Auf der bereits gestern erwähnten internationalen Einkaufsmeile im kleinen Bahnhofsviertel stehen auch internationale Seelenfänger. Anhänger einer christlichen Sekte stehen da in Dreiergrüppchen, alle hundert Meter noch eines und noch eines. Die Grüppchen sind multikulturell besetzt und die Damen und Herren versuchen, die Herkunft der Passanten zu erraten, rufen ihnen ihre Botschaft dann in den womöglich passenden Sprachen zu und halten ihnen auch dazu passende Heftchen hin, die sie in etliche Versionen dabei haben. Natürlich interessiert sich niemand für diese Grüppchen mit Missionsauftrag, da kann man noch so lange zusehen, es bleibt niemand stehen, es nimmt keiner ein Heft. Es zieht ein unendlicher Menschenstrom achtlos an den Leuten mit den Heftchen in den Händen vorbei. Aber immer lächeln diese Typen weiter, verbindlich, stetig und vielleicht auch märtyrerhaft, zumindest in der eigenen Wahrnehmung, aber wer würde ihnen das schon bestätigen wollen.
Ich sehe ziemlich deutsch aus, nehme ich an, jedenfalls hält man mir das passende Heftchen hin und ruft mir in gebrochenem Deutsch zu, was sie wohl in allen Sprachen rufen: “Golipdi!” Mehrfach und dreistimmig ruft man das. Erst zehn Schritte weiter enträtsele ich mir das als “Gott liebt dich”, ich bin leider auch nicht immer der Schnellste.
“Gott liebt dich!” Natürlich. Ich habe ja meistens eher Göttinnen geliebt und das auf eine denkbar weltliche Art. Aber vielleicht macht das nichts, wer weiß.
Kurz darauf stehe ich auf dem Schulhof des Gymnasiums und höre einen Dialog im Vorübergehen:
“Weißt du, ich liebe dich.”
“Das ist auf Freundschaftslevel auch voll okay.”
Zweimal Liebe an einem Tag, wie einseitig auch immer, Sie merken es schon, wir sind wieder bei den Frühlingszeichen und ich liebe übrigens gerade den Wetterbericht.
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Der Musiktipp kommt heute von Sohn I und ist eher ein Tanztipp, eine Choreo, wie er sagt. Bitte sehr, Sie können die paar Schritte ja auch mal eben einüben. Hält geschmeidig!
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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.
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Sie können hier Geld in den nur virtuell vorhanden Hut werfen. Herzlichen Dank!
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Die beiden Tänzer sind ja cool! Ich werde mich hüten, das nachzutanzen, denn wie albern wäre das denn, eine Oma macht ne Choreo nach! Die jungen Leute müssen auch was haben, was die Alten nicht können.
Auch was von Gott gehört heute: er sei alleinerziehend, stand auf einer Postkarte…
„Zweimal Liebe an einem Tag, wie einseitig auch immer“ – das gefällt mir sehr gut.