Wenn die Söhne Fangen spielen und sich dabei an einem vorher ausgemachten Ort in Sicherheit bringen, dann nennen sie diesen Ort immer “Mi.” Das irritiert mich, denn in meiner Kindheit hieß es Klipp. Und das irritiert wieder andere, denn bei denen hieß es Klippo, mit einem o am Ende. Oder Frei. Oder Aus. Es scheint viele regionale Bezeichnungen dafür zu geben, ähnlich wie beim Brotknust oder beim Apfelgriepsch. Es kommt vor, dass mir ein Kind auf den Schoß springt und mich lauthals zum Mi deklariert. Da bin ich dann froh, dass sie nicht Klippo sagen, denn das klänge doch, als sei ich ein Clown von bestenfalls mäßiger Intelligenz. Mein Papa, der Klippo. Nein danke.
Natürlich habe ich die Herzdame gefragt, was sie in ihrer Kindheit gesagt hat. Die Herzdame kommt aus Nordostwestfalen, einer etwas seltsamen Gegend. Sie verstand die Frage nicht. Ich habe es ihr erklärt, sie sah mich ratlos an. Dann hat sie mir erzählt, dass es so etwas in ihrer Kindheit gar nicht gab. Wenn sie damals Fangen spielten und einer war zu langsam, dann wurde der eben gefangen. Was denn sonst? Da gab es keinen Sicherheitsort, keine Pausenzonen. Nordostwestfalen ist eine Gegend, in der man zur Eindeutigkeit neigt, auch was das Verlieren betrifft. Die Herzdame findet das Mi-Konzept daher total abwegig. Ich habe versucht ihr zu erklären, dass Mi oder Klipp das Spiel wesentlich netter machen. Das war ihr egal: “Wenn man geschnappt wird, dann ist das eben so!” Da habe ich nichts mehr gesagt. Ich habe mich nur noch in Gedanken gefragt, wie sie vor vielen Jahren wohl auf meinen etwas plötzlichen Heiratsantrag reagiert hätte, wenn sie mit anderen Regeln aufgewachsen wäre. “Wenn man geschnappt wird, dann ist das eben so.”
Ich habe manchmal den leisen Verdacht, diese Regel war ganz gut für mich.
(Dieser Text erschien als Sonntagskolumne in den Lübecker Nachrichten und in der Ostsee-Zeitung)
Bei uns hieß es „Pulle“. Zonenrandgebiet zwischen Hannover und Helmstedt.
„Darüber hinaus gibt es noch eine Vielzahl von anderen Bezeichnungen, die wegen sehr kleinräumiger Verbreitung oder seltener Meldung nicht in der Karte dargestellt werden konnten, so etwa […] Mi (Hamburg) …“
https://www.philhist.uni-augsburg.de/lehrstuehle/germanistik/sprachwissenschaft/ada/runde_2/f11/
Das kenne ich aber auch nicht… Sind wir denn bei der Wohlfahrt?
Ich bin ganz bei der Herzdame. Ich kann mich nicht erinnern, dass es solche Pausenregeln gab…
Die Uni Salzburg hat das im Atlas Alltagssprache inzwischen noch ein wenig kleinteiliger aufgemalt. Die zeigen da auch, a href=“http://www.atlas-alltagssprache.de/fangen-spiel/“>wie das Fangenspiel selbst heißt. In Südnordostwestfalen sagt man ja „packen“. Wobei ich mir dann immer vorstelle, wie man dort wohl „ich packe meinen Koffer“ spielt.
Wrgs, Link kaputt. Hier nochmal:
Die zeigen da auch, wie das Fangenspiel selbst heißt. In Südnordostwestfalen sagt man ja “packen”. Wobei ich mir dann immer vorstelle, wie man dort wohl “ich packe meinen Koffer” spielt
Bei uns in Südbayern heißt das“ Kobi“…
Bei uns im Raum Dresden heißt es „Zick“.
Ich, Jg,1957, bin in Bremen aufgewachsen und kenne das „Mi“ als „Lu“.
🙂
Viele Grüße
Edda.
Witzig, ich hab mich auch schon mit Freunden darüber unterhalten. Im Gebiet um Freiburg hieß das bei uns „Boddi“. In der Kurpfalz sagt man „Kitsch“ zum „Mi“.
