Auf der Fahrt ins nordostwestfälische Heimatdorf kommen wir auf der Autobahn und auf den Landstraßen an Werbe- und Protestschildern vorbei, die irgendwelche Botschaften verbreiten. Die werben beleuchtet auf hohen Masten für die Filialen von Schnellimbissketten an den Autobahnausfahrten, die werben im Winter handgeschrieben auf Brettern an Bauernhäusern für glutenfreie Weihnachtsbäume und ja, das steht da wirklich. Die protestieren in wütenden Großbuchstaben auf halbzerfetzten Bettlaken gegen Umgehungsstraßen oder auch dafür, die sind gegen neue Spuren durch irgendeinen Ortsteil oder auch dafür, da blickt eh keiner durch, das sind die Abgründe der Lokalpolitik, da möchte man bloß schnell weiter. Die werben als kleines, handbemaltes Holzschild am Straßenrand für immer geschlossen aussehende Antikläden in Dörfern. Die werben mit manchmal nicht ganz so gelungenen Wurstzeichnungen auf Tafeln für heißes Essen in einem Grill am Rand der Durchfahrtstraße oder sie verkünden nur knapp und leicht zu übersehen die allgemeine Wohlfühlformel “Kaffee & Kuchen”.
Und irgendwo steht eine baufällige Hütte mitten auf einem Acker, eine kleine Scheune oder so etwas, sie steht nahe der kleinen Ortschaft Bockel. Da hängt ein großes Schild dran, man kann es von der Autobahn aus lesen. Das wirbt für einen Puff oder für einen Sexshop, ein Sexkino vielleicht, genau erschließt sich das gar nicht, aber da steht jedenfalls in großen roten Buchstaben: “Erotik-Bockel.” Das klingt für mich ein wenig wie eine niedersächsisch-profane Version von Venushügel, nicht wahr, dat is de Erotik-Bockel.
Ich habe das vor längerer Zeit einmal gegoogelt, dieses Bockel, und dabei festgestellt, dass es dort einen Ortsteil Flottwedel gibt. Und seitdem habe ich immer, wenn ich an diesem Werbeschild für “Erotik-Bockel” vorbeifahre, einen kleinen Detlev-Buck-Moment, wobei es natürlich um den ganz frühen Detlev Buck geht, die Älteren erinnern sich. Da sehe ich männliche Hauptdarsteller mit markanten Gesichtern vor mir, Landbewohner in Gummistiefeln und Arbeitshosen, die eben gerade noch auf einem Trecker gesessen und vielleicht Gülle gefahren oder Schweine verladen haben. Sie blicken mit völlig unbewegten Gesichtern über die Äcker und Weiden, sie sehen kurz in den ebenfalls völlig unbewegten grauen Himmel über der Tiefebene. Hinten fliegen ein paar Krähen durch kahles Geäst am Feldrand, daneben grasen Schwarzbunte. Am Bildrand eine Windkraftanlage, die Flügel stehen still. Der Himmel hängt so tief, es wird wohl Regen geben. Die Männer steigen in einen etwas heruntergekommenen Mercedes und murmeln in gemächlichem Platt etwas davon, dass sie noch mal eben rüber nach Flottwedel fahren, dann schwenkt die Kamera langsam über die Äcker auf das Werbeschild für Erotik-Bockel. Schnitt.
Auf diesen Moment freue ich mich immer, wenn ich ins Heimatdorf fahre. Und für ein paar Kilometer mag ich dann alles an Niedersachsen, an der Provinz, an meinem Norddeutschland. Doch, das ist immer wieder schön.
Wir sind manchmal in Bockel abgebogen, um über Brockel nach Bothel zu den Schwiegereltern zu fahren. Aber das ist nicht dasselbe Bockel, äh Bothel, äh Brockel, oder?
Ich habe nur eine sehr flüchtige Vorbeifahrbockelkenntnis.
Ahoi.
Der nordische Venushügel wird mich noch die kommenden Tage immer wieder erheitern, vielen Dank.
Das Bockel zwischen Buxtehude und Bremen? Laut soeben getätigter Recherche gibts da an der A1, Ausfahrt 49 auch ein … nennen wir es: Genrekino; unterdessen lautet das wohl alles auf den schönen Namen EGO – Ego-Markt, Ego-Erlebnisbereich, mehrere Filialen – hier eben das „Ego Bockel“.
Im Ego-Kino sich flott einen wedeln.
Im Dienst der Selbstfürsorge.
Wie witzig, daß genau dieses olle Schild an dem Schuppen noch jemandem genauso aufgefallen ist. JEDES Mal lachen der Mann und ich, wenn wir an Erotik Bockel vorbeifahren. Ab jetzt noch mehr.
Flottwedel – das verursacht bei mir auch Assoziationen, die zur Erotik passen.
hach, die szenenbeschreibung à la buck war aber schön.