Der Mensch, der Depp

Ich bin mit der Sturmhöhe nicht weitergekommen, weil ich versehentlich in den Kahneman (“Schnelles Denken, langsames Denken”) hineingesehen habe, da wird gleich am Anfang eines meiner Lieblingsthemen gestreift, nämlich die Unfähigkeit des Menschen, statistisch auch nur halbwegs korrekt zu denken, bzw. unsere fantastische Fähigkeit, permanent falsch hochzurechnen, eine Fähigkeit, die für einen kleinen Lebensraum vermutlich ganz passend und ausreichend ist oder wenigstens war, damals in der Steppe, die aber eher absurd ist, wenn man in größeren Maßstäben denkt. Eine echte Sollbruchstelle der menschlichen Intelligenz, bei der es auch nichts nützt, sie zu kennen, wir denken dennoch weiterhin dauernd, dass wir etwas über Hamburg wissen, über das Ruhrgebiet, über Deutschland, über die Stimmung im Land, über Trends, über Europa und sogar über die Weltlage, wir reden vermeintlich wissend über Bevölkerungsgruppen und Typen. Einen Dreck wissen wir, man muss es sich immer wieder und wieder klar machen. Die virtuelle Wirklichkeit ist eine viel verlässlichere Wirklichkeit, eine berechenbare Wirklichkeit, als die wirkliche Wirklichkeit, die wir einfach nicht korrekt ohne Hilfsmittel und recht komplizierte Verfahren erfassen können. Im Grunde muss man immer, wenn man ohne statistischen Beleg irgendwas über Gruppen, Mehrheiten oder Trends denkt, im Geiste ergänzen: “Oder auch nicht.” Man kann natürlich auch einfach eine Straßenecke weitergehen und dann noch einmal hinsehen, das reicht oft schon.

Gestern sah ich irgendwo aus dem Augenwinkel, ich weiß schon wieder nicht mehr, wo das genau war, etwas über den Gegensatz “Künstliche Intelligenz” und ”Natürliche Dummheit”, das fand ich sehr schön. Ein herrliches Thema. Oder, wie Sascha Lobo neulich schrieb: Der Mensch ist ein Knalldackel, wobei er sich auf unsere intellektuelle Kapazitäten bezog. In der mir vorliegenden Übersetzung der Sturmhöhe findet sich das bezaubernde Wort Vollkoffer, das nehmen wir auch gerne. So, und damit haben wir uns für heute genug beleidigt, wir Bloggerinnen und Blogleserinnen von sehr geringem Verstand, leise brummend lesen wir heiter weiter, denn es nützt ja nichts, wir haben nur dieses eine Hirn.

Und damit es nicht in den Kommentaren untergeht, hier wenigstens etwas Wuthering Heights:

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Wir waren wieder den ganzen Tag auf dem Barcamp, wo wir in diesem Jahr eigentlich keine Session anbieten wollten, was Sohn I allerdings unmöglich fand: “Das geht doch nicht!” So kann man also auch dazu kommen, sich da als Vortragender zu beteiligen. Falls Sie bei Barcamps Beteiligungshemmung haben, denn das soll es ja geben: Sohn I ist elf Jahre alt und war bereits an vier Sessions beteiligt. Seid wie Sohn I!

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Ich habe heute auch eine Session über gewaltfreie Kommunikation gehört, wozu ich kurz anmerken möchte – nichts gegen diese Session heute! – dass mir das Schlagwort “Gewaltfreie Kommunikation” bisher verlässlich nur in Kontexten und Situationen begegnet ist, die mich sofort super aggressiv gemacht haben, wegen unübersehbaren Spuren von Selbstgerechtigkeit, Scheinheiligkeit und Schauspielerei. Wie gesagt, das hat mit der Session heute nichts zu tun. Und anekdotische Evidenz beweist rein gar nichts, schon klar, siehe oben.

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Musik!

 

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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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3 Kommentare

  1. Mittlerweile habe ich ein schlechtes Gewissen gegenüber Kate Bush, weil meine innere Stereoanlage ihr „Wuthering Heights“ mittlerweile immer vom Ukulele Orchestra of Great Britain spielt.

  2. Zu gewaltfreier Kommunikation fällt mir nur eins ein: Scheiß auf gewaltfrei! Die macht mich schneller agressiv, als ich denken kann.

  3. Für die wirkliche Wirklichkeit braucht es eine eigene, innere Haltung – dann ist es weniger kompliziert Trends Trends, Gruppen Gruppen und Stimmungen Stimmungen sein zu lassen. Und es wird DEUTLICH unkomplizierter. Für sich. Nicht mit anderen.

    Seit deinen Buchtipps versuche ich ja rauszufischeln, wann es weniger die Sprache ist, die dich begeistert, wie vielmehr der Inhalt. Wann hat das Thema etwas mit dir zu tun – und die Geschichte spricht zu dir? Ich bekomme es nicht heraus. Oder toppt Wortkunst einfach immer?

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