Ich komme aus einer kleinen Großstadt im Bergischen Land, dort heißt es auch „Frei“. Wir spielten aber nicht einfach nur Fangen, sondern „Such mich, fang mich“. Der Fänger zählte mit verdeckten Augen bis 20 oder so, währenddessen versteckten sich die anderen. Dann musste der Fänger sie suchen und fangen. Wenn die zu Fangenden „Frei“ erreichten, ohne berührt zu werden, hatten sie gewonnen. Es gab also pro Spiel meist mehrere Gewinner und Verlierer. 🙂
Meine Dreieinhalbjährige spielt Fangen ebenfall nach den Regeln der Buddenböhmschen Söhne. „Mi“ heißt allerdings einfallslos „Sicherheit“. Hannover ist da doch recht schlicht gehalten.
Ja, na klar heißt es „Mi“. Mein Freund schaute mich mit großen Augen an, als ich eben „Mi“ rief. Als ich den Begriff erklärte und sagte, der Maximilian Buddenbohm hätte irgendwas von „Klippo“ geschrieben, nickte er sofort mit dem Kopf und sagte „warum hast Du das nicht gleich gesagt?“.
HERRLICH!!! (und der Brotknust und der Apfelgriebsch machen mir ganz warme Heimatgefühle, – Worte, die ich (als Berlinerin im tiefen Süden Deutschlands) ewig nicht gehört habe….Danke dafür.
Jaaaa…. HOLA!
(So heißt Mi im Taunus, und nirgends sonst… 😉 )
Hier in Hessen heißt es „x“, „aus“ oder „frei“ ist aber auch bekannt. der rest….ne…
wir haben „wupp“ gesagt (wiesbaden, hessen), aber schon in den einzlenen stadtteilen hat sich das wort unterschieden, wie wir bei einer internen umfrage festgestellt habeb. und neben mir auf dem sofa höre ich gerade „feuer“, jaja, die rüsselsheimer mögen es scheinbar heiß 😉
Wir haben damals „Verstecken“ gespielt und wenn man den „Anschlag“(schreiend) erreichte, war man erlöst. „Fangen“ war ihne Versteck, jemand wurde angeschlagen: „Bist(dran)“ und der war dann dran den Nächsten anzuschlagen (nicht heftig). So wanderte die Funktion immer ziemlich schnell und manchmal bekam man niccht mit, wer wirklich dran war..
Die Version mit Mi kenne ich auch nicht.
Bei uns in Leipzig hieß das Ce oder Zeh, keine Ahnung, wie man das schreibt. Aber vielleicht hieß es ja auch nur in unserem Stadtteil so? Muss ich direkt mal recherchieren.
Kenne das auch nicht … ein Safeword beim Fangen (das bei uns allerdings ‚Kriegen‘ hieß)? Schräg.
Fangen hieß „Kriegen“ (wir haben „Kriegen gespielt“), und Frei hieß „Frei“, war aber nicht selbstverständlich, sondern mußte vor Spielbeginn vereinbart werden (NRW, gleiche Gegend wie die Drachenfrau).
Wenn Söhne Ihren Vater „Klippo“ und ähnlich nennen, ist Pubertät – das kommt also noch.
In München haben wir Fangsti gespielt (Mädchen gegen Jungen!!!) und retteten uns ins Frei oder Aus, je nach dem.
Fangen wurde früher bei uns (in der Ulmer Gegend) ohne sowas gespielt. Also exakt wie bei der Herzdame. Nur beim Verstecken gab es einen „Abschlag“ oder „Anschlag.“
Kinder heutzutage hier im Hintertübinger Flachland spielen Fangen mit „Haus“. Und die von der Alb und ihren Westhängen, sie haben eine „Botte“. Wobei man „Bot-te“ spricht. Mit schaukelnder Pause zwischen den t-t. Probieren Sie es aus.
Naja, ein ‘Mi‘ (das höchstens mal im Urlaub „Klipp“ hieß: Norddeutsche sind da ja eher einsilbig veranlagt, wenn man sie nicht zwingt) verlangt den Spielenden natürlich ein gewisses Maß an strategischer Planung ab. Ohne den Menschen in Nordostwestfalen nun zu nahe treten zu wollen…
In Wien heißts „Leo“
Frau R., im Südwesten von Leipzig hieß das auf alle Fälle Ceeeh!
Mir ist das Konzept ebenfalls völlig neu, wer gefangen wurde, war nicht schnell genug ( also ich ) und aus dem Spiel.
So als Lübeckerin und Jahrgang 65 – Klipp, klar ;-).
Aber meine Kinder sind ja Niederbayern, und die sagen “Bandex“.
<3
/Ich kenne auch Klippo. Weiß aber nicht, ob von der Nordsee oder aus Franken. (Oh, gesplittete Kindheit!) Und Freio? Gab es vielleicht auch Freio?
