Zwieback in Milch

I’m going to write about monsters.

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Im Vorübergehen gehört, vor einem Schaufenster in Eppendorf: “Ja, hier kannste solche Preise erzielen, das ist eben die richtige Lage dafür. Wenn du das bei uns machst, da lachen doch alle. Und wie die lachen.”

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Gerbrand Bakker schreibt in “Jasper und sein Knecht”, dass er seine Bücher eher für sich selbst geschrieben habe, seine Blogeinträge aber für die Leser, was für eine interessante Einteilung. Na, meine Bücher sind aus Blogartikeln entstanden, ich kann da nicht mitreden.

Außerdem erzählt er, dass er einmal auf einem Literaturfestival im Souterrain eines Antiquitätenladens eine Stunde gegen Honorar geschrieben habe, wobei das Geräusch der Tastatur per Lautsprecher als Happening auf die Straße übertragen wurde, während er da vor sich hin tippte und sich von Minute zu Minute immer mehr für Aufgabe begeisterte. Er empfand sich, so schreibt er, während er da saß und öffentlich schrieb, als endlich deckungsgleich mit sich selbst. Und das wiederum kann ich nachvollziehen.

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Apropos Schreiben, bei dieser Neujahrsvorsatzaktion kam auch der Wunsch, ich möge wieder anderes schreiben als nur Blogartikel, und ich nehme das mit den Vorsätzen ja ernst. Damit habe ich also auch begonnen. Keine Ahnung, ob da in diesem Jahr etwas dabei herauskommt, vielleicht dauert es auch zehn Jahre, bis da etwas vorzeigbar ist, bloß keinen Terminstress. Aber hey, der Versuch zählt, finde ich, mehr kann man bei Vorsätzen sowieso nicht verlangen. Ich habe erst einmal drei Wochen darüber nachgedacht, was ich vor zwei Jahren – oder wann das genau war – mit dem Manuskript da eigentlich vorhatte, dann habe ich mich mühsam, viel zu mühsam an das Passwort der Datei erinnert und mit Todesverachtung ein paar der damals geschriebenen Seiten gelesen. So etwas kann sehr, wirklich sehr herausfordernd sein, mir wurde so heiß dabei wie anderen beim Sport. Es gab da eine Stelle, an der bin ich spontan hängengeblieben, mir schien dort etwas zu fehlen, ein mir wichtiges Bild. Dunkel erinnerte ich mich, das schon einmal irgendwo beschrieben zu haben, vermutlich im Blog, wie das bei mir so ist, da landet ja das meiste. Jedenfalls fing ich damit einfach an, mit genau diesem Bild, es ist eines, das ich seit Jahren im Kopf habe und deswegen flott runterschreiben kann, und es lief auch ganz gut, ein leichter und einladender Einstieg. Fast erstaunlich gut lief das sogar. Ich fügte also diesen ungemein wichtigen Absatz ein, las ihn noch einmal durch und fühlte mich gleich viel besser, das ging doch! Das war wie mit dem Fahrradfahren! Tippeditipp! Dann las ich weiter und war etwas überrascht, denn den gleichen, fast den selben Absatz habe ich auch vor zwei Jahren schon geschrieben, der kam direkt zwei Zeilen tiefer. Nicht im Blog, nein, im Text, den ich gerade geöffnet hatte.

Ich will es positiv sehen, es zeigt immerhin, dass ich noch wie vor zwei Jahren schreibe. Ob das Geschriebene nun gut ist oder nicht, egal, es ist immerhin konsistent. Auch was wert!

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Ein Sohn liegt müde neben mir im Bett, streckt sich und ist gerade im Begriff, zur Nachtruhe ins Kinderzimmer zu wanken, sagt mir aber noch, dass er sich gerade so wohl fühle wie Zwieback in Milch. Ist das nicht schön? Für mich klingt das ganz außerordentlich schön und außerdem ziemlich unerreichbar, denn mich so wohl zu fühlen wie Zwieback in Milch, das kriege ich nicht mehr hin, schon lange nicht mehr.

“Darf ich den Satz bloggen?”

“Ja, der war ganz gut, ne?”

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Ich arbeite seit 1987 in der Firma, in der ich immer noch arbeite. Gerade habe ich erfahren, dass wieder einer der Geschäftsführer von damals gestorben ist. Die sind dann jetzt mittlerweile fast alle tot, die alte Garde ist nicht mehr. Es ist heute nicht mehr üblich, so lange in Firmen zu arbeiten, es ist auch nichts wert, aber es hat doch seine interessanten Seiten. Zum Beispiel kann man dann wissen, wie sich ein Mensch, der vor dreißig Jahren einmal eine wichtige Rolle gespielt hat, vielleicht heute noch dezent auswirkt. Manchmal stelle ich mir Organigramme vor, die das berücksichtigen, mit zartgrauen, kaum sichtbaren Linien in die Vergangenheit, dreidimensionale, hochkomplizierte Modelle durch die Zeiten und Ebenen, kaum lesbar, kaum zu deuten.

Es ist ein wenig schade, dass es solche Gebilde nicht gibt.

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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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2 Kommentare

  1. Dieses:
    „Manchmal stelle ich mir Organigramme vor, die das berücksichtigen, mit zartgrauen, kaum sichtbaren Linien in die Vergangenheit, dreidimensionale, hochkomplizierte Modelle durch die Zeiten und Ebenen, kaum lesbar, kaum zu deuten.“

    das stelle ich mir wunderschön vor… ein ganzer animierter Film… Personen die etwas bleibendes eingefügt haben.

  2. „wie Zwieback in Milch“ ist ganz wunderbar, gehöre ich doch zu den Dinosauriern, die noch Zwieback mit Milch und rote Grütze zum Nachtisch essen.

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