schreibgeräte erklären. Wahrscheinlich wird es so sein. Die Hast der huschenden Finger auf Computertastaturen, es ist etwas Grundsätzliches.

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