Beim Sohn heißt es Klipp. Und dieses Klipp wird einfach spontan ausgerufen, kurz vor dem Gefangenwerden wird alles mögliche als Klipp deklariert. Hat ein bisschen was von Spielverderben. Bei uns war das meiner Erinnerung nach – egal ob Klippo oder Frei – ein vorher definierter Ort, den man auch erstmal erreichen musste. Früher und so.)
Also in dem Teil Nordostwestfalens, aus dem ich komme, hieß das vor 30 Jahren „Otte“.
Bar. Das heißt Bar! Zumindest hieß es so in meiner Kindheit in Münster!
Bei uns in Niederbayern spielten wir „Fangerl“ und retteten uns ins „Aus“
KLIPPO! beim Fangenspielen, wenn man wirklich außer Atem war. (Im Herzen von Schleswig-Holstein) Aber auch, wenn man einen ernsthaften Grund hatte.. eine Verletzung hatte, vom Lehrer/Mutter etc. gerufen worden war.
@LittleB: Ich meine, ein Freund von mir hätte das auch mal gesagt. Er kommt aus Niederdornberg (Bielefeld).
Bei uns in Nürnberg in den 70ern hiess das „Bedeut“ – was auch immer das Bedeuten mag… Alternativ kenn ich es noch als „Stromkasten“ und eigentlich klingt einfach alles dafür nach einem sehr merkwürdigen Spiel…..
In Südbayern sagten wir „Pony“
Also in Westostwestfalen gab’s das auch, bei uns hieß das Mal. Otte kenne ich aber auch, ich meine, das hätten die Cousins immer gesagt. Die kamen aus Ostostwestfalen.
Beim Verstecken hieß es Abschlag. Im Westen und im Osten.
Sandra Malik und Frau R., im südlichen Sachsen-Anhalt (Freyburg) war es auch immer Zeee. Schön, dass der Begriff auch woanders gängig war/ist. Mein Mann kennt das gar nicht, obwohl wir nicht weit voneinander aufgewachsen sind.
Bei uns im östlichen Ruhrgebiet hieß das Wupp. Ich wollte aber immer gern „mit ohne Wupp“ spielen, da bin ich wohl Osteestfälin im Herzen.
Der Nordostwestfale an meiner Seite kennt Packen und das Frei. Linguistisch und psychologisch sehr sehr spannend, das
Bei uns in der Schule hieß das „Bank“ und war meistens die große, lange Stufe vorm Schulgebäude 🙂
Meine Güte, ist das spannend! Hatte ich schon fast vergessen, dieses Konzept. Mein lustiges Ce/Ze taucht zwar in keinem Sprachatlas auf, aber wie ich sehe, wurde es ja mehrfach bestätigt. 🙂 Sollte man unbedingt auch im Erwachsenenleben wieder einführen, finde ich.
Dunkel meine ich mich zu erinnern, im hohen Norden Meck-Pomms war es Tick…zusätzlich musste man aber die Arme als Dach über den Kopf heben. Lustig.
Ja, Arme über den Kopf zum Dach, aber dann „Haus“ brüllen – so war’s zumindest im mecklenburger Hinterland…
In einer Vorstadt von Hannover (östlich) aufgewachsen. Bei uns hieß das „Klipp“ oder „frei“. An anderes erinnere ich mich nicht. 🙂 Faszinierend, wie viele unterschiedliche Begriffe es dafür gibt…
Herrlich! In österreich haben wir das LEO!
Ja, genau, „Leo“ heißt der Zufluchtsort!!
hier ein interessanter Link dazu:
https://www.philhist.uni-augsburg.de/lehrstuehle/germanistik/sprachwissenschaft/ada/runde_2/f11/
Und noch eins: Wir in der Holledau haben „Päx“ dazu gesagt; ich hab das jetzt mal so geschrieben, dass man die Verwandtschaft mit „pax“ erkennt. Wir alten Lateiner eben.
bei uns in der Ostschweiz heisst das „hoch“, dementsprechend auch Hochfangis (da die sicheren Orte ja immer irgendwo in der Höhe sind, finde ich das äusserst sinnvoll)
„Frei“ (Hildesheim).
Und danke! Endlich verstehe ich einen Witz von Fischmob: „Klippo – das Fangsportmagazin“
Bei uns hieß das „Dreier“, warum auch immer. 😉 War gerade im Kindergarten und später in der Grundschule sehr verbreitet. Ein anderes Wort hab ich dafür nie gehört, mag aber auch daran liegen, dass ich in dem Alter nicht in die Welt gekommen bin. 😉